Eisschnelllauf-WM in Inzell:Vom Gerichtshof gebremst

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Eisschnellläuferin Claudia Pechstein scheitert mit ihrem Einspruch gegen ein Gerichtsurteil. Aus Enttäuschung hierüber erwägt sie, auf die Heim-WM zu verzichten. Ihr Verband könnte sie dringend gebrauchen.

Von Joachim Mölter, Inzell

Von diesem Donnerstag an werden in Inzell die Eisschnelllauf-Weltmeister auf den Einzelstrecken ermittelt. Zeit und Ort sind ideal, um an die Geschichte von Claudia Pechstein zu erinnern, Deutschlands erfolgreichster Winter-Olympionikin mit fünf Goldmedaillen. Auf den Tag genau vor zehn Jahren ist die Berlinerin bei der Allround-WM in Hamar/Norwegen von der Internationalen Eislauf-Union (ISU) aus dem Betrieb genommen worden, wegen auffällig erhöhter Blutwerte, die einen Dopingverdacht weckten; der Weltverband sperrte die Athletin damals aufgrund der Indizien für zwei Jahre. In Inzell kehrte Claudia Pechstein dann bei der WM 2011 auf die internationale Bühne zurück, dort wollte sie in dieser Woche erneut mitmachen, im stolzen Alter von 46 Jahren. Aber nun ist wieder ein Drama dazwischengekommen.

Pechstein hat ja all die Jahre juristisch gegen die Rechtmäßigkeit der Sperre gekämpft. Am Dienstag erlitt sie eine weitere Niederlage, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) wies ihren Einspruch gegen ein Urteil vom Oktober 2018 zurück. In diesem hatte der EGMR weder Abhängigkeit, noch Voreingenommenheit beim internationalen Sportgericht Cas festgestellt, wie es Pechstein reklamiert hatte, weil der Cas seinerzeit das Urteil der ISU bestätigt hatte. In ihrer ersten Reaktion deutete Pechstein auf ihrer Facebook-Seite an, ihre WM-Teilnahme sausen zu lassen. Nach dem "Tiefschlag" wisse sie noch nicht, ob sie "über genügend Kraft verfüge". Über ihren Start wollte sie kurzfristig entscheiden.

Matthias Kulik, der neue Sportdirektor des deutschen Verbandes DESG, äußerte Verständnis für Pechstein: "Aus sportlicher Sicht ist das eine Katastrophe, dass dieses Urteil genau in der Woche des Saisonhöhepunktes kommt. Das beeinflusst natürlich die Vorbereitung, man kann den Fokus nicht auf den Sport legen." Er hofft allerdings noch auf eine "Trotzreaktion" der Athletin.

Doch selbst wenn die eintreten sollte, bleiben die sportlichen Erwartungen bescheiden bei der DESG. Der Verband ist bei seinen Heim-Titelkämpfen mit dem kleinsten Aufgebot seiner WM-Geschichte vertreten, nur vier Frauen und sechs Männer stehen in der Startliste. Pechstein war unter anderem eingeplant für die Team-Verfolgung, für die drei Frauen gebraucht werden, aber selbst in dieser stets erfolgversprechenden Disziplin hegt man diesmal keine Medaillenhoffnungen. In den Weltcups dieses Winters hat es bislang ja auch keine Podiumsplatzierungen gegeben. Mit "fünften, sechsten, siebten Plätzen und vielleicht einer Überraschung" wäre man bei der DESG schon zufrieden im nacholympischen Jahr.

Für Überraschungen kämen allenfalls Sprinter Nico Ihle und Langstreckler Patrick Beckert in Frage, die Medaillengewinner bei der vergangenen WM 2017. An einen Titelgewinn glaubt indes keiner. Den letzten gab's durch die 500-Meter-Sprinterin Jenny Wolf, vor acht Jahren in Inzell. Zeit und Ort wären zwar auch für diesen Fall ideal, aber die Umstände sprechen eher dagegen.

© SZ vom 07.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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