DFB-Strukturen:Kleiner Bierhoff

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Joti Chatzialexiou ist unter dem Manager der Nationalmannschaft zu einem der wichtigsten Mitarbeiter im DFB aufgestiegen. Als erstes soll er einen neuen Frauenfußball-Nationaltrainer finden.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Der Mann, den sie nun beim Deutschen Fußball-Bund ganz offiziell den "Sportlichen Leiter Nationalmannschaften" nennen, hätte es sich an diesem Wochenende einfach machen können. Er hätte sich irgendwo in Europa ein Länderspiel anschauen und die Spesen abrechnen können, zum Beispiel spielte am Samstag der deutsche WM-Gruppengegner Südkorea in Nordirland (und verlor mit 1:2). So eine Reise nach Belfast ist ja immer sehr nett. Doch Joti Chatzialexiou ist gerade in Mecklenburg-Vorpommern.

Chatzialexiou, 42, will beim Qualifikationsturnier der U17-Juniorinnen zur bevorstehenden Europameisterschaft im Volksstadion von Greifswald und im Stadion Neubrandenburg sehen, ob wenigstens deutsche Nachwuchsfußballerinnen noch gut genug sind, sich gegen Aserbaidschan (5:0), Island (Sonntag, 15 Uhr) und Irland (Mittwoch, 12 Uhr) für ein Turnier zu qualifizieren - wo doch die deutsche Frauen-Nationalmannschaft um die Zulassung zur WM 2019 zittern muss, weil sie vor fünf Monaten ein Qualifikationsspiel gegen Island verlor.

Seit Jahresbeginn hat sich der DFB eine neue Struktur gegeben: In der Direktion für "Nationalmannschaften und Fußball-Entwicklung", der größten und wichtigsten von vier Direktionen mit allein mehr als 100 Mitarbeitern, besetzt in Chatzialexiou unterhalb von Oliver Bierhoff ein der Öffentlichkeit bislang weitgehend unbekannter Fachmann die Schlüsselposition. Chatzialexiou habe schon früher die Arbeit von drei Sportdirektoren erledigt, verriet Bierhoff kürzlich. Nun ist er ist auch für die Trainerstäbe der Nationalmannschaften zuständig. Chatzialexiou beschreibt sich selbst als "Dinosaurier", weil er dem DFB bereits seit mehr als anderthalb Jahrzehnten dient. Anfangs im Generalsekretariat, später im Büro Nationalmannschaften. Er sagt selbst, sein Aufgabenbereich sei "sehr umfangreich". Doch er scheint sich in seine Aufgabe verbissen zu haben.

Als er am vergangenen Montag auf einer Trainergala in Neu-Isenburg seine Einstandsrede hielt, stellte er sich höflich vor ("ich gebe mein Bestes") und berichtete, wie er mit einer Expertengruppe und Marcus Sorg, dem Assistenztrainer von Joachim Löw, Vereine wie den NBA-Klub Golden State Warriors und Unternehmen wie Google besucht oder hinter die Kulissen von Silicon Valley geschaut habe. "Man kann dort einige Punkte extrahieren", erklärte er. Chatzialexiou, den Eindruck gewannen seine Zuhörer, scheint jemand zu sein, der auch mal ungewöhnliche Wege geht, um Verbesserungen anzustoßen. Und so jemand hat speziell im deutschen Frauenfußball zuletzt gefehlt.

Frauenfußball ist für ihn Neuland - das gibt er offen zu

Der Verband möchte künftig Männer- und Frauenbereich besser miteinander verzahnen, um Potenziale zu heben. "Wir werden nicht alles, was wir in der Vergangenheit im männlichen Bereich an Programmen umgesetzt haben, wie eine Glocke überstülpen, aber der Frauen- und Mädchenfußball wird davon profitieren", sagt Chatzialexiou. Zuletzt beobachtete er bei der TSG Hoffenheim Spiele der männlichen U19 und der Frauen-Bundesliga. "Um die Spielqualität zu bewerten und mit dem internationalen Maßstab zu vergleichen", sagt er. Dass er nun samt Jugendbereich die Frauen-Nationalmannschaft verantwortet, die anders als die Männer keinen eigenen Manager hat, ist für ihn völliges Neuland - das gibt er offen zu. Beim SheBelieves-Cup, dem Einladungsturnier in den USA, fiel sein Werken erstmals richtig auf. Chatzialexiou sah sich die ersten beiden Spiele an, schaute beim Training zu, sprach mit den Nationalspielerinnen und sammelte so die Argumente, die letztlich zur Entlassung von Bundestrainerin Steffi Jones führten. Ohne seinen Besuch wären die atmosphärischen Störungen im Team wohl weiter verborgen geblieben.

Chatzialexiou wird in enger Abstimmung mit dem Sportdirektor und Interimstrainer Horst Hrubesch auch darüber entscheiden, wer spätestens im Juni die Trainerposition bei der Frauen-Nationalmannschaft bekommt. Ein Alleingang wie bei der im Frühjahr 2015 verkündeten Beförderung von Jones, damals quasi handstreichartig vom Ex-Präsidenten Wolfgang Niersbach ins Amt gehievt, kommt nicht mehr infrage. Chatzialexiou spricht von einer "ergebnisoffenen Trainersuche", ein Mann an dieser Schaltstelle sei genauso gut vorstellbar wie eine Frau. Die Schweizer Nationaltrainerin Martina Voss-Tecklenburg und Ralf Kellermann, der Sportliche Leiter des Meisters VfL Wolfsburg, sind nur zwei von vielen Kandidaten, mit denen sich der DFB derzeit beschäftigt.

In der alten Organisationsstruktur im DFB seien Männer- und Frauenfußball in "zwei getrennten Welten" unterwegs gewesen, sagt Chatzialexiou. Es ist nun auch seine Aufgabe, die beiden Welten zu verbinden.

© SZ vom 25.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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