E-Mail aus China:3000 Zeichen zu viel

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Kathrin Steinbichler berichtet für sueddeutsche.de täglich von der Fußball-WM der Frauen aus China. Zum Auftakt der Weltmeisterschaft hat sie zunächst ein grundsätzliches Problem: Kommunikation.

Kathrin Steinbichler

1,3 Milliarden Einwohner, 9,6 Millionen Quadratkilometer, 16 Mannschaften, ein Ziel: Frauenfußball-Weltmeister werden. Vom 10. bis 30. September spielen die besten Teams der Welt, darunter Titelverteidiger Deutschland, in China um die WM 2007. Unsere Sportreporterin Kathrin Steinbichler ist vor Ort und berichtet während der WM täglich für sueddeutsche.de exklusiv aus dem Reich der Mitte.

Der alte Mann hinter dem gläsernen Tresen lächelt mich freundlich an, immer wieder. Es ist warm, die Luftfeuchtigkeit in Schanghai drückt auf Rücken und Stirn, und ich lächle zurück, minutenlang. Doch es hilft nichts: Wir verstehen uns einfach nicht. Er kann kein Englisch, und - ich gebe zu - ich kann kein Chinesisch. Ich habe mir vor dem Abflug nach Schanghai nicht die Mühe gemacht, es zu lernen. Rund 3000 Schriftzeichen umfasst das Umgangschinesisch, "das kann man bei uns nach der Grundschule", sagt der chinesische Reiseleiter unseres Journalistentrosses in Schanghai, der uns und der deutschen Nationalmannschaft folgen wird.

Optik ist eben noch immer der beste Informationsaustausch

Nun ja, ich habe nur vier Wochen, während der in China die Frauenfußball-WM ausgespielt wird, und versuche es nochmal mit größtem Einsatz von Mimik und Gestik, ziehe mein Mobiltelefon aus der Laptoptasche, baue es auseinander und halte dem netten Herrn im sojafarbenen Kurzarmhemd schließlich das Herzstück meiner Kommunikationszentrale vor das Gesicht: den kleinen Chip, ohne den zu kaufen kein Mensch mobil telefonieren kann. Er beginnt zu nicken und laut auf mich einzureden, Optik ist eben noch immer der beste Informationsaustausch, wenngleich mich das zum Nachdenken bringt, wie die Chinesen wohl unser Auftreten überhaupt finden. Leider kann ich das meinen freundlichen Ladenverkäufer nicht fragen, dazu reicht mein Schauspielrepertoire nicht aus.

Als er aber schließlich einen kleinen grauen Umschlag mit vielen chinesischen Schriftzeichen unter dem Tresen hervorzieht, beginne ich zu strahlen. Auch ohne Lesen zu können, fühle ich die Plastikkarte im Inneren der Packung und zahle die 70 Yuan, rund sieben Euro, für etwa 45 Minuten Gesprächsguthaben ins Ausland. Jawohl, ich werde telefonieren können, schließlich gibt es während so eines mehrwöchigen Turniers viel zu besprechen: Ob mit der Redaktion, der Fifa, dem Pressemann der DFB-Frauen oder anderen Kollegen - ständig gibt es Fragen und Organisatorisches zu erörtern, und man will ja Kosten sparen und das deutsche Handy ausschalten. Allerdings muss unser Reiseleiter erst irgendwo anrufen, um das Telefon für Auslandsgespräche freischalten zu lassen. Als ich zurück ins Hotel komme, will ich meine neue Telefonnummer gleich per E-Mail an die Redaktion geben, doch der Computer lässt mich nicht ins Internet. In China, fällt mir ein, gelten Presse- und Meinungsfreiheit nur eingeschränkt.

Handgeschriebene Zugangscodes

Das World Wide Web mit seinen unendlichen Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten stellt da für die Behörden eher eine Bedrohung als eine Aussicht dar, weshalb seine Benutzung streng überwacht wird. An der Rezeption erhalten die anderen Kollegen und ich, die wir um elektronischen Einlass beziehungsweise Ausgang bitten, einen weißen Zettel, auf dem für jeden von uns per Hand unser persönlicher Internet-Zugangscode geschrieben ist.

Doch auch das funktioniert zunächst nicht, und so muss auf dem 15. und 16. Stock unseres Hotels, den beiden Journalistenetagen, erstmal der Techniker anrücken. Ein paar Stunden später, als wir vom Mannschaftshotel zurück sind, probiere ich es wieder aus. Wenn dieser Text angekommen ist, hat es geklappt.

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