Eintracht schlägt 96 in letzter Minute:Die Last-Minute-Spezialisten

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Spätes Glück: Die Frankfurter bejubeln Ante Rebic und seinen späten Distanztreffer zum 2:1. (Foto: imago/Nordphoto)

Frankfurt mausert sich zum Team, das im letzten Moment einen Volltreffer anbringt. Beim 2:1-Auswärtssieg gelingt dies Ante Rebic, den sein Trainer und Landsmann Niko Kovic lange zappeln ließ.

Von Frank Hellmann, Hannover

Erst am Dienstagvormittag bittet Niko Kovac seine Fußballer wieder zum Training in den Frankfurter Stadtwald. Die Eintracht-Profis sollen die Beine hochlegen, während der Trainer an diesem Sonntag in Salzburg in aller Ruhe seinen 46. Geburtstag mit der Familie feiert. Das verlängerte Wochenende wäre zwar wohl auch unabhängig von dem 2:1 (1:1)-Auswärtssieg bei Hannover 96 gewährt worden, aber ohne den finalen Volltreffer von Ante Rebic in der 90. Minute hätte sich Kovac kaum mit einem so entspannten Lächeln aus der Arena am Maschsee verabschiedet.

"Dazu gehört auch das Quäntchen Glück: So ein Schuss kann auch unter dem Tribünendach landen", meinte der bestens gelaunte Fußballlehrer, dessen Mannschaft sich gerade auf Last-Minute-Erfolge spezialisiert. Im Heimspiel gegen den VfB Stuttgart hatte Stürmer-Neuzugang Sébastien Haller vor zwei Wochen mit einem famosen Seitfallzieher in letzter Sekunde den 2:1-Erfolg sichergestellt, nun war es nach Hallers feiner Brustablage der erst spät unter Vertrag genommene Angreifer Rebic, der das Spielgerät aus fast 25 Metern unhaltbar in die Maschen jagte. Eine Blaupause zum Spielverlauf vor der Länderspielpause.

96-Trainer Breitenreiter findet das 1:2 "nicht unverdient"

Denn erneut kam dieser siegbringende Frankfurter Schlussakt künstlerisch äußerst wertvoll daher, der die makellose Heimbilanz des Aufsteigers beendete. Hannover wart nach dem leistungsgerechten 1:1-Pausenstand - den Frankfurter Führungstreffer durch Haller (10.) egalisierte der überragende Salif Sané per Kopf (36.) - in der zweiten Halbzeit in eine merkwürdige Passivität verfallen. "Auch wenn es ein blödes Gegentor war: Wir haben kein gutes Spiel abgeliefert und waren nicht so dominant wie sonst. Eintracht war einen Tick besser", räumte Manager Horst Heldt ein. Und auch Trainer André Breitenreiter wollte über den "letzten Schuss" keine besondere Klage führen, denn: "Über 90 Minuten war das nicht unverdient. Wir haben erstmals nicht zu unserer Leistung gefunden."

Interessant, dass Frankfurts Coach seinem Matchwinner am Tag vorher in der Pressekonferenz bereits ein ausführliches Kapitel gewidmet hatte. Es ging um den Reifeprozess, den Ante Rebic in dieser Saison durchmache: "Der Verstand kommt mit dem Alter. Jeder junge Spieler hat nicht die Erfahrung, die Einsicht und das Denken eines Profidaseins. Mit der Zeit lernt man das." Die Aussage ging in Richtung des zehnfachen kroatischen Nationalspielers, der als Leihgabe im Sommer zunächst zum AC Florenz zurückgeschickt wurde. Weil die Hessen die Kaufoption auf Rebic, den technisch beschlagenen Offensivspieler, bewusst nicht wahrnahmen, obwohl dieser im Pokalfinale gegen Borussia Dortmund (1:2) bester Eintracht-Akteur war und den zwischenzeitlichen Ausgleich erzielte.

Kovac über Rebic: "Manchmal muss man hinfallen, um wieder aufzustehen."

Doch die vorangegangenen Leistungen des 24-Jährigen waren den Verantwortlichen zu unstet. Und der in Berlin geborene Kovac ließ seinen Landsmann ("Ich kenne deren Mentalität und weiß, was in deren Köpfen vorgeht") lange zappeln. "Die drei Monate haben Gutes bewirkt. Manchmal muss man hinfallen, um wieder aufzustehen." Da sollte einer erst einmal wertschätzen, was eine Festanstellung in der höchsten deutschen Spielklasse bedeutet. Und so ist mit dem erst Ende August fixierten zweiten Deal auf Leihbasis inklusive erneuter Kaufoption eine Win-win-Situation für beide Seiten entstanden.

Der aus Split stammende Stürmer ist deutlich effizienter geworden, obwohl Kovac selbst nach dem Hannover-Spiel noch nicht uneingeschränkt zufrieden war: "Das Tor hat er gut gemacht, aber die Leistung über 90 Minuten war nicht so: Da bin ich nur zum Teil zufrieden. Er muss mehr Präsenz zeigen und darf nicht so oft wie ich nur Zuschauer sein." Der Coach hatte nach eigener Aussage ernsthaft in der Schlussphase überlegt, seine Nummer vier vom Feld zu holen, doch "ein Bauchgefühl" habe ihn dazu bewegt, das Risiko zu wagen, dass Haller und Rebic am Ende zwar kaum mehr nach hinten arbeiteten, dafür aber vielleicht vorne die Entscheidung besorgen.

Dass es genauso kam, nahm Kovac gleich zum Anlass, von dem in den letzten drei Begegnungen erfolgreichen Rebic in Zukunft noch mehr einzufordern: "Ante kann es noch besser: Wenn er alles abruft, gehört er in der Bundesliga zu den Top 10 auf seiner Position. Aber man muss ihn ab und zu pieksen." Eine Motivationsspritze braucht es wohl auch, denn die kommende Aufgabe ist für den wieder überraschend rasch zusammengewachsenen Multikulti-Kader "ein anderes Kaliber", wie der solide Verteidiger Marco Russ feststellte.

Optimismus vor dem Duell mit Lieblingsgegner Dortmund

Dann kommt Tabellenführer Borussia Dortmund in die seit Wochen ausverkaufte Arena nach Frankfurt. Die Eintracht-Verantwortlichen sind voller Vorfreude. "Dortmund ist derzeit der brutalste Gegner der Liga. Aber das Pokalfinale ist nicht so lange her und wir haben etwas vor", erklärte Sportvorstand Fredi Bobic. Vorstandskollege Axel Hellmann ergänzte noch: "Die haben dreimal bei uns verloren - das ist in deren Köpfen drin." Nur Kovac klang in der Vorfreude auf die BVB-Partie deutlich gedämpfter: "Nur weil wir jetzt zweimal gewonnen haben, fangen wir nicht an, rumzuspinnen!"

© SZ vom 15.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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