Eishockey-WM:Auf der Jagd nach dem letzten Rekord

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Dany Heatley hat deutsche Wurzeln, ist inzwischen aber Kanadas bester Stürmer bei der Eishockey-WM.

Wolfgang Gärner

Es hätte auch alles ganz anders kommen können damals, im Jahr 1999, als Dany Heatley nicht zum Sichtungscamp von Team Canada für die Junioren-WM im Eishockey eingeladen worden war: Da witterte der Deutsche Eishockey-Bund - allzeit offen für Verstärkungen - wieder mal die Chance für eine Eingemeindung und meldete sich bei dem Doppel-Staatsbürger. Denn Heatley hat auch einen deutschen Pass, weil seine Mutter Karin Berlinerin ist und mit Dany in Freiburg niederkam, wo sein Vater Murray damals Eishockeyprofi war.

Dany Heatley hat deutsche Wurzeln, schießt aber für Kanada wichtige Tore. (Foto: Foto: Reuters)

"Wir versuchten es, wir fragten. Dany war 18 und noch nicht sonderlich aufgefallen", erinnert sich Franz Reindl, der Generalsekretär und Sportdirektor des deutschen Verbandes. "Aber er sagte uns ab." Heatley behielt lieber die Spielberechtigung für Kanada, was eine weitsichtige Entscheidung war: Derzeit bestreitet Heatley seine fünfte Weltmeisterschaft für Kanada, und es verging dabei kein Spieltag, an dem er nicht besonders aufgefallen wäre.

Heatley, 27, bricht sämtliche WM-Rekorde für Team Canada, das 1:0 beim 8:2-Sieg im Viertelfinale über Norwegen war sein zehntes im Turnier, sein 30. insgesamt. Marcel Dionne als Kanadas erfolgreichsten Schützen (26 Tore) hat er hinter sich gelassen, ebenso mit 48 Punkten Steve Yzerman als besten Scorer (39). Die nächsten Bestmarken sind in Reichweite: Eric Lindros schoss bei der Weltmeisterschaft 1993 elf Tore, für Yzerman wurden 1990 20 Scorerpunkte notiert - womöglich holt Heatley sie schon im Halbfinale gegen Schweden an diesem Freitag ein.

Heatley fiel international erstmals bei der WM 2003 auf als bester Stürmer seines Teams mit sieben Toren und drei Assists. Am 29. September desselben Jahres folgte der Bruch nicht nur für seine Karriere, sondern seines Lebens: Er raste mit seinem Ferrari Modell 360 Modena mit 130 km/h in eine Mauer; Dan Snyder, sein Teamkollege bei den Atlanta Trashers auf dem Beifahrersitz, überlebte seine schweren Verletzungen nicht, und der Staatsanwalt erhob Anklage in sechs Punkten, der schwerste lautete auf Totschlag.

Snyders Vater Graham ersuchte den Staatsanwalt, die Anklage fallen zu lassen, diese wurde tatsächlich reduziert auf rücksichtsloses Autofahren. Heatley, der sich schuldig am Tod von Dan Snyder bekannte, kam mit drei Jahren auf Bewährung davon sowie der Auflage, 150 öffentliche Vorträge zu halten über die Gefahren des Rasens mit dem Auto. Er selbst hatte nur einen komplizierten Kieferbruch davongetragen, litt aber laut eigenem Bekunden schwer an seiner Schuld. Offenbar hatte er die psychische Belastung gut verarbeitet, denn bei der WM 2004 in Prag steuerte er schon wieder acht Tore bei die Kanadier bei, die Dritte wurden.

Inzwischen ist Dany Heatley der führende Stürmer der Ottawa Senators, aber eben jetzt, da er für das Nationalteam Tore schier nach Belieben schießt, fragen Kritiker, wo denn sein scoring touch gewesen sei, als die Senators ihn im Playoff gebraucht hätten? Ein einziger Assist wurde ihm in der ersten Playoffrunde gutgeschrieben, die Ottawa (mit dem Münchner Christoph Schubert) sang- und klanglos 0:4 gegen Pittsburgh verlor. Heatley antwortet mit dem typischen Fatalismus des Torjägers: "Manchmal hat man einen Lauf, manchmal nicht. Man hat Phasen, da geht fast jeder Schuss rein, und man hat Phasen, da geht keiner rein."

Warum sie bei der WM reingehen (nur beim 2:1 über Norwegen traf er nicht), liege daran, "dass die Chemie stimmt in unserer Reihe, und wir einander helfen", sagt Heatley. "Wir sind alle drei ziemlich große Jungs" - er, Rick Nash von den Columbus Blue Jackets und Ryan Getzlaf (Anaheim Ducks) - "und wenn wir gut zusammenarbeiten, geht vieles wie von selbst". Ihr Plan sei gewesen, die ersten sechs Aufgaben in Vor- und Zwischenrunde ordentlich zu erledigen "und jedes Spiel ein bisschen besser zu werden. Ich denke, das gelang uns ganz gut". So gut, dass die Titelverteidiger seit 16 WM-Spielen unbesiegt sind und zum sechsten Mal hintereinander im Halbfinale stehen.

An dem Tag, an dem er mit Team Canada die Vertretung seiner zweiten Heimat 10:1 abservierte, erhielt Dany Heatley Familienbesuch: Vater Murray kam nach Halifax und traf sich zum Plaudern auch mit Franz Reindl, an dessen Seite er mit dem SC Riessersee 1978 deutscher Meister geworden war. "Murray war ein brandheißer Stürmer, er war wirklich gefährlich und traf wie der Teufel", sagt der DEB-Sportdirektor. Stimmt - im Meisterjahr schaffte der Kanadier 51 Tore in 46 Spielen.

Man blieb in Verbindung: Heatley senior hat den Riesserseern schon ein paar Importspieler - gut und billig - für ihr Zweitligateam vermittelt, und im Sommer wird zuweilen der große Sohn in Garmisch-Partenkirchen gesichtet und beehrt manche Party. Der nächste Heatley ist unterwegs: Kommende Saison spielt Mark H. für den EHC München in der zweiten Liga. Genauso groß wie der Bruder (1,90), und natürlich mit deutschem Pass.

© SZ vom 16.05.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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