DFB:Gar nicht. Gar nicht. Keine.

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Bevor er Otto Rehhagel als Bundestrainer verpflichtet, sollte sich der DFB noch ein paar Fragen stellen.

Von Christian Zaschke

Ist es eine Sinnestäuschung, oder scheint es plötzlich unausweichlich zu sein, dass Otto Rehhagel Bundestrainer wird? Unausweichlich wie eine Gewitterfront, die über den Himmel zieht und das Land mit Hagelkörnern bedeckt, die mindestens die Größe von Taubeneiern haben.

Otto Rehhagel (Foto: Foto: AP)

In der Trainerdiskussion war es erst ein vorsichtiges Tröpfeln, der Name Rehhagel wurde genannt, aber das störte nicht, weil er nicht ernst genommen wurde. Das Tröpfeln wurde zum Landregen, Otto überall, und mittlerweile ist die Front da mit den Hagelkörnern, den Rehhagelkörnern, wenn man so will.

Die Bild-Zeitung trommelt seit einigen Tagen mit aller Macht für Rehhagel, der im Gegenzug ein Sommerfest der Zeitung besuchte. Der kicker meldet, dass "Kaiser Franz" nun "König Otto" treffe, und der Rest der Öffentlichkeit scheint es in Ergebenheit hinzunehmen, dass es nun so sein wird: Otto Rehhagel, Bundestrainer.

Man konnte ja nichts tun, es war halt so. Dabei ist es immer noch eine Entscheidung, die zu treffen ist, und vor dieser Entscheidung sollte man sich Rehhagels Karriere noch einmal ansehen, sollte sich dann überlegen, was man will, und schließlich erst nach gründlicher Überlegung entscheiden.

Alle Macht dem Trainer

Unbestritten sind Rehhagels Erfolge, und unbestritten ist auch, dass er diese Erfolge in Biotopen des Fußballs errungen hat, in Bremen, Kaiserslautern und in Griechenland.

In diesen konzentrierte sich alle Macht auf ihn, er zog sie an sich, und alle anderen unterwarfen sich. Diese Wechselbeziehung ist entscheidend, der Wille des Umfeldes zur Unterwerfung ist ein Schlüssel zu Rehhagels Erfolgen.

Eine demokratische Struktur gibt es mit diesem Trainer nicht, das Wort der Ottokratie wurde häufig benutzt, es sollte amüsant sein, tatsächlich ging und geht es um Alleinherrschaft, um Monokratie. Oder wie er es selbst nennt: "demokratische Diktatur".

Wo das akzeptiert wurde, stellte sich Erfolg ein. Rehhagel hat keineswegs schon immer defensiven Fußball spielen lassen, in Bremen ließ er einige Jahre sogar ausgesprochen offensiv spielen. Auch ist es nicht so, dass Rehhagel allein mit alten Profis spielen lässt, er hat viele junge Spieler entdeckt und gefördert, um nur einige zu nennen: Völler, Bode, Schaaf, Klose und selbst Ballack, auch wenn er ihn in Kaiserslautern nicht regelmäßig spielen ließ.

Er wurde allerdings damals, 1998, Deutscher Meister mit Kaiserslautern, und schon damals sagte er gern die Sätze, die er heute spricht: "Modern ist, wer gewinnt", oder: "Wenn ein Theaterdirektor Erfolg und volle Häuser hat, fragt ihn auch keiner, wie er das Ensemble proben lässt." Wirklich nicht?

Die Errichtung einer Monokratie wurde nicht akzeptiert, als Rehhagel sich beim FC Bayern als Trainer versuchte, in der Saison 1995/96. Als er nach 249 Tagen entlassen wurde, stand er im Finale des Uefa-Cups, und die Mannschaft hatte beste Aussichten, Deutscher Meister zu werden.

Fragenkatalog

Bei Rehhagels Verpflichtung sagte Franz Beckenbauer stolz, man habe den "besten Trainer Deutschlands". Wenig später entließ er ihn, nachdem er Rehhagel zuvor in der Bild-Zeitung demontiert hatte.

Einen Fragenkatalog stellte er auf: 1. Wie hat er die Mannschaft im Griff? 2. Wie fördert er unsere Nachwuchsspieler? 3. Welche Fortschritte macht jeder einzelne Spieler? Die implizit gegebenen Antworten waren: gar nicht, gar nicht, keine. Spieler wie Klinsmann und Kahn wandten sich öffentlich gegen den Trainer, die Mannschaft war geschockt von der taktischen Rückständigkeit des Trainers.

Sie nahm ihn nicht mehr ernst. Uli Hoeneß sagte: "Wir hätten auch den Mut, einen Trainer zu entlassen, der Tabellenerster ist, wenn das Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft nicht stimmt."

In Bremen und Kaiserslautern hinterließ Rehhagel nach seinem Weggang eine große Ödnis. Bremen brauchte viele Jahre, um wieder auf die Beine zu kommen, Kaiserslautern war nach Rehhagels Abtritt so gut wie erledigt. Mit beiden hat er zuvor zu seinen Bedingungen Erfolg hat.

Am Boden

Das genau ist nun die Frage, vor der die Trainersuchenden im DFB stehen: Wollen sie das, Rehhagels Bedingungen? Wenn sie das wollen, dann steht seiner Verpflichtung nichts im Wege. Dann könnte man sagen, dass der deutsche Fußball und Rehhagel im Moment wie für einander geschaffen sind.

Es wäre eine Aussage, nämlich die, dass der weltgrößte Fußballverband sich nun als Außenseiter sieht. Die Verpflichtung Rehhagels wäre in nichts richtungsweisend, außer dass man sagt: Wir sind am Boden. Es geht bei dieser Entscheidung um das Selbstverständnis des Verbandes, der nur behauptet ein demokratischer zu sein, der diesen Eindruck jedoch selten vermittelt; auch dieser Aspekt spräche geradezu für Rehhagel.

Zu fragen ist weiter, ob ein Mann mit Rehhagels Medienverständnis der geeignete Repräsentant ist für die WM 2006, die öffentlichste Veranstaltung, die es je in Deutschland gab. Er mache dann zu, teilte seine Frau Beate mit, wenn er Neid und Missgunst spüre.

Das Problem ist, dass er das schnell spürt, wenn die öffentliche Meinung von seiner abweicht. Als Konsequenz spricht er nur mit jenen Journalisten im Detail, die das Prinzip aus den Biotopen verinnerlicht haben: Unterwerfung.

All dies gilt es abzuwägen. Wichtig ist jedoch festzuhalten, dass Rehhagel nicht unausweichlich Bundestrainer wird, sondern dass es die Möglichkeit zur Entscheidung immer noch gibt. Chef der Entscheider ist Franz Beckenbauer, der Mann, der Rehhagel beim FC Bayern feuerte, um zu retten, was zu retten war.

Sollte Rehhagel Bundestrainer werden und scheitern, dann kann niemand - am wenigsten Franz Beckenbauer - sagen, man habe nicht gewusst, für wen man sich da entscheidet und was das bedeutet.

© SZ vom 9.7.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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