Deutschland - Lettland:Keine Ideen - keine Tore

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Das war eindeutig zu wenig. Der gesamte deutsche Sturm durfte sich gegen die Letten versuchen - doch weder Kuranyi und Bobic, noch Klose und Brdaric fanden gegen die kompakte lettische Abwehr die spielerischen Mittel. Im zweiten Gruppenspiel reichte es für die ideenlosen Deutschen nur zu einem ernüchternden 0:0.

Der deutschen Fußball-Nationalmannschaft droht erneut ein EM-Desaster. Vier Jahre nach dem Vorrunden-Aus bei der Euro in Belgien und den Niederlanden läuft nun auch die Auswahl von Teamchef Rudi Völler nach einem blamablen 0:0 gegen Euro-Neuling Lettland Gefahr, das Viertelfinale zu verpassen. Die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) braucht im letzten Gruppenspiel am Mittwoch gegen Tschechien in Lissabon nun unbedingt drei Punkte.

Die Leistung des Vize-Weltmeisters bedeutete nach dem guten Spiel gegen die Niederlande zum Auftakt (1:1) eine große Ernüchterung. Vom ersten Turniersieg gegen eine europäische Mannschaft seit dem Finaltriumph bei der EM 1996 gegen Tschechien war das deutsche Team auf Grund spielerischer Mängel weit entfernt. Erst in der zweiten Halbzeit brachte der eingewechselte Bastian Schweinsteiger vor 22.344 Zuschauern im Estadio do Bessa von Porto zumindest vorübergehend etwas Schwung, Großchancen blieben aber Mangelware.

Kein zählbares Ergebnis

Der Versuch eines Sturmlaufs brachte kein zählbares Ergebnis. Der dreimalige Welt- und Europameister hatte sogar Glück, bei Kontern der Letten nicht in Rückstand zu geraten.

Wie erwartet hatte Völler seine Anfangsformation im Gegensatz zum Holland-Match geändert und in Fredi Bobic einen zweiten Stürmer neben Kevin Kuranyi gebracht - aber für eine Überraschung sorgte er trotzdem noch: Abwehrchef Jens Nowotny musste auf der Bank Platz nehmen, der Bremer Frank Baumann blieb in der Mannschaft.

Der deutschen Mannschaft gelang es zunächst kaum, Tempo und Druck aufzubauen. "Wir haben in den ersten 20, 25 Minuten zu wenig getan", bemängelte DFB-Trainer Michael Skibbe zur Halbzeit in der ARD, wo Günter Netzer "Tempo und Rhythmus" vermisste. Zu wenig kam vor allem über die Außenbahnen: Torsten Frings war in der ersten Halbzeit von der Rolle, Bernd Schneider ebenso.

Lettland begann mit jener Elf, die sich beim 1:2 gegen Tschechien wacker geschlagen hatte, und machte auch der DFB-Auswahl mit konzentrierter Abwehrarbeit gehörig zu schaffen. Es dauerte bis zur 14. Minute, ehe Kuranyi nach einem weiten Pass von Christian Wörns einen ersten gefährlichen Schuss nur knapp neben das Tor der Balten setzte.

Unruhe durch den lettischen Sturm

Wie angekündigt beschränkten sich die Letten, die in den Playoffs zur Euro den WM-Dritten Türkei ausgeschaltet hatten, auch nicht auf die Defensive. Der 53. der Weltrangliste suchte respektlos den Weg zum deutschen Tor, und holte einige Freistöße aus reichlich gefährlicher Position heraus. Die beiden schnellen Angreifer Maris Verpakovskis und Andrejs Prohorenkovs sorgten stets für Unruhe.

Vor allem die Eingliederung von Baumann in die Viererkette erwies sich als problematisch. Der Bremer, gegen die Niederlande stark im defensiven Mittelfeld, erwies sich als Schwachpunkt und wusste sich oft nur durch Fouls zu helfen. Auch die beiden Außen Arne Friedrich und Philipp Lahm hatten in der Defensive weit mehr Schwierigkeiten als in der EM-Auftaktpartie.

Die Schwächen in der deutschen Hintermannschaft wurden vor allem in der 40. Minute offenbar. Nach einem Ballverlust von Bobic, bei dem wenig zusammenlief, stürmte Top-Torjäger Verpakovskis von der Mittellinie aus auf und davon, ließ Dietmar Hamann, Wörns und Baumann wie Schuljungen stehen - scheiterte mit seinem Schuss aber am hervorragend reagierenden Kapitän Oliver Kahn.

Glück für Deutschland

Großes Glück hatte die deutsche Hintermannschaft kurz vor der Halbzeit, als Wörns Verpakovskis umklammerte; über einen Elfmeterpfiff hätte sich die deutsche Mannschaft nicht beklagen brauchen. In der 54. Minute war es erneut Verpakovskis, der die deutsche Abwehr narrte und von Baumann zu Fall gebracht wurde.

Schiedsrichter Michael Riley (England) sah auch in dieser Szene keine Veranlassung für einen Strafstoß. Zu diesem Zeitpunkt war aber immerhin das deutsche Offensivspiel ein wenig lebhafter geworden. Mit Beginn der zweiten Halbzeit war Schweinsteiger gekommen, Frings kam über rechts. Ballack und Hamann trieben die Angriffe voran, auch Lahm und Friedrich kamen nun etwas besser ins Spiel. Nur mit dem Torschießen wollte es nicht so recht klappen.

Torchancen waren selten und nicht zwingend. Kuranyi und Schweinsteiger behindert sich in der 59. Minute gegenseitig, den Freistoß von Ballack aus 20 Metern faustete Torhüter Alexandrs Kolinko ins Feld zurück, bei einer hereingabe von Kuranyi kam Bobic frei vor dem Tor einen Schritt zu spät (69.). In der 84. Minute sprang der eingewechselte Thomas Brdaric nach Vorlage von Ballack am Ball vorbei. Auch Miroslov Klose in der zweiten Minute der Nachspielzeit vergab kläglich.

Die einzigen deutschen Spieler, die einigermaßen gefallen konnten, waren Kuranyi und Lahm. Lettland hatte in Verpakovskis und Torhüter Kolinko seine Besten.

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