Deutschlands Gegner Iran:Rivalen im eigenen Team

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Irans Fußball-Auswahl hemmen ständige interne Konflikte. Trotz der Gold-Medaille bei den Asienspielen geht es mit der Mannschaft seit 1998 abwärts.

Von Martin Hägele

In Teheran hat man längst einen Superlativ gefunden für das bevorstehende Länderspiel Irans gegen Deutschland. Das "größte Fußball-Event seit über 30 Jahren" ist es aus Sicht der Einheimischen, und schon macht man sich Gedanken darüber, ob es wohl einen offiziellen Zuschauer-Rekord geben wird am Samstag im Azadi-Stadion; die jüngsten Schätzungen schwanken zwischen 100000 und 120000 Besuchern.

Jedenfalls bedeutet der Staatsbesuch durch die Delegation des WM-Zweiten endlich mal wieder gute Nachrichten für die Iraner, die sich in Asien als Vorreiter in Sachen Fußball sehen, nachdem die wertvollsten Erfolge doch schon eine Weile her sind.

Zweimal schon hat Iran seinen Kontinent bei Weltmeisterschaften vertreten und dabei weltweit Sympathien gewonnen, als seine Fußballer 1998 in Frankreich die politisch belastete Vorrunden-Partie gegen die USA im Stil würdiger Botschafter abhandelten und mit sportlichem Anstand 2:1 gewannen.

Seit dieser Sternstunde allerdings ist es mit dem dreimaligen Asien-Meister abwärts gegangen. In jeder Hinsicht, wenn man einmal vom Gewinn der Gold-Medaille bei den Asien-Spielen absieht.

Für die kontinentale Olympia-Version in Pusan, die zuletzt stark an Prestige verloren hat, und von den meisten Verbänden vornehmlich als Bühne für den Nachwuchs genutzt wird, hatte der Verband aus Teheran im Herbst 2002 seine erfahrensten Auslands-Profis nominiert. Selbst das alternde Idol Ali Daei, 35.

Dass die Konkurrenz im Nahen wie im Fernen Osten im vergangenen Jahrzehnt gewaltig aufgeholt hat, vor allem dank der Einführung professioneller Ligen in Japan, Korea, China, aber auch in den arabischen Ölländern, mussten die Iraner zuletzt beim Asien-Cup im Sommer erfahren.

Bei diesem Turnier reichte es zwar zum dritten Platz hinter Titelverteidiger Japan und dem Gastgeber. Und es gab auch noch ein paar beschönigende Versuche, wonach die Besucher aus dem iranischen Hochland stark unter den feuchtheißen Temperaturen (durchschnittlich knapp über 40 Grad) in Chongquing gelitten hätten.

Ohrfeigen in der Abwehr

Aber das dass konnte trotzdem nicht jene Szenen entschuldigen, die sich beim Vorrundenspiel gegen Oman am 24. Juli abgespielt hatten. Dabei ohrfeigten sich nach einer Debatte über die Zuständigkeiten in der Abwehr die Spieler Rahman Rezaei und Ali Badavi.

Und später trampelte Verteidiger Mohammad Nosrati, der bei Werder Bremen auf der Einkaufsliste steht, seinem Gegenspieler auf dem Rücken herum. Obwohl die brutale Szene dem Publikum auch noch auf der Videotafel vorgespielt wurde, reagierte der Schiedsrichter nicht.

Asiens Fußballer des Jahres, der beim Hamburger SV beschäftigte Mehdi Mahdavikia, dem letztendlich das glückliche 2:2 und die Qualifikation fürs Viertelfinale zu verdanken war, hat sich damals ebenso wie der frühere FC-Bayern-Spieler Ali Daei, Mahdavikias Vorgänger als Aushängeschild des asiatischen Sports, fürs Auftreten seiner Landsleute entschuldigt.

Der Kontinentalverband schickte den schwachen Referee am nächsten Tag heim nach Bahrain, die vergessenen roten Karten wurden nachträglich mit längeren Sperren geahndet.

Gläubige und Ungläubige

Doch solche Aussetzer sind keine Ausnahmen in der iranischen Auswahl. Unter den besten Kickern des Landes schlummern ständig Konflikte: Das liegt einerseits daran, dass viele im Team bei den beiden Erzrivalen Pirouzi bzw. Estleglal spielen - beide Teheraner Topklubs pflegen ihre historisch gewachsene Feindschaft. Außerdem bekämpfen sich zwei Generationen. Die Altersstruktur der Auswahl ist nicht sehr ausgewogen.

Man gehört entweder zu den Jungen und kämpft um einen Platz oder zählt zu den Platzhirschen, die von den Nachrückern erst mal Respekt und die Anerkennung ihres Alters einfordern. Und schließlich gibt es noch gläubige und ungläubige Moslems. Männer wie Ali Daei, die keinen Anlass zum Gebet verpassen. Und andere, die in Discos und Wirtschaften gehen, und dort auch Alkohol trinken.

Der englische Sportjournalist Tim Maitland verfolgt die Fußball-Entwicklung in Asien seit fast zwei Jahrzehnten. Nirgendwo hat er bessere Spieler und größere Talente für dieses Spiel gefunden als auf den Straßen, den Bolzplätzen und später in den Stadien Teherans.

Normalerweise müsste der erste der viereinhalb WM-Plätze der asiatischen Konföderation automatisch gebucht sein für Ali Daei und die Erben des mittlerweile 35-jährigen Torjägers. "Doch sobald sie länger als nur ein paar Tage unter einem Dach leben, bricht einer der genetischen Konflikte aus", sagt Maitland.

Das wird gegen Deutschland nicht passieren. Das für die Zukunft von Irans Fußball weitaus bedeutendere Spiel steht vier Tage später in Katar auf dem Programm. Dort müssen die Iraner unbedingt gewinnen, um sich als Erster ihrer Gruppe für das Ausscheidungsturnier (zehn Mannschaften) zur WM-Endrunde in Deutschland zu qualifizieren.

Seine gute Ausgangsposition hatte der große Favorit durch eine Heimniederlage gegen Jordanien verspielt. Immerhin, nach dem 2:0-Erfolg im Rückspiel sind die Iraner nicht mehr auf die Hilfe anderer angewiesen. Sie können es selbst zur WM 2006 nach Deutschland schaffen. Und das ist eine gutes Zeichen für den Stolz dieser Fußballer.

© Süddeutsche Zeitung vom 07.10.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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