DEL-Finalserie:Von Pfosten zu Pfosten

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Schuss ins Glück: Jeremey Dehner (Mitte) vom EHC München trifft zum 2:1-Sieg in der Verlängerung gegen die Grizzlys Wolfsburg. (Foto: Adam Pretty/Getty Images)

Goalies, Trainer, Erfahrung, Special Teams: vier Faktoren, die über den Meister entscheiden könnten. Eine Gegenüberstellung der Finalisten München und Wolfsburg nach Spiel eins.

Von Christian Bernhard, München

Nicht nur Don Jackson dachte, die Scheibe sei im Tor. Auch die Schiedsrichter wollten sich die Szene in der vorletzten Minute des ersten Finalspiels um die deutsche Eishockey-Meisterschaft noch einmal genau ansehen. Auf dem Bildschirm sahen sie das, was auch Jackson hinterher zu sehen bekam: Vom linken Pfosten war sie quer über die Torlinie an den rechten getrudelt. Kein Tor. Statt 2:1 für Wolfsburg blieb es damit am Freitagabend beim 1:1. Es ging in die Verlängerung, und dort schlug der EHC München zu: Jeremy Dehner schoss den Hauptrunden-Sieger zum 2:1 und zur 1:0-Führung in der Best-of-Seven-Serie. Diese könnte eng werden, wenn man die ersten 72 Minuten als Referenz nimmt. Entscheidend könnten vier Faktoren werden.

Die Trainer

Don Jackson und Pavel Gross standen sich bereits 2011 im DEL-Finale gegenüber. Damals hatte Jackson als Trainer der Eisbären Berlin das bessere Ende für sich. Im vergangenen Jahr demütigten Gross' Wolfsburger die Münchner beim 4:0-Erfolg in der Viertelfinalserie. Beide schätzen und respektieren sich. Gross sagt, sein Münchner Kollege sei "der beste Trainer der Liga"; Jackson betont, "viel Respekt" vor den Wolfsburgern zu haben, da sie "eines der am härtesten arbeitenden Teams der Liga" seien. Jackson hat sich in der Hauptrunde auch von Rückschlägen nicht beirren lassen und seiner Mannschaft Schritt für Schritt sein System eingeimpft, dessen Grundlage eine penible Defensivarbeit ist. Nicht nur für Gross ist Jackson ein "ruhiger Zeitgenosse, der das Spiel sehr, sehr gut versteht".

Gross' größte Stärke ist sein herausragendes Taktik-Wissen. "Er ist ein kühler Taktiker", sagt Wolfsburgs Torhüter Felix Brückmann über seinen Trainer. Gross könne "auf einer Taktiktafel das Spiel des Gegners kaputtmachen", schwärmt Fabio Pfohl. Der Angreifer bezeichnet Gross als "Perfektionist", was Kollege Sebastian Furchner bestätigen kann: "Er ist eigentlich nie zufrieden und gibt so lange keine Ruhe, bis er nicht das Maximum erreicht hat." Gross hat aus Wolfsburg die wohl unangenehmste Mannschaft der DEL gemacht. Das ist als Kompliment gedacht.

Die Erfahrung

165, 122, 49: Alleine die Münchner Keith Aucoin, Matt Smaby und Jason Jaffray bringen die Erfahrung von knapp 350 NHL-Spielen mit. Steve Pinizzotto, Münchens bester Scorer in den Playoffs, hat vergangene Saison noch in der besten Liga der Welt gespielt und zusammen mit Aucoin zwei Meisterschaften in Nordamerika gewonnen. "Wir wissen, was es braucht, um Titel zu holen", sagt er und schiebt selbstbewusst hinterher: "Wir sind Siegertypen." Der EHC-Kader quillt in Sachen Erfahrung und Routine schier über.

Die Wolfsburger können in diesem Punkt nicht mithalten, Kurtis McLean ist der Einzige mit NHL-Einsätzen: exakt vier an der Zahl. Sie sind dafür von der ersten bis vierten Angriffslinie mit flinken und fleißigen Spielern bestückt, die das System von Pavel Gross ausnahmslos mit Leben füllen. Pfohl erklärt: "Jeder Schritt, jeder Pass, jeder Schuss hat mit seinem System zu tun." Für Münchens Nationalspieler Frank Mauer fällt bei den Niedersachsen "keiner groß aus dem Raster, jede Reihe spielt identisch". Wolfburgs Manager Charlie Fliegauf bringt den Wolfsburger Weg auf den Punkt: "Bei uns ist die Mannschaft der Star."

Die Torhüter

Im Finale stehen sich die zwei besten Torhüter der Saison gegenüber. Münchens David Leggio hatte die Hauptrunde mit dem besten Gegentorschnitt aller DEL-Goalies beendet (2,02), dicht gefolgt von Wolfsburgs Felix Brückmann (2,05). In den Playoffs steigerten sich beide noch einmal: München hat auch dank Leggio erst zweimal mehr als ein Gegentor kassiert, seine statistischen Werte (1,51 Gegentore pro Spiel, 94 Prozent Fangquote) sind sensationell. Zudem sorgte der emotionale US-Goalie im Viertelfinale für Furore, als er sich mit Straubings Keeper Matt Climie einen Faustkampf lieferte. Brückmann steht dem Münchner in nichts nach (1,78 Gegentore pro Spiel, ebenfalls 94 Prozent Fangquote). Der Nationaltorhüter strahlt große Ruhe aus und lässt kaum Abpraller zu.

Die Special Teams

Es gab eine Phase in der Hauptrunde, da war der Münchner EHC bereits an der Tabellenspitze, doch das Überzahlspiel war eines Führenden nicht würdig. Das änderte sich in den Playoffs. Die Scheibe läuft nun besser und geht öfter dahin, wo sie hin muss: Richtung gegnerisches Tor. Im ersten Finalspiel fiel so die Entscheidung in der Verlängerung. Das Unterzahlspiel ist das Münchner Prunkstück, Don Jackson, der seit knapp 30 Jahren als Trainer tätig ist, sagte vor kurzem, dieses sei das beste penalty killing, das er je hatte.Die Wolfsburg Grizzlys können sich seit Saisonbeginn auf ihr Überzahlspiel verlassen, die Automatismen sitzen. Wolfsburg sei eines der am besten organisierten Teams der DEL - "speziell im Powerplay", sagt Jackson. In den Playoffs verbesserte sich auch ihr Unterzahlspiel, mit nunmehr 93 Prozent Erfolgsquote (Unterzahl ohne Gegentor) belegen sie Rang eins unter den Playoff-Teams. Zudem haben sie bereits viermal selbst in Unterzahl getroffen. Im ersten Finalspiel traf allerdings München in der Verlängerung in Überzahl, Furchner sprach hinterher von einem "Stellungsfehler", der zum Treffer von Dehner geführt habe. "Aber ich glaube, wir sind da, wir sind in der Serie drin. Die (Münchner, Anm. d. Red.) haben gesehen, dass es ein heißer Kampf wird."

© SZ vom 17.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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