Duell der Aufsteiger:Zu früh für Mallorca

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Marvin Ducksch (l.) und Kingsley Schindler schossen die beiden Tore für Holstein Kiel. (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Beim 2:1-Sieg gegen Regensburg tritt Holstein Kiel dominant auf. Obwohl die Kieler viele Chancen liegen lassen, gelingt ihnen der beste Saisonstart der drei Aufsteiger. Auch, weil sie sich wieder auf eine alte Stärke verlassen können.

Von Max Ferstl, Regensburg

Markus Anfang bemühte sich um einen seriösen Gesichtsausdruck, aber es half nichts. Er konnte selbst im Presseraum des Regensburger Stadions nicht überhören, was in der Kabine von Holstein Kiel vor sich ging. Kein Zweifel: Die Kieler sangen laut und ziemlich falsch das Lied über die Insel Mallorca, auf die man nur einmal im Jahr reisen darf. Kiels Trainer konnte nicht anders, er musste lächeln. Immerhin stimmte er nicht mit ein. Das wäre auch unpassend gewesen, neben ihm referierte gerade sein Regensburger Kollege Achim Beierlorzer über Holsteins Kompaktheit in der Defensive und das beispielhaftes Zweikampfverhalten.

Höchstwahrscheinlich werden die Kieler nach diesem 2:1-Sieg in Regensburg nicht nach Mallorca reisen. Ist ja nur einmal im Jahr. Sie waren erst Mitte Mai dort, um den Aufstieg in die zweite Bundesliga zu feiern. Die Spieler sangen damals ähnlich falsch wie in der Regensburger Kabine. Natürlich wäre es verfrüht, nach vier Spieltagen in kollektiven Jubel zu verfallen. Aber zufrieden dürfen die Kieler schon sein. Immerhin ist ihnen ein deutlich besserer Saisonstart gelungen als den anderen beiden Neulingen, Duisburg und Jahn Regensburg. Kiel hat schon sieben Punkte auf dem Konto, und nur ein wildes Spiel gegen Union Berlin 3:4 verloren. "Wenn uns das vor der Saison jemand angeboten hätte - wir hätten es sofort genommen", sagte Verteidiger Dominik Schmidt.

Andererseits ist Kiel nicht unbedingt ein typischer Aufsteiger. Zumindest haben sie nicht die übliche Zielstellung, den Verbleib in der Liga, als Primärziel benannt: "Unser Ziel ist eine gute Saison zu spielen, nicht die Klasse zu halten", sagt Anfang. Wenn seine Mannschaft gut spielt, so sein Kalkül, wird sie mit dem Abstiegsplätzen wohl nichts zu tun haben. Nach holprigem Saisonstart gelingt ihr dies immer eindrucksvoller. Der Sieg in Regensburg war schon der dritte in Folge, wenn man das 2:1 im DFB-Pokal gegen Braunschweig mitrechnet. Anfang findet: "Wir spielen gerade richtig, richtig gut." Gegen den Jahn reichten im Grunde 40 richtig gute Minuten.

Bisher gelang den Kielern kein Spiel ohne Gegentor - das nagt am Selbstverständnis

Ein typischer Kieler Spielzug beginnt mit der Balleroberung in der eigenen Abwehr und endet möglichst schnell vorne bei Stürmer Marvin Ducksch. Den Tansport des Balles verantworten die pfeilschnellen Mittelfeldspieler Dominick Drexler, Steven Lewerenz und Kingsley Schindler. Nach diesem Prinzip erspielten sich die Kieler in Regensburg bereits in der Anfangsphase viele gefährliche Situationen, zum Beispiel als Jahn-Verteidiger Sebastian Nachreiner nach sieben Minuten den Ball verstolperte, Schindler im Strafraun Ducksch bediente, dessen Schuss jedoch geblockt wurde. Oder als Ducksch alleine auf Regensburgs Tor zulief, aber vorbeischoss (15.).

Die Kieler Führung folgte dann einem eher untypischen Muster: einem langen Ball, den Regensburgs Außenverteidiger Alexander Nandzik auf fatale Weise unterlief. So durfte Patrick Herrmann ungestört flanken und Schindler freistehend das 1:0 köpfeln (20.). "Wir haben viele individuelle Fehler gemacht", klagte Beierlorzer. Vielleicht dachte er dabei an die Szene aus der 30. Minute und an seinen Verteidiger Asger Sörensen. Dieser ließ sich allzu leicht von Drexler ausspielen. Drexler legte quer, Ducksch vollendete. Ansonsten gingen die Kieler aber recht fahrlässig mit den Gelegenheiten um. "Zehn Großchancen" zählte Anfang. Er hätte sich schon mehr als die zwei Treffer gewünscht, vor allem wäre die zweite Halbzeit deutlich entspannter verlaufen, denn kurz vor der Halbzeit verkürzte Marvin Knoll mit einem geschlenzten Freistoß (43. Min.). "Es war Regensburgs erste richtige Chance", fand Anfang.

Die Kieler gelten seit der vergangenen Saison als ausgezeichnete Verteidigungskünstler. Kein Drittligateam kassierte weniger Gegentore. In der zweiten Liga scheint ihnen diese Qualität jedoch ein wenig abhanden gekommen zu sein. Bisher gelang ihnen noch kein Spiel ohne Gegentreffer, was durchaus am eigenen Selbstverständnis nagt. "Ich würde gerne mal nur 1:0 gewinnen", gab Ducksch vor Kurzem im Gespräch mit dem Straubinger Tagblatt zu. Doch als es in Regensburg darauf ankam, verteidigten sich die Kieler klug und unaufgeregt. Der Jahn rannte an, brachte aber außer zwei gefährlichen Flanken wenig zustande. "Man hat gesehen, dass es schwer ist, zu Chancen zu kommen", sagte Jann George, bislang Regensburgs bester Angreifer. Deshalb ärgerte sich Anfang nach der Partie auch nicht allzu sehr über die vergebenen Chancen: "Vielleicht ist es am Ende wertvoller, so ein knappes Ergebnis über die Zeit bekommen zu haben."

© SZ vom 27.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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