Dopingskandal in der Leichtathletik:Von der Vergangenheit eingeholt

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Thomas Springstein soll angeblich einer 17-Jährigen Dopingmittel verabreicht haben. Der ehemalige Trainer von Katrin Krabbe ist bereits mehrfach wegen ähnlicher Vergehen aufgefallen.

Es wird mal wieder Ernst für Thomas Springstein, die Staatsanwaltschaft Magdeburg hat gegen den Leichtathletik-Trainer nach Monate währenden Ermittlungen Anklage erhoben. Dem 47-Jährigen wird ein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz vorgeworfen, er soll angeblich Minderjährige gedopt haben.

Kein unbeschriebenes Blatt - Leichathletik-Trainer Thomas Springstein. (Foto: Foto: dpa)

Eine damals 17 Jahre alte Athletin aus Springsteins Trainingsgruppe in Magdeburg hatte dem Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) Pillen übergeben, die sie von ihm bekommen haben will. Am 2. August 2004, kurz vor Beginn der Sommerspiele in Athen, erstattete der DLV Strafanzeige. Eine Hauptverhandlung ist laut Amtsgericht noch nicht terminiert. Springstein, der die Vorwürfe bestreitet, drohen im Fall einer Verurteilung mehrere Jahre Haft.

Ins Rollen brachte die Affäre im Juli 2004 die Jugend-Hürdenmeisterin Anne-Kathrin Elbe, die bei einem Trainingslager dem Bundestrainer Thomas Kremer eine mysteriöse Packung Arzneimittel übergab. Die Athletin, große DLV-Nachwuchshoffnung, wechselte nach einer Anhörung beim Verband, aus der die Strafanzeige erwuchs, sogleich zu Bayer Leverkusen.

Eine von der Staatsanwaltschaft veranlasste Analyse ergab, dass es sich bei einer der Tabletten um das Testosteronpräparat Andriol handelt. Im Herbst 2004 fand sich bei einer Razzia in Springsteins Haus unter anderem das Dopingmittel Testosteron-Undecanoat - der selbe Wirkstoff, den die Athletin dem DLV übergeben hatte.

"Auf dem Schwarzmarkt besorgt"

Als Freund künstlicher Leistungssteigerung war der Sprint-Trainer erstmals 1992 auffällig geworden, damals hatten zwei Doping-Fälle um seine Athletinnen Katrin Krabbe, Grit Breuer und Co. die Sportnation erschüttert.

Der erste, bei dem Springsteins Elevinnen anlässlich eines Überraschungs-Tests in einem südafrikanischen Trainingscamp identischen Urin abgegeben hatten, schmetterte ein DLV-Sportgericht ab, weil eine der Kontrollpersonen wenige Minuten zu spät kam und es kein Testabkommen des DLV mit Südafrika gab.

Der Weltverband IAAF rügte das Urteil, für ihn lagen Dopingfälle vor, weshalb er den Athletinnen gleich wieder die Fahnder auf den Hals schickte. Diesmal fand sich bei einem Traininscamp in Zinnowitz der anabole Wirkstoff Clenbuterol im Urin der Springstein-Riege, die durch ein neu besetztes Sportgericht zu zweijährigen Sperren verurteilt wurde. Der Coach von Krabbe und (seiner späteren Lebensgefährtin) Breuer gab zu, das Clenbuterol illegal "auf dem Schwarzmarkt" besorgt zu haben.

Doch die damaligen Ermittlungen gegen ihn in Neubrandenburg schliefen ein. Das mittlerweile verschärfte Arzneimittelgesetz wird nun wohl zu einer höheren Hürde. Springstein gab nach dem Fund in seinem Haus an, er habe die Substanz zum Eigenbedarf genommen - womit der deutsche Leichtathletiktrainer des Jahres 2002 immerhin einräumte, Konsument von Dopingmitteln zu sein.

Verschwörung von Teenagern?

Neben Elbe sagte eine weitere Springstein-Schülerin über fragwürdige Pillen-Abgaben aus. Eileen Müller will während ihrer Zeit in der Trainingsgruppe von 2001 bis 2003 wiederholt Tabletten ohne erkennbare Herkunft "aus Thomas' Jackentasche" erhalten haben, samt dem Hinweis, sie solle darüber schweigen. Der Coach habe ihr die Stoffe als erlaubte Substanzen dargelegt: "Vitamine, Koffein, Eisenpräparate." Stutzig geworden sei sie trotz des verschwörerischen Procederes nicht: "Ich denke ja von meinem Trainer nichts Böses. Man braucht ein Vertrauensverhältnis, sonst hat so eine Zusammenarbeit gar keinen Sinn."

Springsteins Advokat, der letzte DDR-Innenminister Peter-Michael Diestel, tat Müllers Vortrag im Herbst 2004 als unerheblich ab: "Das waren erlaubte Mittel, er hat dieser Athletin nie unerlaubte Mittel verabreicht." Auch Elbes Geschichte sei frei erfunden.

Sollte diese Lesart stimmen, hätte das Gericht nun über ein Meisterstück an teenagerhafter Verschwörungskunst zu befinden: Wie kommt eine Minderjährige dazu, rezeptpflichtige Mittel als Beweismaterial an den DLV zu lancieren, die Springstein tatsächlich zu Hause aufbewahrte?

Antwort in der Vita des Privatdopers

Sollte dem Mädchen diese kriminelle Energie nicht nachzuweisen sein, liegt die Antwort in der Vita des bekennenden Privatdopers. Gegen Springstein liegen auch harte Aussagen aus dem Berliner Minderjährigen-Prozess zum DDR-Sport vor. Im Oktober 2004 zitierte Dopingexperte Werner Franke (Heidelberg) öffentlich aus den Gerichtsakten des Verfahrens gegen den DDR-Sportregenten Manfred Ewald: Laut Anklageschrift habe die heutige Rechtspflegerin Frauke Tuttas ausgesagt, von 1985 bis '88 "überwiegend die blauen Oral-Turinabol" von Springstein erhalten zu haben.

So plagen den DLV, der seine Anzeige gegen Springstein 2004 kurz vor Athen nicht publik gemacht hatte, weiter die Schatten der Vergangenheit. Am Dienstag bestätigte die DLV-Pressestelle, dass bei der Organisation der Crosslauf-EM 2004 in Usedom der frühere DDR-Cheftrainer Ekkart Arbeit mitgewirkt habe. Der DLV habe "Bedenken" angemeldet, doch Landesverband und Kurverwaltung hätten Arbeits Mithilfe beim Sportevent für unerlässlich erklärt. Arbeit gilt als geistiger Mitverantwortlicher des DDR-Staatsdopings, hat aber nie direkt Steroide verabreicht.

Experte Franke: "Das deutsche Recht bestraft keine geistigen Dopingtäter." Sensibler ist da der internationale Sport: Arbeit holte die Vergangenheit an diversen Wirkstellen im Ausland ein, in Australien oder zuletzt 2003 als Betreuer der britischen Siebenkampf-Olympiasiegerin Denis Lewis. Da hatte sogar IOC-Präsident Jacques Rogge protestiert: "Es ist keine gute Idee, mit jemandem zusammenzuarbeiten, der zugibt, Doping betrieben zu haben. Niemand kann Lewis ein Dopingvergehen nachweisen, aber es geht um die öffentliche Wahrnehmung."

© SZ vom 17.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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