EM-Kolumne: Doppelspitze:Deutsch - Fußballish

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Die Europameisterschaft hat noch nicht begonnen, doch schon hat sie die ersten wunderbaren Sätze einer universellen Sprache namens Fußballish hervorgebracht.

Ronald Reng

Irgendjemand hat einmal gesagt, Fußball sei die universelle Sprache. Ich muss bei jeder Welt- oder Europameisterschaft an diesen Irgendjemand denken. Wenn er uns Journalisten und Fußballer ganz universell miteinander reden hören würde: Ein portugiesischer Reporter spricht Portugiesisch mit einem spanischen Spieler, der die Sprache vage versteht und auf Spanisch antwortet, der portugiesische Reporter übersetzt mit seinem bisschen Englisch das Gesagte für deutsche Kollegen - und manchmal glauben diese am Ende dann sogar, erahnen zu können, was der Spieler gesagt haben könnte.

Der rumänische Nationalspieler Ciprian Marica (rechts) steht seit einem Jahr beim VfB Stuttgart unter Vertrag. (Foto: Foto: Reuters)

Diese Europameisterschaft hat noch nicht begonnen, aber doch schon die ersten wunderbaren Sätze dieser universellen Sprache namens Fußballish hervorgebracht. Nach dem Training der Rumänen in Sankt Gallen befragten deutsche Reporter auf Deutsch den Angreifer Ciprian Marica, der diese schwere Sprache seit einem Jahr beim VfB Stuttgart hört. Marica schien auch alles zu verstehen, nur einmal fragte er nach: "Stellenwert - was ist das?" Nur böse Menschen werden nun behaupten, natürlich könne jemand, der keinen Stellenwert hat, das Wort auch nicht kennen. Jedenfalls antwortete Marica auf Rumänisch, und Rumäniens Pressesprecher teilte dann als Spontan-Übersetzer auf Deutsch Sätze mit wie: "Die Menschen hier in Sankt Gallen haben warm auf uns gewartet."

"Du kannst im Fußball nicht schlafen"

Doch das ist erst der Anfang. Richtig universell wird das Fußballish erst während des Turniers, wenn die Sätze wie im alten Kinderspiel stille Post zu wandern beginnen. Bei der WM 2006 teilte ein spanischer Journalist Spaniens Nationaltrainer nach einem schwerlichen 1:0 über Saudi-Arabien mit: "Ehrlich, Luis, in der lauen zweiten Halbzeit waren viele kurz davor einzuschlafen", und Aragonés antwortet in der ihm üblichen kauzigen Art: "Du kannst im Fußball nicht schlafen: Wenn du schläfst, rauben sie dir die Geldtasche."

Am nächsten Tag meldete die deutsche Nachrichtenagentur ( dpa): Aragonés: "Wenn du schläfst, rauben sie dir die Unterhose." Und ein paar Tage später schrieb die Frankfurter Allgemeine: "Auf die Anschuldigungen, er habe in der zweiten Halbzeit gegen Saudi-Arabien geschlafen, sagte Aragonés ..."

Gerade rief übrigens ein französischer Kollege an, ich sei doch beim Training der Rumänen gewesen, Frankreich spiele ja am Montag gegen Rumänien, ob ich nicht ein paar brauchbare Zitate hätte. Ich habe ihn zum Spaß getestet. "Yes", sagte ich, "Marica said: ,The people of Sankt Gallen were waiting warmly for us.'" Ich weiß nicht, was mein französischer Bekannter dachte. Er hat einfach mitgeschrieben und gesagt: "Das ist großartig, danke." Ja, sagte ich: Großartig. Und das meinte ich auch.

Unsere Autoren Ronald Reng und Jürgen Schmieder berichten in unserem Tagebuch "Doppelspitze" abwechselnd von ihren Erlebnissen am Rande der Europameisterschaft.

Ronald Reng ist Autor des preisgekrönten Fußball-Buchs "Der Traumhüter" über den wahren Aufstieg eines deutschen Kreisliga-Fußballers in die englische Premier League.

Jürgen Schmieder ist Autor des Buches "Mein Bauch gehört mir", erschienen in der "Süddeutsche Zeitung Edition".

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