Dirk Nowitzki:Pflegeleichter Patriot

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Eigentlich könnte er in der Sonne liegen und sich von den Strapazen der vergangenen Saison erholen. Doch NBA-Star Dirk Nowitzki zieht es vor, sich den Sommer in Deutschland zu vertreiben - im Einsatz für die Nationalmannschaft, versteht sich.

Von Andreas Burkert

Irgendwann ist es Dirk Nowitzki zu bunt geworden mit diesen lästigen Italienern, sie hatten ihm genug gepunktet. Nowitzki begab sich also mit seinen auf 2,13 Metern Länge verteilten 111 Kilo ins Parterre zu einer Rauferei mit Rodolfo Rombaldoni, und der feingliedrige Playmaker der Azzurri kapitulierte sehr bald: Ballgewinn Nowitzki, Schnellangriff und zwei Punkte für Deutschland zum 63:60. Durch die Nummer 14, durch Nowitzki eben.

Beim Rückwärtsgang in die Verteidigung ballte er recht aufgewühlt die Faust, als habe er soeben seinen Dallas Mavericks im siebten Playoff-Halbfinale den Weg zum Triumph gewiesen. Dabei übt er zurzeit nur ein bisschen für solche Momente. Zuhause in Germany.

26 Punkte erzielte Dirk Nowitzki beim freundschaftlichen Duell der deutschen Basketballer in der Kölnarena mit Italien, 85:77 hieß es am Ende vor mehr als 11300 Zuschauern. Wann zuletzt so viele Fans ein Testländerspiel besucht haben, weiß beim Deutschen Basketball Bund spontan niemand zu sagen; aber sie wissen, wem sie den Auftrieb zu verdanken haben. "Dass Dirk wieder hier ist, ist ein Riesensignal an den deutschen Basketball", sagt DBB-Sportdirektor Wolfgang Brenscheidt leicht ergriffen, denn mit Nowitzkis baldiger Rückkehr hatte er nicht unbedingt gerechnet nach dem schmerzlichen EM-Kollaps vorigen September in Schweden.

Kein Sommer im Liegestuhl

Nun fahren zwar die Italiener zu Olympia nach Athen, doch Nowitzki spannt sich auch diesen Sommer wie selbstverständlich vor die spektakuläre Imagekampagne des Verbandes. Deren Höhepunkt steht für Mittwoch (20 Uhr, Premiere/Ausschnitte ab 23 Uhr bei ARD) mit dem Spiel gegen das "Dream Team IV" der USA an, die 18 600 Tickets sind seit Wochen vergriffen. Und sogar Nowitzki klingt vor dem Spiel gegen seine NBA-Kollegen fast so sehnsüchtig wie jene Knirpse, die derzeit mit Stiften und Zetteln vor der Kölnarena auf Stars wie Tim Duncan und Allen Iverson warten. Er sagt: "Ich freue mich auf das Spiel gegen die Jungs, das wird ein großer Spaß."

Mit seinem Enthusiasmus verblüfft Nowitzki seine Kollegen im Nationalteam auch in diesem Jahr. "Ich bewundere den Dirk", betont Kapitän Patrick Femerling, "er steckt den Rummel locker weg und ist extrem daran interessiert, dass die Leute und die Sponsoren zu uns kommen." Nur in Dallas, wo ihm Klubbesitzer Mark Cuban jährlich 13 Millionen Dollar überweist, werden sie wohl nie verstehen, weshalb sich ein NBA-Idol für deutschen Basketball engagiert.

Inklusive der Länderspiele stand Nowitzki letztes Jahr fast 100 Mal auf dem Parkett, doch einen Sommer im Liegestuhl wird er wohl erst nach seiner Karriere verbringen. "Wir müssen den Basketball-Boom in Deutschland ausbauen", sagt Nowitzki, "denn das Olympia-Aus 2003 war unser absoluter Tiefpunkt."

Er ist ja in Schweden selbst dabei gewesen, und nun geht es auch ihm um Wiedergutmachung. Deshalb steht er im September für mindestens vier der sechs Qualifikationsspiele zur EM 2005 zur Verfügung. Er wolle "Werbung für Basketball machen", versichert Nowitzki, 26, und er wolle natürlich zu den Spielen 2008 nach Peking. Einen Olympiastart könne man sich eben nicht kaufen. Nicht einmal für 13 Millionen Dollar.

Solch ein pflegeleichter Patriot sei "ein Glücksfall" für den deutschen Basketball, sagt der neue Bundestrainer Dirk Bauermann. Er ist ein abgeklärter Typ und schwärmt selten. Doch von Nowitzki schwärmt Bauermann. "Ich habe das immer nur von anderen gehört, doch wenn du das selber erlebst, wie er sich integriert, im Training arbeitet und sich als charakterliches Vorbild gibt - das ist schon begeisternd."

Holger Geschwindner, Nowitzkis Entdecker und Privattrainer, kennt ihn gar nicht anders, er brauche seinem Athleten "keine Allüren austreiben". Es sei "von Anfang an klar gewesen, dass wir die Nationalmannschaft weiter unterstützen", sagt der frühere Auswahlspieler, "denn jetzt braucht sie uns am nötigsten." Sie nutzen den Heimataufenthalt freilich auch für eigene Zwecke - "um unsere Werkzeuge zu unter Wettkampfbedingungen zu verbessern", wie der Basketballpädagoge Geschwindner das nennt.

Dieses Argument hat letztlich auch den Milliardär Cuban davon überzeugt, seinem Superstar erneut die Erlaubnis zum Dienst am Vaterland zu ereilen. Wie in den Jahren zahlte der DBB knapp 200000 Euro Versicherungsprämie an Lloyd's in London. Das ist viel Geld für einen Verband mit einem Jahresbudget von rund 1,5 Millionen Euro. "Wir könnten das Geld auch in die Nachwuchsarbeit stecken", sagt Sportchef Brenscheidt, "doch so lange sich Dirk Nowitzki so zum Nationalteam bekennt, werden wir diesen Kraftakt vollbringen." Das Geld erscheint ziemlich gut angelegt.

© Süddeutsche Zeitung vom 3.8.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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