Eiskunstlauf-WM in Dortmund:Das große Glück des kleinen Stefan

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Den großen Weltmeister neben sich, die kleine Bronzemedaille für das drittbeste WM-Kurzprogramm um den Hals - Stefan Lindemann fühlte sich sichtlich wohl im elitären Zirkel der weltbesten Eiskunstläufer.

"Es ist richtig nett, bei diesen Jungs zu sitzen", flachste der Erfurter nach seiner ersten großen internationalen Pressekonferenz. Sonst nur Gesprächspartner für wenige deutsche Journalisten, stand der 23-Jährige in der Westfalenhalle im Fokus eine wahren Medienmeute, die höchst interessiert daran war, was der 23-Jährige nach der besten Vorstellung seiner Karriere bei den Weltmeisterschaften in Dortmund zu sagen hatte.

Nur Titelverteidiger Jewgeni Pluschenko und Europameister Brian Joubert waren noch ein Stückchen besser als der kleine Thüringer, dessen couragierter Auftritt nicht nur Reinhard Mirmseker, den Präsidenten der Deutschen Eislauf-Union (DEU), im wahrsten Sinne des Wortes vom Stuhl riss. Auch die übrigen 3500 Fans ließen "La Ola" durch die altehrwürdige Arena rollen und feierten den 1,63 Meter kleinen Lindemann geradezu euphorisch.

Wie ein Rumpelstilzchen

Hinter der Bande hüpfte Trainerin Ilona Schindler wie ein Rumpelstilzchen und stolperte dabei vor Begeisterung fast über ihre eigenen Füße. "Ein unbeschreibliches Gefühl, Stefan hat genial gezogen", sprudelte es aus ihr heraus. Mit der vagen Hoffnung auf eine Top-Ten-Platzierung angereist, darf ihr Schützling bei der Kür-Entscheidung am Donnerstag (18.30 Uhr) von der ersten WM-Medaille für einen deutschen Einzelläufer seit Norbert Schramm 1983 träumen.

Eine beeindruckend sichere Kombination aus vierfachem und dreifachem Toe-Loop legte den Grundstein für ein Programm wie aus einem Guss. Der dreifache Axel und der dreifache Lutz waren danach ebenfalls kein Problem für den Zeitsoldaten, der konzentriert bis zum Ende durchlief und sich auch bei Schrittkombinationen und Pirouetten keine Nachlässigkeiten gestattete. Mirmseker, in der jüngeren Vergangenheit von der sportlichen Misere seiner Athleten oft gezeichnet, durfte strahlen wie schon lange nicht mehr: "Ich freue mich für Stefan, er ist ein menschlich anständiger und integrer Vorbildsportler."

In den vergangenen zwei Jahren allerdings stagnierte die Laufbahn des EM-Fünften. Verletzungen warfen der Junioren-Weltmeister von 2000 zurück, der dreifache Axel wurde zum Angstsprung, an vierfache Rotationen war nicht zu denken. Von der DEU initiierte Trainingseinheiten bei der einstigen Witt-Betreuerin Jutta Müller verunsicherten den deutschen Meister zusätzlich und verursachten Risse in der Beziehung zu Trainerin Schindler.

"Ich war nahe daran, meinen Sport aufzugeben, weil ich das Gefühl hatte, mich nicht mehr weiterentwickeln zu können", bekannte Lindemann, noch vor wenigen Wochen bei den europäischen Titelkämpfen in Budapest an der Toe-Loop-Kombination. Bei einem kleinen Testwettkampf gelang dann die Generalprobe, das Selbstvertrauen stieg von Tag zu Tag. Ganz anders als bei vielen seiner hochgehandelten Konkurrenten, die im Kurzprogramm oder schon am Montag bei der Qualifikations-Kür allesamt mindestens einmal zu Fall kamen.

Goldener Triumph

Lindemann hingegen ließ sich von der Begeisterung des Publikums förmlich tragen und nutzte wie schon bei der Junioren-WM 2000 in Oberstdorf den Heimvorteil weidlich aus. Dass es nach dem goldenen Triumph im Allgäu vor vier Jahren sportlich nicht so recht weiterging, nahm er rückblickend auch ein bisschen auf seine eigene Kappe: "Vielleicht habe ich damals gedacht, es liefe nun alles von allein."

Ein ruhiger Tag mit leichtem Training sollte Lindemann bei der Konzentration auf das Kürfinale helfen. Seine Trainerin ließ sich derweil am Mittwoch in einem Kölner Elektronik-Kaufhaus stundenlang per Kopfhörer beschallen - auf der Suche nach neuer Musik, die ihren Schützling im vorolympischen Winter begleiten soll.

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