Eintracht Frankfurt:Retter aus Sossenheim

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Andreas Möller kehrt aus dem Vorruhestand zur Eintracht zurück.

Ingo Durstewitz

Pardon! Sorry! Entschuldigung! Aber es muss an dieser Stelle und ganz am Anfang dreifach gesagt werden: Die spinnen, die Frankfurter. Sind total durchgeknallt, plemplem (es geht, natürlich, um die als Fußballverein getarnte Skandalklitsche mit dem lustigen Namen Eintracht). Man stelle sich vor: Es steht an diesem Montag im DFB-Pokal das Spiel der Spiele an, von dem viele Beinharte in Hessen in einem leichten Anflug von Größenwahn sagen, es sei die Mutter aller Derbys.

Kickers Offenbach gegen Eintracht Frankfurt, letztes Aufeinandertreffen am 26. Februar 1984 (Schnee, lausig kalt) im Frankfurter Waldstadion (3:0 für die Eintracht; für Frankfurt spielten damals Ronald Borchers, Ralf Falkenmayer, Karl-Heinz Körbel und Thomas Berthold, für Offenbach Oliver Reck, Uwe Bein und Michael Kutzop); der Kracher also, auf den die Fans im Rhein-Main-Gebiet fast 20 Jahren gewartet haben - und plötzlich ist der Klassiker aus der öffentlichen Wahrnehmung so gut wie verschwunden.

Schuld daran ist ein als Heilsbringer gepriesener Fußballer (besser: Ex!!!-Fußballer!!!), der ab sofort die geballte Last der Frankfurter Hoffnung auf den schmalen Schultern trägt: Andreas Möller, ab morgen 36 Jahre alt. Die Eintracht hat den Frankfurter Jung' aus dem Vorruhestand geholt und ihn mit einem Lizenzspielervertrag für die laufende Runde ausgestattet, Möller wollte kostenlos spielen - durfte er aber nicht-, dafür anschließend als Assistent des Vorstands arbeiten, als Repräsentant, der mit seinem Namen Türen öffnet, die sonst verriegelt bleiben würden. Potzblitz!

Alles andere verkommt auf einen Schlag zur Marginalie: Dass die Frankfurter zeitgleich den Brasilianer Chris (zuletzt mit St. Pauli in die Regionalliga abgestiegen) für die Abwehr geholt haben - geschenkt, eine Meldung über zehn Zeilen in den Frankfurter Medien. Dass der Vertrag mit Alkoholsünder David Montero aufgelöst wurde - wen juckt's?, Meldung über fünf Zeilen. Das Spiel in Offenbach - ach ja, auch das noch.

Und so fuhr er dann am Sonntag vor, der Andi, der verlorene Sohn aus Frankfurt-Sossenheim, um kurz vor 12 Uhr in einem Luxusschlitten mit Dortmunder Kennzeichen. 100 Fans warteten auf Möller (dunkle Sonnenbrille, dunkle Jeans, helles Hemd) und empfingen ihn mit warmen Beifall, einer indes rief: "Möller, bezahl' deine Schulden."Öffentlich angefeindet und im Stadion mit allen möglichen Obstsorten beworfen worden, war Möller stets bei seinen Gastspielen in der Mini-Metropole am Main, weil ihm die Fans seinen Abgang 1992 zu Juventus Turin nicht verziehen haben.

Nun erledigte er vor der Presse artig sein Pflicht. Er, der vor zehn Tage ein Einfamilienhaus in Bad Homburg vor den Toren Frankfurts bezog, habe seinen Lebensmittelpunkt jetzt in Frankfurt und wolle der Eintracht etwas zurückgeben: "Ich will helfen." Es habe gekribbelt und in den Füßen gejuckt, "es hat mich gereizt", sagt Möller, und die ganze Sache habe eine Eigendynamik entwickelt. Die Bild-Zeitung hat sich für Möller verdingt, "Umfragen gestartet, Kommentare geschrieben", befindet er, "und die Leute auf der Straße haben mich angesprochen: Andi, komm, auf, zieh die Fußballschuhe noch mal an. Du musst uns helfen." Das macht er jetzt, der Andi.

Möller, der auf Schalke in den drei zurückliegenden Jahren ganze sechs Tore erzielte und im Mai - weil mental ausgebrannt - seinen Rücktritt von der Balltreterei bekundete, legt Wert darauf, nicht die Wunderwaffe im Abstiegskampf zu sein. "Ich bin nicht der Retter und kein Garantieschein." Seit drei Monaten, räumt Möller ein, habe er nicht mehr gegen den Ball getreten, sich aber mit Waldläufen fit gehalten. Der medizinische Check immerhin hat gute Werte zu Tage gefördert. "Die sind besser als bei manch anderen meiner Profis", sagt Trainer Willi Reimann. Auch kein Ruhmesblatt.

Ach ja, das Derby. Das wird Möller am Fernsehschirm verfolgen. Trotzdem noch ein paar Fakten: Es besteht eine über Jahrhunderte gepflegte Feindschaft zwischen den Städten, die nur der Main voneinander trennt. Die auf der südlichen Mainseite (die Offenbacher) werden im breiten Hessisch Dribbdebach und die anderen (die Frankfurter) Hibbdebach genannt. Der abgewrackte Bieberer Berg hätte auch 120000 Leute beheimaten können, wenn er so vielen Platz bieten würde, so müssen 100000 draußen bleiben. Die Bilanz spricht für die Kickers, das wichtigste Spiel aber gewann die Eintracht: 1959, 5:3 in Berlin. Es ist bis heute die einzige deutsche Meisterschaft. Übrigens: Andreas Möllers Vater war live dabei!

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