EM-Qualifikationgegner Irland:Ein Lied für Stuttgart

Lesezeit: 2 min

Die Iren kommen mit wenig Hoffnung auf einen Sieg nach Deutschland. Aber sie singen wenigstens.

Raphael Honigstein

"Wir fahren mit nichts als Hoffnung im Gepäck nach Stuttgart", schrieb der Daily Star, Irlands größte Boulevardzeitung, nach dem 0:4 gegen die Niederlande im Test vor drei Wochen. Das stimmt nicht ganz.

Die Iren haben auch ein Lied dabei.

Es handelt von einem glorreichen Triumph in der baden-württembergischen Landeshauptstadt, und sie singen es schon seit vielen Jahren laut in der Kabine. "Den Text", erzählt Damien Duff (Newcastle United), "kennt kaum einer richtig", aber das spielt auch keine Rolle. "Joxer goes to Stuttgart" vom irischen Folk-Musiker Christy Moore ist ein Unter-der-Dusche-und-Stadion-Klassiker - es ist das Lied des irischen Fußballs.

Das Stück besingt Irlands 1:0 gegen die Engländer bei der EM 1988 in Deutschland.

Kurzes, goldenes Zeitalter

Unter anderem ist dabei von der "Rache für Skibbereen die Rede. Skibbereen ist ein Städtchen im Südwesten des Landes, in dem während einer von den Engländern verschuldeten Hungersnot Mitte des 19. Jahrhunderts 8000 bis 10.000 Iren starben.

Das Tor von Ray Houghton gegen den Erzfeind reichte damals zwar nicht für den Einzug ins EM-Halbfinale, aber es leitete ein kurzes, goldenes Zeitalter ein.

Vor 1988 hatte sich Irland nie für ein großes Turnier qualifiziert. Bei der ersten WM-Teilnahme kam man 1990 gleich ins Viertelfinale, 1994 und 2002 war im Achtelfinale Schluss.

Wie Weltmeister wurden die Iren zu Hause gefeiert, ruhmreiche Jahre waren das, an die man sich mit Wehmut erinnert - für die EM 2004 und die WM 2006 hatte sich das Team nicht qualifiziert.

"Der Sieg in Stuttgart war der Anfang des Fußball-Wahnsinns in Irland", erinnert sich Duff, "wenn wir am Samstag auch nur in die Nähe von so etwas kommen könnten, wäre es unglaublich. Große Zuversicht hört sich anders an.

Auch Kevin Kilbane (FC Everton) scheint von der Qualität seines Teams nicht überzeugt zu sein: "Die Qualifikation für die EM 2008 wird schwer, aber wir müssen daran glauben, dass wir es schaffen können." Die letzten Tests waren ernüchternd: erst ein 0:1 gegen Chile, dann das 0:4.

Trainer in der Kritik

Wichtige Stammspieler aus der englischen Premier League - Torwart Shay Given (Newcastle), Verteidiger Richard Dunne (Manchester City), Duff und Stürmer Robbie Keane (Tottenham) - fehlten zwar in Dublin gegen Holland, doch Irlands höchste Heimniederlage seit 1966 (0:4 gegen Deutschland) hat die Stimmung getrübt.

Der ehemalige Nationalspieler und einflussreiche Journalist Eamon Dunphy forderte im Star bereits die Entlassung von Trainer Steve Staunton, 37.

Irlands Rekordnationalspieler kam ohne signifikante Erfahrung ins Amt. Der Verband stellte ihm zwar Bobby Robson, einst englischer Chefcoach, als Berater zur Seite, doch der 73-Jährige konnte die Arbeit wegen eines Gehirntumors nicht aufnehmen.

Staunton spricht vorsorglich schon von einem Vier-Jahres-Plan: die WM 2010 in Südafrika sei das wahre Ziel.

Aber in der Mannschaft steckt durchaus Qualität. Die erste Elf kann mit den Besten Europas mithalten. Problematisch wird es wie bei allen Mittelklassemannschaften, wenn ein, zwei große Namen ausfallen - es gibt einfach zu wenig irische Profis.

Der Verband fahndet deswegen in Großbritannien ständig nach Spielern mit irischen Ahnen. So kommt auch Verteidiger Sean St.Ledger, 21, von Zweitligist Preston North End zu seiner ersten Nominierung.

Er hat eine irische Großmutter; vor Monaten spielte er noch in Liga vier.

© SZ vom 1.9.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: