Didier Drogba:Der große Bruder der Elefanten

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Er ist in Frankreich aufgewachsen, aber von seiner Heimat Elfenbeinküste geprägt. Beim WM-Debüt des Landes setzen die Ivorer auf das Charisma und die Erfahrung ihres Vorzeige-Fußballers.

Ralf Itzel

Didier Drogba gibt den Ton an in der Mannschaft der Elfenbeinküste. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Als er und die anderen zum Training kommen, schallt die Fußball-Hymne "You'll never walk alone" aus den Lautsprechern, in einer besonders schnulzigen Version. Ein Willkommensgruß der Gemeinde Troisdorf zwischen Köln und Bonn, in deren putzigem Stadion die Ivorer während der Weltmeisterschaft trainieren - und singen. Playback zumindest. Didier Drogba führt ein imaginäres Mikrofon an den Mund und mimt den Schlager- barden. Die anderen haben sich lachend auf die Bank gesetzt und schunkeln.

Der Vorzeige-Fußballer der Elfenbeinküste: Didier Drogba (Foto: Foto: dpa)

So ausgelassen muss die Stimmung auch damals gewesen sein, als der Weltpokal für Didier, genannt Tito, aus einer aufgemotzten Plastikflasche bestand, gefüllt mit zusammengeschnorrten Bonbons und Münzen. Das war die Trophäe, die es bei den Turnieren in seinem Viertel zu gewinnen gab, und die Buben nahmen die Sache so wichtig wie eine echte Fußball-Weltmeisterschaft. Es ging drei gegen drei, barfuß, auf dem Lehmboden vor dem Haus. Manchmal war der Ball platt, aber das war nicht weiter schlimm, so flog er nicht so weit davon. Tito spielte in einem alten, viel zu großen Trikot der argentinischen Nationalelf, das ihm sein Onkel, ebenfalls ein Auswahlspieler, von einem Länderspiel mitgebracht hatte.

Ein Augenzwinkern des Schicksals, dass Drogba, nun 28 Jahre alt, an diesem Samstag als Kapitän die Ivorer ausgerechnet gegen Argentinien in ihr erstes WM-Spiel der Geschichte führt. Der durchschlagskräftige Angreifer ist mittlerweile neben dem Kameruner Samuel Eto'o der große Star des afrikanischen Fußballs. Sein Land ist der Drogba- manie verfallen, seit DD für Chelsea und die "Elefanten", so der Spitzname der Nationalelf, Tor um Tor erzielt. In der Heimat lieben sie ihn, und versuchen gleichzeitig, mit seinem Namen Geschäfte zu machen. Lieder werden ihm gewidmet, bei Friseuren gibt es Nachlass für "la coupe Drogba", den Drogba-Schnitt, in den Imbissen bekommt man eine Literflasche Bier, wenn man "une Drogba" bestellt. Sein Wort hat Gewicht.

Nach der erfolgreichen Qualifikation hat er das von inneren Konflikten gebeutelte Land zum Frieden aufgerufen. In der Mannschaft genießt er ebenfalls großen Respekt. "Sein Einfluss ist riesig", sagt Trainer Henri Michel, "gleich beim ersten Treffen habe ich gemerkt, welch enormes Charisma er hat. Außerdem ist er ein anständiger Kerl." Die Kollegen schauen auf zu dem 1,88 Meter großen Modellathleten - nicht nur wenn er vor ihnen den Sänger gibt. "Für uns Junge ist er ist wie ein großer Bruder", sagt der Mittelfeldspieler Emerse Fae, "als Kapitän zieht er die Gruppe nach oben."

Schuhe aus Solidarität ausgezogen

Dabei könnte Drogba heute auch für Frankreich stürmen. Schließlich ist er die meiste Zeit in Angoulême und Brest aufgewachsen. Dort im Norden war der erwähnte Onkel engagiert und hatte den fünfjährigen Didier auf Wunsch der Eltern mitgenommen. Drogba gibt zu, dass er sich in jungen Jahren für Frankreich entschieden hätte, wäre er in eine Nachwuchsauswahl eingeladen worden. Doch weil er ein Spätstarter war, hat sich niemand gemeldet. Jetzt ist er froh darüber: "So bin ich meinem Land noch etwas näher gekommen."

Vom achten bis zum elften Lebensjahr hat er nochmal dort gelebt, weil es in Frankreich Probleme mit den Papieren gab. Eine prägende Zeit, er sagt, es sei die schönste seines Lebens gewesen: "Ich hatte dort ein Gefühl der Freiheit, das wohl nur Afrika einem geben kann." Denen, die behaupten, dass er trotz der Geburt in Abidjan mit dem westafrikanischen Land doch gar nicht viel zu tun habe, entgegnet er: "Es stimmt, dass ich nicht viele Jahre an der Elfenbeinküste verbracht habe, aber doch ausreichend viele, um die Essenz zu behalten." Und er stellt klar, was ihm diese Prägung bis heute bedeutet: "Auch wenn ich früh weg bin, habe ich nicht den Eindruck, mich von meinen Wurzeln entfernt zu haben. Sie sind fest in mir verankert."

Der Duft und Geschmack der Kochbananen mit Erdnussöl, die Bäder im Fluss Agnébi, die langen Ausflüge im warmen Tropenregen, die Bolzerei drei gegen drei - das bleiben für Drogba bis heute unvergessliche Eindrücke. Damals bei den Turnieren um die Bonbon-Flasche hatte er schon Turnschuhe, mit denen er hätte antreten können, er kommt aus einer vergleichsweise ordentlich gestellten Familie. Aber er zog die Schuhe oft aus Solidarität mit den anderen aus.

So ist Drogba angeblich immer noch, jedenfalls beteuern es die, die ihn kennen. "Er hat es verstanden, großzügig, höflich und fröhlich zu bleiben", sagt Mutter Clotilde über das älteste ihrer sieben Kinder: "Das sind Werte, die bei uns mehr als alles andere zählen." Werte, die auch die Kinder in Troisdorf schätzen. Didie Drogba lächelt und winkt mit seinen großen Pranken, als sie seinen Namen rufen. Das Mikrofon hat er mittlerweile wieder abgelegt.

© SZ vom 10.6.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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