Dritte Fußball-Liga:Die einfachen Sachen

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"Ich hatte auch viel Glück in meiner Karriere." - Sebastian Nachreiner. (Foto: Imago)

Sebastian Nachreiner, 28, ist in Regensburg Teil einer der stabilsten Innenverteidigungen der dritten Liga. Die Konstanz, die in der Hinrunde fehlte, hat der Jahn nun gefunden.

Von Max Ferstl

Die wichtigste Lektion hat Sebastian Nachreiner von Markus Weinzierl gelernt, im September 2010. Nachreiner stand unmittelbar vor seinem Debüt in der dritten Liga, Weinzierl war Trainer beim SSV Jahn Regensburg. Ein wenig wortkarg sei er gewesen, erinnert sich Nachreiner. Aber wenn Weinzierl sprach, prägten sich die Worte ein: "Gewinne deine Zweikämpfe, spiele einen sauberen Ball nach vorne. Du musst keine verrückten Sachen machen."

Mittlerweile ist Nachreiner 28. Er ist einer, den man im Fußballdeutsch als "gestandenen Verteidiger" bezeichnet. Er kann Mitspieler führen, seine Vorderleute dirigieren. Doch Nachreiners größte Stärke ist, dass er sich noch immer an jenes Credo hält: Nachreiner macht nichts Verrücktes, aber er macht die einfachen Dinge sehr gut. Derzeit bildet er zusammen mit Marvin Knoll eine der stabilsten Innenverteidigungen der dritten Liga. In den vergangenen sechs Spielen hat Regensburg nur vier Gegentore kassiert. Und nicht wenige glauben: Der Nachreiner ist ein wesentlicher Grund, weshalb der Jahn mittlerweile auf Platz drei steht.

Die Regensburger haben in der Rückrunde zu jener Konstanz gefunden, die in der Hinrunde häufig fehlte. Vor der Winterpause unterlag das Jahn-Spiel heftigen Schwankungen, auf starke Auftritte folgten unnötige Niederlagen. Der Jahn schoss zwar viele Tore, doch die Abwehr erwies sich als löchrig. Die Innenverteidigung entwickelte sich zur Problemzone. Auch, weil wichtiges Personal fehlte. Ali Odabas und Nachreiner hatten sich schon vor Saisonbeginn verletzt, Kapitän Markus Palionis fiel ab dem zweiten Spieltag aus. Also musste Sven Kopp, 22, ran. Kopp machte seine Sache an der Seite des gesetzten Knoll gut, doch dem Konstrukt fehlte die dauerhafte Stabilität. Als die Regensburger im Herbst ihr traditionelles Tief durchlebten, warnte Trainer Heiko Herrlich: "Wenn du so viele Gegentore kassierst, steigst du ab." Dann meldete sich Nachreiner fit.

Er hatte viel Pech zuletzt. 2014 Sprunggelenk, 2015 Kreuzband, 2016 Außenband. Es ist ihm ziemlich auf die Nerven gegangen, die vielen Stunden allein bei der Reha oder im Fitnessstudio. Nachreiner hatte kaum gespielt und war umso überraschter, wie schnell er wieder Drittliga-Niveau erreichte. "Er wird von Woche zu Woche besser", findet Herrlich. Einer wie Nachreiner tut der relativ jungen Jahn-Mannschaft gut. "Er erfasst Spielsituationen unheimlich schnell, ist deshalb immer früh dran. Deshalb spielt er so wenig Foul", lobte Herrlich. Er lobt selten Spieler derart offen, ohne ein einschränkendes "Aber" hinterherzuschieben. Doch Nachreiner ist ein geerdeter Typ. Er betont: "Allein kannst du's nicht reißen. Ich versuche, meinen Teil dazu beizutragen, meine Zweikampfstärke einzusetzen und es den gegnerischen Stürmern schwer zu machen." Die einfachen Sachen eben.

So frustrierend die vergangenen Jahre auch waren - Nachreiner hat sich nie als Opfer des Schicksals gesehen. "Ich hatte auch viel Glück in meiner Karriere, besonders in den Anfangsjahren", sagt er. Nachreiner war 2010 zum Jahn gewechselt, weil er in Regensburg studierte, Jura. Ursprünglich war er für die zweite Mannschaft vorgesehen. Doch dann gingen Trainer Weinzierl die Innenverteidiger aus. Ein paar Verletzte, zwei rote Karten, plötzlich stand er in der Startelf. Der Jahn gewann das Spiel und auch das folgende. Schon war Nachreiner im Team.

Inzwischen ist er nach Oliver Hein der dienstälteste Jahn-Spieler. Er hat mit dem Verein Hochs und Tiefs erlebt, ruhig war es eher selten. Gerade schwelt die Spendenaffäre um Jahn-Sponsor Volker Tretzel, bei der noch nicht klar ist, wie stark der Verein mit drinhängt. Natürlich habe man die Geschichte mitbekommen, sagt Nachreiner. Aber: "Für uns spielt das keine Rolle. Wir wollen unsere Punkte holen, das haben wir gemacht."

Parallel zu den Turbulenzen im Umfeld legt der Jahn auf dem Platz eine starke Serie hin. Seit acht Spielen ist der Aufsteiger ungeschlagen, hat zuletzt drei Mal gewonnen. "Bei jedem Einzelnen spürt man, dass ein neues Selbstverständnis da ist", findet Nachreiner. Andererseits müsse man jetzt besonders aufpassen, "dass das nicht in Überheblichkeit umschlägt". Vielleicht, so überlegt er, war das ja auch der Grund für die Tiefen der Vorrunde: "Dass wir zuerst an die komplizierten Sachen gedacht haben, nicht an die einfachen."

© SZ vom 10.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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