DFB-Präsident:Elf Angreifer

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Die erste Revolte in der DFB-Geschichte steht an: Beim DFB-Bundestag am 23. Oktober will sich Mayer-Vorfelder zur Wiederwahl stellen, sogar über eine dritte Amtszeit bis 2010 hat der 71-Jährige öffentlich nachgedacht. Allmachtsphantasien eines entrückten Verbandschefs, schimpfen die elf Präsidiumskollegen.

Von Thomas Kistner

Die Aufrührer traten ganz harmlos auf: als Beobachtergruppe des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), wie es üblich ist bei einer Fußball-EM. Im deutschen Quartier Almancil an der Algarve bildeten 40 Vertreter der Bundesligaklubs und Landesverbände den Begleittross - ins Teamhotel aber hatte nur der Präsident eingecheckt: Gerhard Mayer-Vorfelder, kurz MV.

Bald wurde den irritierten Beobachtern gesteckt, dass auch MVs Familie (wie bei der WM 2002 in Fernost) durch die Pools im Luxushotel turnte.

Aber Genaues wusste man nicht, denn der Präsident, sagt EM-Beobachter Heinrich Schmidhuber, war ja nie zu sprechen für sein Fußvolk.

Dabei sind dies die wichtigsten Leute im nationalen Ballbetrieb: Schatzmeister Theo Zwanziger und Generalsekretär Horst R. Schmidt, Vize Franz Beckenbauer oder Schmidhuber selbst, der dem mit 1,35 Millionen Mitgliedern größten Landesverband von Bayern vorsitzt.

Präsidiale Kontaktsperre

Infolge der präsidialen Kontaktsperre erfuhren die Verbandsoberen plötzlich aus der Presse, dass ihr Chef den Vertrag mit dem just dilettantisch bei der "U21"-EM in Deutschland gescheiterten Nachwuchstrainer Uli Stielike verlängert hatte - "dabei war klar", sagt Schmidhuber, "dass Stielike eine andere Aufgabe kriegen sollte."

Es folgten Rudi Völlers Rücktritt als Teamchef und das Buhlen um den vermeintlichen Nachfolger Ottmar Hitzfeld, das MV partout "im stillen Kämmerlein" (Schmidhuber) betreiben wollte, alle anderen schickte er heim - das war den gedemütigten Vorständlern ein öffentliches Solo zu viel.

Brüskiert sahen die sich auch von MVs engen Zuträgern: dem als Poltergeist berüchtigten Pressechef Gerhard Meier-Röhn und dem Juristen Jan Lengerke, der wie ein Bodyguard an seinem Chef klebt. "Der junge Mann", sagt Oppositionschef Zwanziger, "sieht sich nicht als Diener der Sache, sondern als Herrscher."

Dass die Flegeljahre des jungen Referenten gezählt sind, ist nur eine der Forderungen, die Zwanziger und Gefolgschaft bei der Präsidiumssitzung am Montag erheben werden - im Kern geht es um den Sturz des Präsidenten.

Beim DFB-Bundestag am 23. Oktober will sich MV zur Wiederwahl stellen, sogar über eine dritte Amtszeit bis 2010 hat der 71-Jährige öffentlich nachgedacht. Allmachtsphantasien eines entrückten Verbandschefs, schimpfen die elf Präsidiumskollegen, die sich erstmals in der DFB-Geschichte zu einer Personalrevolte verschworen haben.

Für Schmidhuber ist der Ausgang so klar wie für Engelbert Nelle. Auch der Vizepräsident der Amateure kündigte ein Veto gegen MV an und verwies auf 21 Landes- und fünf Regionalverbände, die er vertritt. Wie Nelle hat Schmidhuber den rheinischen Juristen Zwanziger, 59, zur Kandidatur gedrängt: "Nach meiner Kenntnis hat er die volle Unterstützung der Landesverbände."

"Der Ärger sitzt bei fast allen zu tief"

Die allein genügt, um die Mehrheit der 255 Delegierten zu erobern, zwei Drittel entstammen ja den Landesverbänden. Nur Zwanziger selbst hält das Visier noch geschlossen. Zwar gibt er im Zuge seiner Kritik an MVs Führungsstil schon verkappte Regierungserklärungen ab, andererseits vertröstet er alle auf die Präsidiumssitzung.

Gibt es am Ende nur den Aufstand der Braven? Kriegt der Politprofi MV noch einmal die Kurve? Zwanziger verweist auf Montag. Schmidhuber aber sagt: "Der Ärger sitzt bei fast allen zu tief."

© SZ vom 4.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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