Düsseldorf siegt spät:System Spielmannszug

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Einen Schritt voraus: Düsseldorfs Alfredo Morales (li., mit Joelinton) erzielt den Führungstreffer für seinen Verein. (Foto: Juergen Schwarz/Bongarts/Getty Images)

Düsseldorf verstellt den Raum wie die Kapelle beim Unterrather Schützenfest die Straßen. Den ersten Bundesliga-Sieg seit 2013 erarbeitet sich Fortuna beharrlich - und erntet Respekt vom Gegner.

Von Ulrich Hartmann, Düsseldorf

In Unterrath war am Samstag Schützenfest. Dort, im Düsseldorfer Norden, ließ sich ganz gut erkennen, wie schlecht man an einer dicht formierten Gruppe vorbeikommt. Busse und Autos in Fahrtrichtung Fußballstadion sind ein bisschen verzweifelt am Unterrather Spielmannszug. Und die Fußballer von Fortuna Düsseldorf haben es in ihrem Spiel gegen die TSG Hoffenheim anschließend ähnlich gemacht. Auch die Gäste sind verzweifelt. Mit einer Formation wie ein Spielmannszug, natürlich ein bisschen agiler, haben die Düsseldorfer den Hoffenheimern den Weg zum Tor verstellt. Der Fortunen-Treffer zum 1:0 in der 45. Minute hätte schon so eine Art Paukenschlag für die Kapelle sein können, aber das große Finale erfolgte erst kurz vor Schluss, als Dodi Lukebakio in der 88. Minute den Hoffenheimer 1:1-Ausgleich zwei Minuten zuvor zum 2:1-Siegtreffer per Elfmeter konterte. "Wir hätten halt konsequenter sein und unsere vielen Chancen nutzen müssen", sagte Hoffenheims enttäuschter Nico Schulz, "aber die Fortuna hat's auch gut gemacht - die haben sich halt einfach hinten reingestellt."

Mit der lapidaren Formulierung "einfach hinten reingestellt" hätten die Düsseldorfer aber so ihre Probleme gehabt. Sie sprachen pathetisch über ihre Abwehrleistung und umschrieben den ersten Bundesliga-Sieg seit 16. Februar 2013 als Triumph der Leidenschaft. "Die Mentalität ist da", verkündete der Rechtsverteidiger Jean Zimmer - "aber nur so können wir in der Bundesliga bleiben." Auch der Trainer Friedhelm Funkel wurde fast ein bisschen rührselig über den ersten Saisonsieg gegen das Champions-League-Team aus Hoffenheim, das am kommenden Mittwoch beim ukrainischen Tabellenführer Schachtjor Donezk antreten muss. "Es muss schon Einiges zusammenkommen, damit wir gegen eine Mannschaft wie Hoffenheim gewinnen können", sagte Funkel und meinte damit: Man hatte gegen einen klar überlegenen Gegner auch viel Glück.

Düsseldorf verteidigte weitgehend mit einer 5-4-1-Formation. Man muss sich dabei sieben, acht Hoffenheimer und neun Düsseldorfer rund um den Fortunen-Strafraum vorstellen und kann erahnen, wie schwer es für die Hoffenheimer in solch einem Gedränge war, überhaupt mal zum Schießen oder zum Flanken zu kommen. Erst als sich die Gastgeber ganz langsam fürs Fußballspiel ein bisschen öffneten, ergaben sich klarere Gelegenheiten für die Gäste. Nachdem sich Joelinton durchgesetzt und in die Mitte gepasst hatte, erreichte der Ball nahe des zweiten Pfostens den Stürmer Andreij Kramaric, der ins halbleere Tor nur noch hätte einschieben müssen, den Ball aber nicht richtig traf. Unter dem Gejohle der Fortuna-Fans kullerte dieser in der 32. Minute am Tor vorbei. Es war eine unfassbare, aber auch bezeichnende Szene.

Funkel befürchtet eine Niederlage, dann foult Kevin Vogt Kenan Karaman

Hinten machte sich bei den Hoffenheimern das Fehlen von Kasim Adams, Kevin Akpoguma, Ermin Bicakcic und Benjamin Hübner dramatisch bemerkbar. Die offensiv zunächst völlig harmlose Fortuna erstritt sich nun Chancen, und als Zimmer in der 45. Minute ins Zentrum flankte, stand dort Alfredo Morales völlig frei und köpfelte den Ball unbedrängt ins lange Eck des Hoffenheimer Tors.

Mit der überraschenden Führung im Rücken und unter wachsendem Hoffenheimer Druck nahmen die Düsseldorfer in der zweiten Halbzeit wieder die Formation "Unterrather Spielmannszug" ein, profitierten dabei aber auch von der offensiven Harmlosigkeit ihrer Kontrahenten. In der 80. Minute traf Florian Grillitsch mit einem Fernschuss nur das Lattenkreuz, allerdings spitzelte Düsseldorfs Lukebakio den Ball drei Minuten später im gefühlt ersten Düsseldorfer Entlastungsangriff der zweiten Hälfte ebenfalls gegen die Latte. Als der eingewechselte Reiss Nelson in der 86. Minute für Hoffenheim hochverdient ausglich, befürchtete Düsseldorfs Trainer schon, "dass wir womöglich sogar noch verlieren." Doch ein Foul von Kevin Vogt an Kenan Karaman bedeutete für die Fortunen jenen Elfmeter, den der junge Belgier Lukebakio zum schmeichelhaften Sieg verwandelte.

"Es war ein leidenschaftlicher Triumph für Düsseldorf", sagte Hoffenheims Trainer Julian Nagelsmann anerkennend. Sein Mittelfeldspieler Schulz klang ähnlich unsentimental, als er sagte: "Wir wissen, dass wir, wenn wir nicht 100 Prozent bringen, in der Bundesliga gegen jeden verlieren können." Diesmal profitierte davon der Neuling Düsseldorf.

© SZ vom 16.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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