Doping:Noch mehr Testosteron

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Auch die B-Probe von Matthias Kessler bringt einen exorbitant hohen Wert. Offenbar ist der Radprofi des Teams Astana in flagranti erwischt worden.

Andreas Burkert

Er wünsche ihm alles Gute, "und dass er aus der Sache gut herauskommt", dies hatte Andreas Klöden beim Tourstart über seinen Freund und Teamkollegen Matthias Kessler gesagt. Doch die Sache ist wohl nicht mehr zu retten für Kessler, der vergangene Woche von seiner positiven A-Probe auf Testosteron informiert und darauf vom Astana-Team suspendiert worden war. Denn nach SZ-Informationen hat auch die B-Probe der Analyse einen exorbitant hohen Wert ergeben - die Karriere des Nürnberger Profis dürfte bald durch eine zweijährige Dopingsperre unterbrochen werden.

So schnell wird Matthias Kessler wohl keine Rennen mehr gewinnen. Dem früheren T-Mobile-Fahrer drohen zwei Jahre Sperre. (Foto: Foto: AP)

Kessler war am 24. April, am Tag vor dem Start des Frühjahrsklassikers Flèche Wallone, durch eine unangemeldete Dopingkontrolle überrascht worden. Die Analyse in Gent ergab einen Testosteron-Wert von rund 85:1 - der zulässige Grenzwert liegt bei vier zu eins. "Ein Wert über 15 bis 20 ist nach bisherigen Studien endogen nicht möglich", hatte Professor Wilhelm Schänzer, Leiter des Instituts für Biochemie an der Sporthochschule Köln, gesagt.

Vermutlich wähnte sich Kessler in Sicherheit

Die B-Probe bestätigte nun den enorm hohen Quotienten, diesmal lag er sogar noch leicht über dem ersten Resultat. Die Kontrolleure des Weltverbandes UCI dürfen somit davon ausgehen, Kessler quasi in flagranti erwischt zu haben. Denn der Testosteron-Wert schießt beispielsweise bei einem Mittel wie Andriol rund vier Stunden nach der oralen Einnahme in die Höhe, ehe er wieder abfällt und sich nach ein, zwei Tagen nahe eins bewegt. Die Vermutung liegt nahe, dass Kessler sich in Sicherheit wähnte - er war offenbar bereits einige Tage zuvor kontrolliert worden.

Eine letzte Absicherung wird jetzt die so genannte Isotopenmethode im Kölner Antidopinglabor liefern; das Genter Labor ist für dieses Verfahren nicht zugelassen. Erfahrenen Medizinern ist aber kein Fall bekannt, in dem die Isotopenuntersuchung ein anderes Resultat als A- und B-Analyse erbracht hätte.

Zweitanalyse unter Aufsicht

"Gegen null" tendiere die Wahrscheinlichkeit, dass Kessler entlastet werde, heißt es in Expertenkreisen. Verdächtig macht ihn zudem der markant niedrige Wert seines körpereigenen Testosterons; denn bei früheren Messungen waren bei ihm ganz andere Ausgangswerte registriert worden.

Matthias Kessler hatte nach Bekanntwerden der A-Probe versichert, er sei unschuldig. Wegen der rekordverdächtigen Werte hatte sein Anwalt Michael Lehner (Heidelberg) von der Möglichkeit eines Verfahrensfehlers gesprochen und deshalb zur B-Probe einen eigenen Experten als Aufsichtsperson entsandt.

Chinesische Schriftzeichen

Allenfalls unwissentlich könne er etwas Unerlaubtes genommen haben, äußerte Kessler und räumte bei Lehner ein, in den Tagen vor dem Rennen vier mit chinesischen Schriftzeichen versehene Präparate geschluckt zu haben. Er habe diese jedoch für Nahrungsergänzungsmittel gehalten und sie von seinem Heilpraktiker aus Würzburg erhalten.

Der Franke war zu Saisonbeginn mit Tourfavorit Andreas Klöden von T-Mobile zur Formation Astana gewechselt. Wie zuvor als Edelhelfer seines stark belasteten Kumpels Jan Ullrich sollte er nun Klöden zum Gesamtsieg begleiten. Die drei Deutschen leben am Schweizer Ufer des Bodensees und verbringen auch privat Zeit miteinander. Für Verstimmung bei T-Mobile hatte denn auch gesorgt, dass Kessler 2006 seinen Tour-Etappensieg Ullrich widmete, obwohl der wegen klarer Indizien in der Puerto-Affäre kurz zuvor suspendiert worden war.

Marc Biver, der Generalmanager des kasachischen Rennstalls mit Schweizer Lizenz, vermochte das Resultat der B-Probe am Mittwoch nicht zu bestätigen. "Ich weiß davon bisher nichts", sagte der Luxemburger, "doch wenn dem so sein sollte, werden wir Matthias Kessler gemäß des Ethikkodex entlassen." Gleiches erwartet Astanas Italiener Eddy Mazzoleni, der auch für den Tourkader vorgesehen war. Ihm droht daheim wegen einer Dopinganklage eine zweijährige Sperre.

© SZ vom 12.7.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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