Dritte Fußball-Liga:Der Abend der Schmerzen

Lesezeit: 3 min

Der TSV 1860 München hält sich nach dem 1:1 im Derby angesichts des Spielverlaufs noch nicht für ein Spitzenteam, Unterhaching ist es an diesem Abend schon gar nicht.

Von Christoph Leischwitz und Markus Schäflein

Die Aufmerksamkeit für seine Person hatte gerade erst nachgelassen, da lag Josef Welzmüller plötzlich am Boden und hielt sich das Knie. Sofort riefen einige Mitspieler des Kapitäns der SpVgg Unterhaching die Physiotherapeuten auf den Rasen, diese konnten den 28-Jährigen nur noch vom Platz tragen. Und er gab dem Auswechselspieler Markus Schwabl am Seitenrand seine persönliche Diagnose bekannt: Kreuzbandriss. Schwabl hielt die Hände vors Gesicht. "Er hat leider Erfahrung mit solchen Verletzungen", sagte Trainer Claus Schromm später.

Warum der verschlankte Schimmer noch Bomber genannt wird? "Weil er einbombt."

Die ärztliche Diagnose stand am Donnerstagabend zwar auch noch aus, aber die Hoffnung, dass Welzmüller nur kurz ausfallen könnte, war nur noch sehr gering. Zumal sein Drillingsbruder Maximilian in den sozialen Medien ein Kindheitsfoto postete und schrieb, er würde ihm gerne sein gesundes Knie schenken. Fünf Minuten vor seiner Auswechslung hatte er noch einen Elfmeter inklusive Nachschuss verschossen. "Aber Hut ab, dass er da hingegangen ist", sagte Präsident Manfred Schwabl später, der von einem "brutalen" Abend für den im Team so beliebten Spieler sprach, der zudem einer der dienstältesten ist.

Unmittelbar nach dem Ausgleich in der Nachspielzeit lief Schromm zu Welzmüller in die Kabine und sagte ihm: Wir haben für dich noch das 1:1 gemacht. Nach dem tragischen Helden gab es bei den Hachingern am Mittwochabend aber auch noch einen unverhofften Helden, einen Einwechselspieler, der wie Welzmüller zunächst an Sechzigs Keeper Marco Hiller scheiterte, dessen Nachschuss dann aber doch noch irgendwie im Tor landete - in der Nachspielzeit. "Der Bomber hat in der vierten Liga für Furore gesorgt", sagt Trainer Schromm. Jetzt sei der verschlankte Stefan Schimmer "auch körperlich im Leistungssport angekommen", weshalb man die Frage stellen könnte, warum er dann immer noch "Bomber" genannt wird. "Weil er einbombt", sagt Schromm dazu.

Seine Mannschaft war gegen die Sechziger im direkten Duell zwar unterlegen gewesen. Doch die Mannschaft hat viele Akteure in ihren Reihen, die auch dann noch Akzente setzen, wenn es einmal nicht so gut läuft. Und ist immerhin noch Tabellendritter. Kollektiv müsse sich aber noch einiges verbessern, meinte Schromm, er sprach von einem glücklichen Remis und räumte ein, dass Sechzig seiner Mannschaft über weite Strecken den Schneid abgekauft hatte. "Ich verstehe es nicht, die ersten Minuten waren richtig gut", sagte er, "warum höre ich mit etwas auf, wenn es gut ist?" Der Mut sei erst wiedergekommen, als man in Rückstand lag und nichts mehr zu verlieren hatte. Natürlich habe diesmal auch die Atmosphäre im Stadion etwas zum Auftritt beigetragen, möglicherweise die Konzentration belastet. Aber das eigene Spiel zu spät aufzuziehen oder zu spät damit anzufangen, das sei in der jüngeren Vergangenheit nun schon zu oft passiert. "Und ich lechze als Fußballer nach solchen Spielen, nach vollen Stadien, dafür arbeiten wir tagtäglich", sagt Schromm.

Am Samstag tritt seine Mannschaft bei der SG Sonnenhof-Großaspach an. Danach lechze man natürlich auch, bis dahin sei aber erst einmal Wundenlecken angesagt. Zum ersten Mal in der Saison hat Schromm Kaderprobleme: Dass Innenverteidiger Marc Andres im Derby seine fünfte gelbe Karte sehen und gesperrt sein könnte, hatte Schromm vorher bedacht. Dass nun aber auch Welzmüller ausfällt, erschwert die Personalplanungen in der Defensive erheblich.

Personalsorgen haben vor ihrem Spiel gegen Würzburg am Montag auch die Löwen: Rechtsverteidiger Herbert Paul zog sich kurz vor Schluss bei einem Fallrückzieher von Dominik Widemann eine Gehirnerschütterung zu und verbrachte die Nacht nach dem Spiel im Krankenhaus; Alternativen für seine Position sind rar.

Sechzigs Herbert Paul verbringt die Nacht im Krankenhaus - mit einer Gehirnerschütterung

Und auch sonst war es trotz ihrer starken Leistung ein schmerzhafter Derbyabend für die Sechziger, angesichts zahlreicher vergebener Chancen zur Entscheidung und des späten Gegentreffers. Aus diesem Spielverlauf leitete Trainer Daniel Bierofka ab, dass der TSV 1860 eben noch kein Spitzenteam sei. Die drittplatzierten Hachinger waren es an diesem Abend schon gar nicht. Aber angesichts der zeitgleichen Heimniederlage von Uerdingen gegen Zwickau stellte sich ohnehin die Frage, wer in dieser Spielklasse überhaupt ein Spitzenteam ist. Eine Frage, die man in der dritten Liga seit Jahren schon gewohnt ist.

© SZ vom 28.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: