Eishockey:Tore jeglicher Couleur

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Das deutsche Eishockeyteam bezwingt Slowenien 9:1 und bringt sich zunächst aus der Abstiegs-Gefahrenzone.

Von Wolfgang Gärner

Greg Poss gefällt es in Innsbruck: schöne Stadt, guter Platz, um Eishockey zu spielen, "wir möchten Innsbruck mit einer guten Erinnerung verlassen".

Tino Boos spielt die Gegner geschickt aus. (Foto: Foto: dpa)

Eine besonders gute Erinnerung an Innsbruck hat Verbandsdirektor Franz Reindl, 1976 Mitglied der Mannschaft, die hier den größten Erfolg des deutschen Eishockeys feiern konnte als Gewinner von Olympia-Bronze.

Ebenfalls in jenem Team stand Wolfgang Boos; die Aussichten für seinen Sohn Tino, Innsbruck 29 Jahre später in guter Erinnerung zu behalten, sind am gestrigen Montag erheblich gestiegen durch das 9:1 über die Slowenen, den ersten Sieg der Deutschen bei der WM, mit dem sie sich an die Spitze der Relegationsrunde setzten; mit einem Punkt heute gegen die Dänen wäre die Abstiegsgefahr gebannt.

Sieg dank Powerplay

Die Mannschaft von Bundestrainer Poss hätte nach der für sie bis dahin deprimierend verlaufenen WM wenigstens aus der Statistik Zuversicht schöpfen können: Gegen die Slowenen wurde noch nie verloren, vier Siege und zwei Unentschieden standen zu Buche, eines davon war allerdings das 1:1 von 1998 in Ljubljana, als sie es mit Trainer Hans Zach in der Relegation versäumten, den ein halbes Jahr zuvor bei der WM in der Schweiz - George Kingstons letzter Amtshandlung - angerichteten Schaden zu reparieren und durch die Hintertür in die A-Gruppe zurückzukehren.

Das schafften sie erst zwei Jahre später in Katowice. Besser, als auf historische Daten zu vertrauen, ist es, aktiv zu werden, wie sie es im Sonntagtraining taten, mit verschärfter Arbeit an ihrem Überzahlspiel. Das war in den vier vorangegangenen Spielen bei dieser WM nichts weniger als erbärmlich: Kein einziger Treffer aus 23 Powerplays, das ergab unangefochten den letzten Platz in der diesbezüglichen Statistik.

Um dieses Manko abzustellen, wurde eine Stunde lang gepaukt - schön, wenn Fleiß so umgehend belohnt wird wie in diesem Fall: Vier Tore (durch Kreutzer, Furchner, Goc und Boos) wurden aus dem Powerplay erzielt. "Es hat geklappt, weil wir einfach gespielt und mehr geschossen haben", erklärte der Bundestrainer, "unsere Überzahl war bisher nicht effektiv, aber heute hat sie uns geholfen. Im nächsten Spiel muss sie uns auch helfen", heute gegen die Dänen.

Konzentriert und konsequent

Für das Powerplay hatten sie umgestellt, neben Jochen Hecht als Mittelstürmer Jan Benda gestellt ("weil wir seinen großen Körper vor dem Tor brauchen"). "Das Positive war, dass unsere Überzahl endlich funktioniert hat", sagte Benda, "auch wenn es erst in der Abstiegsrunde so weit war: Gottseidank ist es überhaupt passiert", ehe es zu spät war. Der Schlüssel war zuerst die schulmäßige Variante des Schlagschusses durch den Verteidiger von der Blauen Linie, abgefälscht vom Stürmer.

Teil eins besorgte zwei Mal der aus den USA nachgekommene Schubert, den Rest erledigte einmal Kreutzer, einmal Hecht, womit immerhin schon die 3:0-Führung bewerkstelligt war. Das sei in dieser Runde nah am Abgrund keine Garantie, war die Erkenntnis aus vorangegangenen Partien der Kontrahenten: Die Dänen hatten gegen Slowenien 3:0 geführt und verloren 3:4 wie die Österreicher nach 3:1 gegen Dänemark. "Das sollte uns eine Warnung sein", hatte Tino Boos gesagt.

Die Warnung hat wohl gewirkt, die Deutschen blieben konzentriert und konsequent von Anfang an, welcher angenehm gestaltet worden war durch das 1:0 von Marcel Goc ("vom ersten Wechsel an waren alle Mann auf dem Eis präsent") bei deutscher Unterzahl. Am Ende hatte sie Treffer jeglicher Couleur gesammelt: in Überzahl, in Unterzahl, drei (Benda, Hecht, Goc) bei voller Besetzung fünf gegen fünf, eines (Martinec), als von jeder Seite einer auf der Strafbank saß.

Der Knoten ist geplatzt

Die Sorge, den Vorsprung noch zu verspielen, war müßig: "Nach dem 5:0 wurde es etwas ruhiger auf der Bank", vermeldete Jens Felski. Neun Tore schießt die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft nicht jeden Tag, auch nicht gegen ein Team wie die Slowenen, die Widerstand nur in Grenzen leisten konnten.

"Wir hätten ein paar von den Toren gegen Kasachstan gebraucht", meinte Greg Poss in Anspielung an die 1:2-Niederlage acht Tage zuvor, mit der die Misere ihren Anfang nahm. Davon gefangen haben sie sich erst vier Auftritte später. "Heute spielten wir so, wie wir es die ganze Zeit hätten tun sollen", sagte Marcel Goc.

Jan Benda zeigte sich stark erleichtert darüber, "dass der Knoten geplatzt ist. Wichtig ist, dass wir nicht an diesem einen Spiel hängen bleiben". Es gibt noch ein nächstes: Heute gegen die Dänen. "Wir dürfen nicht erwarten, dass es gegen die genau so läuft", warnt Goc. Neun Tore sind auch gar nicht nötig, damit sie Innsbruck mit einer guten Erinnerung verlassen können.

© SZ vom 10.5.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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