Die Niederlande in der K.o.-Runde:Kämpfen und Elfmeter üben

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Ulrich Hartmann

Im niederländischen Königshaus herrscht erst mal Ruhe. "Man weiß nie, wofür das gut ist", sagt der Fußballtrainer Marco van Basten und lächelt. Prinz Willem-Alexander und seine argentinische Prinzessin Maxima haben am diplomatischen 0:0 zwischen den Niederlanden und Argentinien am Mittwochabend Gefallen gefunden.

"Ein tolles Ergebnis", schwärmte der Prinz. Damit war er einer von ganz wenigen, die dem vermeintlichen Spitzenspiel etwas abgewinnen konnten. Beim taktischen Sicherheitsfußball waren die technischen Unterschiede zwischen den filigranen Argentiniern und den rustikalen Niederländern gleichwohl augenscheinlich.

Deshalb ziehen Letztere ihren Optimismus fürs Achtelfinale am Sonntag gegen Portugal vor allem aus dem Umstand, dass sie ihre schwierige Gruppe ohne Niederlage überstanden haben. Zu Euphorie geben ihre Leistungen keinen Anlass.

Nicht Favorit?

"Ich glaube nicht, dass wir gegen Portugal Favorit sind", sagt Mittelfeldspieler Rafael van der Vaart, obwohl die Holländer im Achtelfinale wieder ihre beste Elf aufbieten werden, also auch Arjen Robben über Links, Mark van Bommel im rechten Mittelfeld und Giovanni van Bronckhorst in der Linksverteidigung.

Die Zufriedenheit der Holländer klang nach dem Spiel schön einheitlich: "Das war ein gutes Ergebnis", sagte der Stürmer Dirk Kuyt. "Das war ein gutes Ergebnis gegen einen guten Gegner", sagte der Trainer Marco van Basten.

"Wir haben gut miteinander gearbeitet und ein gutes Ergebnis erzielt", sagte der Mittelstürmer Ruud van Nistelrooy. Alles ist gut. Holland ist seit Dezember unbesiegt. Nur eine Niederlage gab es in 24 Spielen unter dem Trainer Marco van Basten.

Und doch ist subtiles Unbehagen zu erahnen, jetzt, wo jene WM-Phase beginnt, in der jedes Spiel das Aus bedeuten kann. Die Holländer kämpfen, ackern, mühen sich - doch sie spielen keinen schönen Fußball.

"Wir müssen besser spielen", gab Ruud van Nistelrooy in einem Nebensatz zu Protokoll - und zur Steigerung kann er selber einen großen Beitrag leisten, van Basten meinte über van Nistelrooy: "Ich war nicht zufrieden mit ihm. Aber er ist ein Topspieler. Deswegen kann ich mehr von ihm erwarten."

Typisch holländisch

Sollte am Sonntagabend etwas schiefgehen, wäre der mühsam und über zwei Jahre hinweg aufgebaute Optimismus rund um die junge Mannschaft dahin. Ruud van Nistelrooy schürt hingegen Hoffnung: "Wir sind nur sehr schwer zu besiegen - auch wenn das vielleicht nicht typisch holländisch ist."

Auch Torhüter Edwin van der Sar, der in zwölf Qualifikationsspielen nur drei Gegentore kassierte und in den drei Gruppenspielen nur eines, ahnt, dass gegen die drei Mal siegreichen Portugiesen eine Leistungssteigerung erforderlich sein wird.

"Am Sonntag spielen wir hoffentlich besser", sagt er. Doch die Niederländer erfreuen sich bei diesem ersten großen Turnier unter van Basten vor allem an ihrer respektablen Statistik. Sie haben nur ein einziges Mal verloren in einem Freundschaftsspiel gegen Italien.

Sie haben die Weltmeisterschaftsqualifikation ohne Niederlage überstanden und nun auch diese WM-Gruppe, die vom Fachpublikum als schwierigste des Turniers gerühmt wurde. "Wir haben in dieser Gruppe sieben Punkte geholt", sagt van Nistelrooy, "und das gibt uns ein gutes Gefühl."

"Elfmeter üben"

Um dieses zu erhalten, haben die Niederländer auch nicht mit vollem Risiko auf Sieg gespielt gegen den hohen Favoriten Argentinien. Der erwies sich technisch als deutlich besser, wenn er den Kontrahenten auch viele Spielanteile überließ.

Dabei hätte sich das Angriffsrisiko durchaus gelohnt. Man wäre auf den wohl schwächeren Gegner Mexiko getroffen, und eine Niederlage wäre ja ohne Konsequenz geblieben. Doch die Spieler haben Spaß entwickelt am neuen Image des harten Brockens, welches auch daraus resultiert, dass das Mittelfeld zurzeit kaum produktive Ideen entwickeln kann.

Das einst so schöne orangefarbene Offensivspiel ist in Ermangelung kreativer Kräfte im Spielaufbau einem nüchternen Ergebnisfußball gewichen, mit dem man im K.o.-System nun munter auf jene Situation zusteuert, durch die Holland 1996, 1998 und 2000 drei Mal nacheinander schmerzhaft aus großen Turnieren geflogen ist: Elfmeterschießen.

Trainer Marco van Basten hat jedenfalls schon verraten, worauf man sich im Training ab sofort besonders konzentriert: "Elfmeter üben!"

© SZ vom 23.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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