Eisschnelllauf-WM:Furiose Vierte

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Die deutschen Eisschnellläufer bleiben bei der Weltmeisterschaft ohne Medaillen, wähnen sich aber auf dem richtigen Weg.

Von Alexander Mühlbach, München/Kolomna

Helge Jasch hatte seine Stirn in Falten gelegt. Zu groß waren die Sorgen des Eisschnelllauf-Bundestrainers Anfang Dezember beim Weltcup in Inzell: kein einzigen Podestplatz hatten die Deutschen beim Weltcup bislang geholt. Dazu waren alle Medaillenkandidaten angeschlagen. Claudia Pechstein, 43, lief ihrer Konkurrenz weit hinterher. Patrick Beckert, der WM-Dritte über 10 000 Meter, hatte eine so hartnäckige Entzündung am Sprunggelenk, dass er an Weihnachten pausieren musste. Und Nico Ihle, Vierter über 1000 Meter bei den Olympischen Spielen 2014, war noch nicht einmal für die WM qualifiziert. "Wir müssen schauen, dass wir die Leute bis zur WM im Februar wieder fit kriegen", sagte Jasch damals. In Kolomna aber hatte Jasch wieder die Stirn in Falten gelegt. Nicht der Sorgen wegen. Auch nicht, weil sich letztendlich nur acht Starter für die WM qualifiziert hatten, so wenige wie noch nie. Sondern vor lauter Ratlosigkeit. Fünf Mal landeten seine Athleten auf dem undankbaren vierten Platz. Der wiedergenesene Beckert musste innerhalb von 48 Stunden zweimal erleben, wie er über 10 000 und 5000 Meter erst auf das Podest fuhr, und im letzten Lauf von der Konkurrenz wieder von den Medaillenrängen verdrängt wurde. Genauso wie Pechstein, die in drei Tagen über 3000 und 5000 Meter sowie in der Mannschaftsverfolgung spät auf den vierten Platz zurück fiel. "Wenn das alles dritte Ränge geworden wären, hätten wir richtig was zum Feiern gehabt", sagte Jasch. So aber blieb die deutsche Mannschaft zum ersten Mal überhaupt ohne eine Medaille bei Weltmeisterschaften. Wie schon 2014 bei den Olympischen Spielen.

Bitter, sagten die Athleten, hört sich das alles an, klar. Aber die WM war dennoch keine Blamage. Sie zeigten die Fortschritte der deutschen Mannschaft, die sich seit den Olympischen Spielen im Wiederaufbau befindet. Die Bundestrainer holten das Beste aus ihren Athleten heraus. Sechs ihrer acht Starter landeten in den Top acht. Dazu lief Beckert ein so furioses Rennen über 5000-Meter, dass niemand mit seinem vierten Platz hadern konnte. "Ich habe ein Mega-Rennen gehabt und alles rausgehauen", sagte er. "Letztendlich ist der vierte Platz schade, aber ich kann zufrieden sein."

Somit machen sich die deutschen Athleten auch ohne Medaillen Mut für die Zukunft. Jedem Athleten war bewusst, dass Kolomna nur eine Zwischenstation auf dem langen Weg zu den Olympischen Spielen 2018 in Pyeongchang/Südkorea sein sollte. Dort soll endlich wieder eine Medaille her - auch, um Jasch weniger Sorgen zu bereiten.

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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