Eishockey:Der Stanley Cup landet in der Tobacco Road

Lesezeit: 3 min

Die Carolina Hurricanes gewinnen mit dem 3:1 im siebten Endspiel über die Edmonton Oilers den amerikanischen Eishockeytitel.

Wolfgang Gärner

Standing Ovations gab es nicht im RBC Center. Für Standing Ovations erhebt sich die Menge zur Huldigung von den Plätzen, aber Montagnacht hatten sich die 19.000 in der Arena von Raleigh während des ganzen Spiels nie hingesetzt.

Kapitän Rod Brind'Amour stemmt den Pokal. (Foto: Foto: dpa)

Stehend erlebten sie, wie der Stanley Cup in der Tobacco Road landete, die erstrebenswerteste Eishockeytrophäe Amerikas (viele sagen: der Welt) in North Carolina abgeliefert wurde, Land von Basketball und Nascar-Autorennen, dessen berühmtester Sportler auf alle Zeiten Michael Jordan sein wird. Aber in dieser Nacht wurden die Profis der Carolina Hurricanes gefeiert für ihren 3:1-Sieg im ultimativen siebten Endspiel gegen die Edmonton Oilers.

Rod Brind'Amour ist 35 und wie für seinen Berufsstand üblich abgebrüht bis zur Kaltschnäuzigkeit. Aber als der Kapitän der Hurricanes den Stanley Cup stemmte, weinte er hemmungslos. "Es ist surreal", meinte er später, "die Jungs aus diesem Team haben schwere Jahre hinter sich. Aber nach Spiel sechs wusste ich erst recht: Jetzt lassen wir es nicht mehr aus, zu viele von uns haben sich das zu sehr verdient." Spiel sechs hatten sie am Samstag in Edmonton 0:4 verloren, sich nach einer Führung von 3:1 Siegen noch das alles entscheidende Spiel aufzwingen lassen. Doch damit endete Edmontons Comeback.

"Ich musste den Cup am Ende hochhalten, und wenn es nur wegen Cam war, diesem Jungen, der einfach toll spielte. Er geriet auch in den kritischen Momenten niemals in Panik."" Damit hat Brind'Amour Cam Ward gemeint. Der war gerade fünf Jahre alt, als Brind'Amour 1989 seine Karriere in der NHL begann. Die Karriere von Cam Ward in der NHL begann genau genommen erst vor zwei Monaten.

Brind'Amour: "Der Junge kam rein, als wir am Boden waren", als ihr Schweizer Stammtorwart Martin Gerber in der ersten Playoffrunde gegen die Montreal Canadiens zwei Heimspiele verpfuscht hatte und deshalb ausgetauscht wurde. "Er brachte uns wieder zum Leben", schwärmte Carolinas Kapitän, "macht euch nichts vor: Die Torhüter gewinnen die Meisterschaften, und wir hatten den besten in den Playoffs." Das fanden auch andere, sogar, dass er würdig sei, mit der Conn-Smythe-Trophäe ausgezeichnet zu werden: Insignie für den wertvollsten Spieler der Playoffs. Ward hielt in Spiel sieben 22 Schüsse und vollführte seine vermutlich größte, wichtigste Tat, als keine vier Minuten mehr zu spielen waren: Er wehrte einen Schuss von Raffi Torres ab und verhinderte mit dem linken Schlittschuh die Verwertung des Abprallers durch Fernando Pisani.

Ausgerechnet zwei Verteidiger, deren Offensivqualitäten als sehr bescheiden gelten - Frantisek Kaberle (dessen Vater 1991/92 Trainer von Hedos München war) und Aaron Ward (in der Lockout-Saison 2004/05 für den ERC Ingolstadt tätig) - brachten die Hurricanes 2:0 in Führung, Justin Williams machte die Arbeit 1:01 Minuten vor Schluss ins leere Tor fertig. Pisanis 14. Playoff-Treffer zum 2:1 war zu wenig für die Oilers. "Es tut weh, bei der Siegerehrung zuschauen zu müssen" gestand deren Verteidiger Chris Pronger.

"Wir erwiesen ihnen die Ehre, und dann verschwanden wir." Sie hatten es als Erste vom achten Playoffplatz bis ins Finale geschafft, und sie waren von einem aussichtslos scheinenden Rückstand nach vier Spielen zurückgekommen. Aber dann versäumten sie es doch, erstmals nach den Montreal Canadiens 1993 den Titel wieder nach Kanada zu holen, und zum sechsten Mal nach Edmonton, wo man nun 16 Jahre auf die Reprise des letzten Triumphes wartet.

Die Hurricanes hatten nur vier Jahre warten müssen: 2002 unterlagen sie im Finale den Detroit Red Wings 1:4. Nun sind sie am Ziel eines verwinkelten Weges, den sie 1972 in der Konkurrenzliga WHA als New England Whalers mit Sitz in Boston begannen.

1979 wurden sie als Hartford Whalers von der NHL aufgenommen. Weil sie keine Unterstützung für einen Hallen-Neubau bekamen, wurden sie von Teameigner Peter Karmanos 1997 in den Süden transferiert. Die ersten zwei Jahre in Carolina waren eine harte Bewährungsprobe: Weil die Arena in Raleigh nicht fertig wurde, mussten sie ihre Heimspiele 80 Meilen entfernt in Greensboro austragen.

"Viele dachten, wir seien draußen", sagte Hurricanes-Coach Peter Laviolette. "Aber unser Team hatte sich zu oft durchgekämpft, um das noch geschehen zu lassen. Meine Männer hatten zu oft die richtige Antwort gegeben, und sie gaben heute Nacht auf das vorangegangene Spiel eine Antwort und boten eine Leistung, die für mich die beste des ganzen Jahres war." Das Beste kam zuletzt: Der Stanley Cup ist in der Tobacco Road, und North Carolina ist Eishockey-Land, endgültig.

© SZ vom 21.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: