Düsseldorf-Stuttgart (18 Uhr):Grummeln am Roten Haus

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VfB-Sportvorstand Michael Reschke (re.) mit Stürmer Nicolás González beim Spiel gegen Freiburg am vergangenen Sonntag. (Foto: Sebastian Gollnow/dpa)

Wortgefechte im VIP-Raum, gescheiterte Transfers, fehlender Mittelstürmer und ein erfolgloser Trainer: Beim VfB Stuttgart liegt vor dem wichtigen Spiel in Düsseldorf vieles im Argen.

Von Tobias Schächter

Dominic Solanke hat übrigens noch kein Tor erzielt im neuen Jahr. Ob dies allerdings ein Trost für die Fans und Verantwortlichen des VfB Stuttgart ist, ist eher fraglich. An dem englischen Mittelstürmertalent war der VfB im Januar interessiert, aber Solanke entschied sich statt nach Schwaben doch lieber vom FC Liverpool zum AFC Bournemouth in die englische Grafschaft Dorset zu wechseln. Für die stolze Ablösesumme von rund 21 Millionen Euro. Markus Weinzierl hätte diesen Angreifer gerne im Team gesehen, ein Mittelstürmer und ein spielstarker Sechser hatte sich der Trainer des VfB in der Wintertransferperiode zuvorderst als Verstärkung für sein angeschlagenes Team gewünscht. Ausgeliehen aber hat VfB-Sportvorstand Michael Reschke die beiden Außen Steven Zuber (Hoffenheim) und Alexander Esswein (Berlin) - und für die Rekordablösesumme von elf Millionen Euro den 18 Jahre jungen Innenverteidiger Ozan Kabak von Galatasaray Istanbul fest verpflichtet. "Wir haben viel diskutiert - über mehrere Positionen. Im Winter ist es natürlich schwer, sich optimal zu verstärken. Es ist kein Wunschkonzert, bei dem du sagen kannst, du willst einen Sechser und einen Stürmer, und die warten alle und wir können sie alle finanzieren." Das hat Markus Weinzierl nun vor dem brisanten Duell an diesem Sonntag bei Fortuna Düsseldorf gesagt und damit durchblicken lassen, mit den Transferaktivitäten des VfB in diesem Winter nicht restlos glücklich zu sein. Auch wenn er betonte, dass die geholten Profis dem VfB ja schon "geholfen" hätten.

Doch das mit dem Helfen ist relativ. Nur ein Punkt in drei Spielen nach den Weihnachtsferien schaffte der VfB bislang und hängt weiter auf Relegationsplatz 16 fest. Verlieren die Stuttgarter am Sonntag (18 Uhr) in Düsseldorf, wäre der Aufsteiger schon zehn Punkte weg. Ein Sieg im Rheinland ist daher fast Pflicht für den VfB. Seit dem 2:2-Ausgleich des SC Freiburg am vergangenen Sonntag in der Nachspielzeit wird es immer ungemütlicher rund ums Rote Haus in Bad Cannstatt. Auch für den Trainer, der in bisher 13 Spielen nur zehn Punkte sammeln konnte und deshalb in Düsseldorf vielleicht schon ein Endspiel um seinen Job hat.

Beim Stuttgarter Publikum steht Weinzierl nicht für die Misere

Es grummelt beim VfB an allen Ecken seit der SC Freiburg den so ersehnten Befreiungsschlag verhindert hat. Am Montag trat Aufsichtsratsmitglied Guido Buchwald zurück, nachdem er nach dem Freiburg-Spiel von einem Aufsichtsrats-Kollegen im Vip-Raum des Stadions in aller Öffentlichkeit beschimpft wurde. Buchwald, Weltmeister 1990, eine VfB-Legende, hatte im November in einem Interview die Transferpolitik des Klubs und die Macht von Sportvorstand Michael Reschke kritisiert. Danach gab es einen Burgfrieden, der am Sonntag spektakulär gebrochen wurde.

Beim Publikum steht Trainer Weinzierl bislang nicht im Fokus, als die Verantwortlichen für die Misere haben die Fans andere ausgemacht: Sportvorstand Reschke und Klubboss Wolfgang Dietrich. Weinzierl aber spürt, dass er einen Erfolg in Düsseldorf braucht, sonst könnte seine Mission schon beendet sein. "Natürlich habe ich auch erwartet, dass wir es schneller regeln", sagt der Trainer, dem die Wende bislang einfach nicht gelingen will. Nun hat sich die Lage zugespitzt. Der Kicker will herausgefunden haben, dass im Klub bereits Gedankenspiele über eine mögliche Nachfolge Weinzierls mit den Trainern Markus Gisdol und Felix Magath durchgespielt werden. Zwar bekräftige Sportvorstand Reschke zuletzt, die Saison mit Weinzierl zu Ende spielen zu wollen. Aber Reschke hatte schon Weinzierls Vorgänger Tayfun Korkut entlassen - nachdem er zunächst dessen Vertrag ohne Not verlängert hatte und kurz darauf versicherte, eine Trainerentlassung stehe nicht zur Debatte. Kann Weinzierl auf Reschkes Wort vertrauen?

Seit anderthalb Jahren ist Reschke Sportvorstand in Stuttgart, der ehemalige Kaderplaner des FC Bayern hat in dieser Zeit in Hannes Wolf und Korkut schon zwei Trainer entlassen. Eine dritte Trainerentlassung innerhalb von nur 18 Monaten könnte kein Sportchef der Welt mehr als Plan verkaufen und käme für Reschke dem Eingeständnis des eigenen Scheiterns gleich. Alleine in dieser Saison gab der VfB unter Federführung von Reschke fast 50 Millionen Euro für neue Spieler aus. Tabellenplatz 16 nach 20 Spieltagen ist angesichts dieser Investitionen ein Armutszeugnis. Dabei hatte Klubboss Dietrich nach der umstrittenen Ausgliederung der Profifußballer aus dem Gesamtverein vor anderthalb Jahren angekündigt, den VfB mittelfristig wieder in der Bundesligaspitze etablieren zu wollen. Zu diesem Zweck holte Dietrich Reschke. Nun aber ist der VfB dem Abstieg näher als der Champions League. Wieder einmal.

Nach Düsseldorf fährt der VfB übrigens ohne echten Mittelstürmer, Mario Gomez fehlt gesperrt. Letzte Saison hatte Gomez den VfB in der Rückrunde noch fast im Alleingang aus dem Abstiegssumpf geschossen. Auch im Vertrauen auf dessen Tore hat der Klub den wechselwilligen Daniel Ginczek im Sommer nach Wolfsburg ziehen lassen. Unter Weinzierl aber hat Gomez in zwölf von 13 Spielen kein Tor erzielt. Eine treffsichere Alternative im Angriff fehlt, auch nach dieser Wintertransferperiode. Wenigstens kehrte der verletzungsanfällige Zauberfuß Daniel Didavi zuletzt gegen Freiburg zurück und erzielte gleich ein Tor. Doch der Blick aufs Torverhältnis (17:44) verrät: Wer in 20 Spielen so viele Gegentore kassiert, hat nicht nur vorne ein großes Problem.

© SZ vom 10.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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