Dopingskandal:Dauerauftrag storniert

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Das T-Mobile Team stoppt die Gehaltszahlungen an Jan Ullrich. Der Profi hatte bis zu einer Million Euro jählrich verdient.

Andreas Burkert

So groß ist die Aufmerksamkeit für das T-Mobile-Team schon lange nicht mehr gewesen wie an diesem Montagnachmittag, als sich rund hundert Reporter aus aller Welt im Salon Aliénor des "Sofitels" von Bordeaux um ein paar erhellende Auskünfte und etwas Sauerstoff bemühen.

Es ist nicht ganz klar, was die vielen Menschen mehr angezogen hat, das Gelbe Trikot des Ukrainers Sergej Gontschar oder doch eher die aktuelle Enthüllung über den suspendierten Ex-Kapitän Jan Ullrich und seinen Betreuer Rudy Pevenage.

An Gontschar liegt es vermutlich weniger, denn der erste Ukrainer im Maillot Jaune wird erst spät behelligt. Ob seine Heimat in heller Aufregung sei wegen seines Erfolgs, möchte jemand wissen, und der 36-Jährige entgegnet lächelnd, er stamme eben aus dem kühlen Norden, "deshalb hat sich bis auf einen Reporter unserer Lokalzeitung keiner gemeldet".

Eine gewisse Kontaktarmut muss auch bei Ullrichs Management vorliegen, denn nach eigenen Angaben befindet sich Wolfgang Strohband immer noch nicht im Besitz der spanischen Ermittlungsakte, die seinen Mandanten Ullrich sowie Pevenage des umfangreichen Dopingsbetrugs anklagt.

Während Pevenage von Teammanager Olaf Ludwig bereits seine Kündigung zum vergangenen Monatsende erhalten hat ("die Beweislast war eindeutig, da blieb mir kein Handlungsspielraum"), werden in Ullrichs Sache wohl noch ein paar Tage vergehen.

Details aus Spanien

Die nächste Auszahlung seiner Gehaltsrate wäre jetzt fällig, doch Ludwig wird auch diesen Dauerauftrag stornieren nach den jetzt bekannt gewordenen Details aus Spanien. Es ist davon auszugehen, dass Strohband und seine Advokaten-Armada doch einmal ihre vielsagende Untätigkeit aufgeben werden, um wenigstens Ullrichs ausstehendes Salär von rund einer Million Euro bis zum Jahresende retten zu können. "Da geht es ja nicht um 3 Euro 50", sagt Ludwig, dessen Anwälte längst aktiv sind.

Strohband hat bislang nur per Ultimatum T-Mobile aufgefordert, seiner Partei die belastenden Dokumente der Guardia Civil zukommen zu lassen. "Und dem werden unsere Anwälte nachkommen", sagt Ludwig. Die Kündigung wird Ullrich, 32, nur auf gerichtlichem Wege anfechten können, und dort kämen dann fraglos alle Fakten auf den Tisch.

Ullrich müsste dort auch einen DNA-Test für den Abgleich mit den in Madrid sicher gestellten Blutkonserven des "JAN" liefern; dazu wird es aber aus gutem Grund nicht kommen. Auch auf das fällige Geständnis, auf das die Nation wartet, dürfte er verzichten, denn es zöge Schadensersatzforderungen etwa von Sponsoren nach sich. T-Mobile wollte sich am Montag zu alledem nicht äußern, "denn das ist ein schwebendes Verfahren", erläuterte PR-Chef Christian Frommert.

Von einem raschen Geständnis ist Ullrich ohnehin so weit entfernt wie vom zweiten Toursieg, denn seine Kameraden berichten auch weiterhin von Grußadressen des Verflossenen; sowohl der mutmaßliche neue Teamleader Andreas Klöden als auch der sporadische Trainingspartner Matthias Kessler haben SMS-Meldungen und Anrufe erhalten.

Das freue sie, versicherten beide, doch auch bei Ullrichs engsten Vertrauten hat nun die Zeit der Abnabelung und Emanzipation begonnen. "Die Form der Mannschaft ist da und auch die Moral", konnte Ludwig gestern vermelden, ebenso blendend gestalte sich die taktische Ausgangslage vor den ersten Bergen angesichts des starken Zeitfahrresultates. "Angreifen müssen die anderen", stellte Ludwig zufrieden fest. Jan Ullrich bleibt nicht mal mehr die Verteidigung.

© SZ vom 11.7.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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