Die Sonntagsspiele:Ein Kunstschuss von Lincoln

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Durch das 1:0 gegen Bayern München übernimmt Schalke 04 die Tabellenführung der Bundesliga. Und damit nicht genug: Auf der anschließenden Pressekonferenz demütigt Rangnick die Bayern in aller Öffentlichkeit.

In den letzten zehn Minuten begannen die Bayern ihren Sturmlauf auf das Schalker Tor, sie lagen 0:1 zurück, und natürlich wollten sie dieses Spiel nicht verlieren.

Mit einem kurzen gezielten Schuss setzte der Schalker Lincoln Bayern-Torwart Kahn außer Gefecht und katapultierte Schalke an die Tabellenspitze. (Foto: Foto: AP)

Immer offensiver richteten sie ihr Spiel aus, und immer größer wurden die Lücken für Konter. Eine hätte Lincoln beinahe genutzt, nach einem Fehler von Lúcio kam er an den Ball und schoss nur knapp am Tor vorbei (84.). Die Bayern blieben im Spiel, sie kämpften, doch es reichte nicht: Schalke hat durch das 1:0 (0:0) am Sonntagabend in Gelsenkirchen die Tabellenführung in der Bundesliga übernommen.

Feine Demütigung für Bayern

Schalkes Trainer Ralf Rangnick fand nach der Begegnung erstaunlich schnell die Ruhe wieder, er wirkte gelassen wie nach einem Erstrundensieg im Pokal gegen einen Viertligisten. "Wir sind natürlich glücklich darüber, das Spiel gewonnen zu haben und damit Tabellenführer zu sein", sagte er pflichtgemäß, um dann eine feine Demütigung der Bayern einzuleiten.

Rangnick sagte: "Allerdings wird der Sieg erst aufgewertet, wenn wir auch in der kommenden Woche in Mainz gewinnen." Nicht viele Trainer denken an Mainz, wenn sie wenige Minuten zuvor den FC Bayern besiegt haben. Es war ein rhetorisch feiner Kniff, die beiden doch recht unterschiedlichen Vereine in dieser Weise nebeneinander zu stellen.

Entscheidende Standardsituation

Felix Magath gab sich als Bayern-Trainer ruhig und nachgerade staatsmännisch. Er analysierte: "Schalke hat zu Beginn druckvoller und aggressiver gespielt, danach hatten wir die Partie ganz gut unter Kontrolle. Dann kam die entscheidende Standardsituation." Er sprach ohne Groll, auch seine Ausführung, mit der Woche ganz zufrieden zu sein, wirkte aufrichtig. Die entscheidende Standardsituation - damit meinte Magath einen Kunstschuss von Lincoln.

In der 69. Minute gab es einen Freistoß für den FC Schalke, Torentfernung rund 20 Meter. Torwart Oliver Kahn dirigierte die Mauer und stellte sich dann sehr weit in die vom Schützen aus gesehene rechte Ecke. Der Schütze hieß Lincoln, und der hob den Ball über die Mauer hinweg ins linke Eck zum entscheidenden 1:0. Der Schuss war gut, aber Kahn stand so weit in der Torwartecke, dass er sich zumindest einen Teil der Schuld am Gegentor ankreiden lassen muss.

Nachschusschance für Ailton

Ansonsten spielte Kahn fehlerlos, er bewahrte die Bayern vor einem frühen Rückstand. Der umtriebige Lincoln flankte in der achten Minute in den Strafraum, plötzlich stand Ailton frei mit dem Ball vor dem Tor. Er hätte sogar die Zeit gehabt, sich den Ball auf den starken linken Fuß zu legen, doch er schoss schnell mit rechts, und Kahn kam noch an den Ball. Umgehend ergab sich die Nachschusschance für Ailton, diesmal jagte er den Ball mit links über das Tor.

Schalke kam recht gut ins Spiel, ohne sich jedoch weitere nennenswerte Torchancen zu erspielen. Es dauerte bis zur 32. Minute, bis die Bayern zu ihrer ersten guten Gelegenheit kamen. Nach einem Fehler von Krstajic lief Guerrero frei auf das Schalker Tor zu, er wartete jedoch zu lange, so dass sich Tormann Frank Rost positionieren konnte und den Schuss abwehrte. Anschließend herrschte Ruhe auf dem Platz, die Teams lauerten.

Beide Mannschaften formierten dichte Abwehrriegel, es entwickelte sich eine Partie, die zwar nicht auf sonderlich hohem Niveau ablief, die aber dennoch eine hohe Intensität ausstrahlte.

Schweinsteiger sorgt für wenig Wirbel

In der 39. Minute gab es noch einmal eine Andeutung von Aufregung: Pizarro drang in den Schalker Strafraum ein, sein Schuss wurde von Krstajic abgefälscht und senkte sich gefährlich auf das Tor von Rost. Ein Raunen ging durch die Arena, doch der Ball fiel hinter das Tor. In der 45. Minute probierte es Michael Ballack mit einem Schuss aus 25 Metern, doch Rost hatte keine Probleme, er fing die Kugel.

Magath brachte zu Beginn der zweiten Halbzeit Bastian Schweinsteiger für Sebastian Deisler. Schweinsteiger sorgte zunächst für ein wenig Wirbel, in der 56. Minute zirkelte er einen Schuss knapp am Tor vorbei.

Dann gliederte er sich in den Abwehrverbund ein, die Bayern standen sicher, sie kontrollierten das Spiel - Magath hatte Recht mit seiner Aussage, dass man die Partie gut im Griff gehabt habe. Schalke fiel wenig ein in dieser Phase, die Bayern warteten auf Gelegenheit zum Konter.

Kahn schmerzten die Hände

Guerrero setzte nach einer Ecke einen gefährlichen Kopfball aufs Tor, den Rost abwehren konnte (66.), es sah gut aus für die Münchner. Bis zu jener 69. Minute, in der Lincoln zum Freistoß antrat.

Nach der Schalker Führung war die Partie von den taktischen Zwängen befreit. Die Bayern drückten, doch es war Schalke, das die nächste Großchance hatte. Erneut ein Freistoß, Torentfernung diesmal 25 Meter. Marcelo Bordon trat an und jagte die Kugel mit gefühlten 300 Kilometern pro Stunde aufs Tor, ein fulminanter Schuss, den Kahn mit Mühe parierte (73.); die Hände dürften dem Tormann danach reichlich weh getan haben.

Die Bayern stellten ihr Spielsystem auf 4-3-3 um, sie stürmten, was Raum für Konter ergab. Es entwickelte sich ein offener Schlagabtausch, ein Spiel, das hin und her wogte und am Ende wirklich spannend wurde - in dem sich jedoch der FC Schalke die knappe Führung nicht mehr nehmen ließ.

© SZ vom 14.3.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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