Dressur:Er läuft

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Lieblinge der deutschen Dressurfans: Hengst Totilas und Matthias Rath bei der EM in Aachen. (Foto: Alex Grimm/Bongarts/Getty Images)

Bei der Europameisterschaft in Aachen holt Totilas Punkte für die deutsche Equipe - und verwirrt die Punktrichter: Drei sehen den Hengst auf Rang eins, zwei auf Rang elf. Und Isabell Werth ist sauer. Auch sie fühlt sich falsch bewertet.

Von Gabriele Pochhammer, Aachen

Am Ende stand die Enttäuschung. Die deutsche Dressurreiter-Mannschaft musste sich bei der EM in Aachen mit 231,157 Prozentpunkten mit der Bronzemedaille zufriedengeben; der Sieg (235,629) ging an die Niederländer, Silber an Großbritannien (234,229). Kristina Sprehe ritt mit dem 14-jährigen Hengst Despardos als letzte Starterin des Tages ein, sie hätte 84,458 Prozentpunkte erreichen müssen, um den deutschen Sieg an diesem Donnerstag noch zu sichern. Schon nach wenigen Lektionen war klar, dass dieses Ziel unerreichbar war. Zwar ohne grobe Fehler, aber durch wiederholte kleine Störungen, vor allem in der Passage, blieben am Ende 79,986 Prozent übrig - das war Platz drei für die beste deutsche Reiterin, die wie immer mit ihrem Pferd ein harmonisches Bild bot, aber die Glanzleistungen bei den deutschen Meisterschaften in Balve nicht wiederholen konnte.

Siegerin des Tages wurde die britische Olympiasiegerin, Welt- und Europameisterin Charlotte Dujardin auf Valegro (83,234) vor Edward Gal, dem früheren Reiter von Totilas, auf Undercover (82,229). Das Duell zwischen Totilas und Valegro fiel aus. Matthias Rath erreichte mit dem Millionenhengst nur 75,971 Punkte. Über die Noten wurde noch spätabends kontrovers diskutiert. Der Reiter fühlte sich zu knapp bewertet: "Ich bin im Großen und Ganzen zufrieden. Dann kommen die Punkte, das hat niemand verstanden. Da sitzen die da drin und haben vielleicht etwas gesehen, was ihnen nicht gefällt." Auch wenn Jubel den Hengst begleitete, hatten nicht nur die Richter etwas gesehen, was ihnen nicht gefiel. Dabei wogen die Fehler, die dem Paar unterliefen, nicht mal am Schwersten. Wiederholt trat Totilas hinten unregelmäßig, beim Halten schonte er das linke Hinterbein.

Die Meinungsverschiedenheiten über den Gesundheitszustand des Hengstes hatte es bereits bei der tierärztlichen Verfassungsprüfung am Dienstag gegeben. Einer der beiden verantwortlichen Tierärzte plädierte dafür, ihn zur Nachuntersuchung zu schicken, er wurde vom Kollegen und zwei Richtern überstimmt. Katrina Wüst, Präsidentin der Richtergruppe, sagte: "Für mich war Totilas fit genug, um zum Wettkampf anzutreten. Es ist schließlich keine Ankaufsuntersuchung." Sie selbst gab ihm allerdings weniger Punkte als fünf ihrer Kollegen, sie sah ihn nur auf Platz 20. Am Ende wurde er Sechster.

Zwischen Valegro, der voller Gleichmaß übers Viereck flog, und Totilas liegen inzwischen Welten. Zeigte sich Rath am Nachmittag noch entschlossen, am Samstag zum Grand Prix Special anzutreten, klang das später anders: "Wir müssen noch die Tierärzte zu Rate ziehen." Das hörte sich nach verfrühter Abreise an. Womöglich haben die Zuschauer in der Aachener Soers ein letztes Mal dem schwarzen Wunderhengst zugejubelt. Isabell Werth oblag es, die Niederlage zu kommentieren. Das machte sie souverän: "Wir haben unser Bestes gegeben, aber trotzdem waren wir nicht so gut, wie wir sein können. Wir haben viel zu tun, aber wir werden wiederkommen." Bundestrainerin Monica Theordorescu zeigte sich gefasst: "Ich bin nicht total enttäuscht, natürlich waren einige Ergebnisse nicht so, wie wir das erhofft haben, aber so ist der Sport."

Sie wird sich nun fragen müssen, ob es das wert war: ein angeschlagenes Pferd mitzunehmen, in der Hoffnung, es würde mit einem 80-Prozent-Ergebnis den Titel retten. Ein Pferd, das sich nach einem Jahr Pause durch die Hintertür ins Team geschlichen hat, nicht ein Mal in der Zeit gegen die deutsche Garde geschweige denn gegen die internationale angetreten ist. Ein Pferd, von dem seit mehr als einem Jahre keine Doping-Kontrolle genommen wurde. Der Preis, den der deutsche Reiterverband zahlt, ist hoch: Es geht um die Glaubwürdigkeit, vor allem, wenn das nächste Mal vom Wohl des Pferdes gesprochen wird.

© SZ vom 14.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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