Die Entlassung von Felix Magath:Kreativität der Verzweiflung

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Der FC Bayern erwies sich bei der Kündigung Felix Magaths als unschlagbar stillos. Was den Bayern nie gelang, ist, auf Dauer einen originären Stil zu entwickeln. Auch Magath hat dies nicht geschafft.

Klaus Hoeltzenbein

Auch wenn sie bisweilen krachledern-derb ihren Zielen folgen, in Stilfragen lassen sich die Bayern ungern die Meisterschaft rauben. Das hatte Uli Hoeneß am vergangenen Sonntag noch einmal im ARD-Talk bei Sabine Christiansen bekräftigt, wo er als Anwalt für seinen Landesvater Stoiber wirkte: ,,Einen Mann mit diesen Verdiensten in nur 14 Tagen abzuschießen, das stinkt zum Himmel!''

Sprach's, und zeigte drei Tage später, wie es anders geht. Wobei die Zeit, in der die Bayern von Felix Magath zu Ottmar Hitzfeld wechselten, für die Rekordbücher schwer zu messen ist. Nimmt man jene Zeit, in der die Meldung am Mittwoch via Bild ad hoc öffentlich gemacht wurde (14.30 Uhr)?

Kniggetechnisch unschlagbar stillos

Oder jene (15.30 Uhr), zu der Magath von der Gattin zur Säbenerstraße chauffiert wurde, um dort bestätigt zu bekommen, was er schon im Autoradio gehört haben dürfte? Entlassung via Verkehrsfunk - in jedem Fall war der interessierte Fan vor dem erfolgreichen Doppel-Double-Trainer offiziell unterrichtet, und das ist kniggetechnisch schon unschlagbar stillos.

Wenn die Münchner nun zur Spiegelschau schreiten und dort nicht nur sehen wollen, wie toll sie sind, so wird die Suche nach der undichten Stelle am schnellsten abgeschlossen sein. Präsident Beckenbauer ist langjähriger und hoch dotierter Bild-Mitarbeiter, generell geht da Exklusivität vor Pietät.

Man will doch mit der in eigener Küche produzierten Meldung nicht noch zweiter Sieger sein. Wer bei den Bayern unterschreibt, der nimmt diese folkloristischen Seltsamkeiten in Kauf, abgerechnet wird deshalb nicht streng nach der Trainer-Tariftabelle, seelische Grausamkeit (Verkehrsfunk!) wird angemessen kompensiert.

Der Verein zieht aus dieser Konstruktion den geldwerten Vorteil, handeln zu können, wenn er glaubt, handeln zu müssen. Und die Panik-Rechnung, die die Bayern nach dem 0:0 gegen den VfL Bochum aufmachten, lautet wie folgt: drohender Champions-League-K.o. gegen Real Madrid + drohender Verlust des Champions-League-Platzes für 2007/2008 + daran gekoppelter Wertverlust des Spielerkaders + plus reduzierter Werbeeinnahmen = plusminus 50 Millionen Euro.

Ottmar Hitzfeld, die Retro-Personalie

Wenn die Münchner eines können, dann rechnen. Was die kaufmännischen Maßstäbe betrifft, sind sie allen europäischen Risiko-Kapitalisten ebenbürtig bis überlegen. Im sportlich-operativen Geschäft allerdings laufen sie Gefahr, ins Mittelmaß abzurutschen, in der Bundesliga haben Bremer und zuletzt sogar die Schalker bessere Ideen. Verfolgt werden die Bayern vom Vorwurf, ihr Handeln auf dem Transfermarkt sei phantasielos, wer einmal zwei Tore gegen sie schießt, bekomme automatisch einen Vertrag.

Aber auch das folgt einer Tradition, spätestens seit sie zu Beginn der achtziger Jahre Rudi Völler - damals mit 1860 in Liga zwei - sehenden Auges aus der Stadt gen Bremen entkommen ließen mit dem Argument, der rasende Spund sei viel zu dünnbeinig für Liga eins.

Was den Bayern seither nie gelang, ist, auf Dauer eine Fußball-Schule zu entwickeln, einen originären Stil neben purer Gewinnsucht. Auch Felix Magath hat dies nicht geschafft, zudem war die betriebliche Kommunikation zwischen ihm und Verein stärker gestört als es nach außen durchdrang.

Klar, Ottmar Hitzfeld ist eine Retro-Personalie, es sind alte Bilder wieder neu, doch in zweieinhalbjähriger Burn-out-Pause blieb er der erfolgreichste Champions-League-Trainer überhaupt. Der Wechsel wurde zum Experiment erklärt - auch dies entspringt der Kreativität der Verzweiflung -, aber er folgt der schrägen Logik des Vereins.

© SZ vom 3.2.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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