Deutsches Duell in NHL-Playoffs:Anaheim geht vor

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Hat ein bisschen Heim-WM-Weh: Der gebürtige Münchner Korbinian Holzer (Nummer 5) sehnt sich nach Köln, spielt aber derzeit in den NHL-Playoffs. (Foto: Derek Leung/AFP)

Korbinian Holzer kann mit den Anaheim Ducks den Stanley Cup gewinnen - doch dafür muss sein Team Leon Draisaitl und die Edmonton Oilers schlagen. Auch der Bundestrainer verfolgt die Serie gespannt.

Von Jürgen Schmieder, Anaheim

Die Umstehenden gucken verdutzt, als Korbinian Holzer in der Drittelpause mitteilt: "Jetzt ein schnelles Tor machen, dann geht noch was." Meint der das ernst? Die Anaheim Ducks liegen gegen die Edmonton Oilers 0:3 zurück, was soll denn da noch gehen? Kurzer Blick zu Holzer, der diese Partie wie alle verletzten oder nicht berücksichtigten Ducks-Akteure gemeinsam mit Journalisten betrachtet: Der meint das ernst!

196 Sekunden vor dem Ende steht es noch immer 0:3, doch Holzer blickt weiterhin gespannt aufs Eis, als würde da wirklich noch was gehen. Dann passiert etwas, das in der Geschichte der nordamerikanischen Eishockeyliga noch nie passiert ist. Die Ducks schaffen das Comeback und gewinnen die Partie in der zweiten Verlängerung durch einen Treffer von Corey Perry. Es ist eine spannende und intensive Serie mit einigen überraschenden Ergebnissen: Anaheim hat die ersten beiden Partien daheim verloren (3:5 und 1:2) und nun drei Spiele nacheinander gewonnen, zwei davon in Edmonton.

Das Eis ist schließlich immer ein bisschen weißer in der anderen Halle, und so ist das auch bei Korbinian Holzer. Natürlich träumen junge Eishockeyspieler davon, in der NHL zu spielen und im Frühjahr um diese 125 Jahre alte Trophäe zu kämpfen: bei den Pittsburgh Penguins zum Beispiel, mit denen Tom Kühnhackl in der vergangenen Saison den Stanley Cup gewonnen hat und nun kurz vor dem Erreichen des Halbfinales steht. Oder den Edmonton Oilers wie der deutsche Stürmer Leon Draisaitl, der seine Mannschaft am Freitagabend in Führung gebracht hat. Playoffs. 17 358 Zuschauer. Ein völlig verrücktes Spiel.

Holzer sitzt in Anaheim auf der Tribüne - darf aber auch nicht zur Heim-WM

Es gibt da allerdings auch eine Halle in Deutschland, da waren am Freitagabend 18 688 Zuschauer, die Stimmung war unglaublich. Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft besiegte zum Auftakt der Weltmeisterschaft in Köln die favorisierten Amerikaner 2:1 - auf Eis, das weißer nicht hätte sein können. Da wirkt der Untergrund in der Arena von Anaheim plötzlich eher grau, vor allem von ganz oben unterm Hallendach. Wäre es nicht schöner, bei der WM auf dem Eis zu stehen, als in Anaheim auf der Tribüne zu sitzen?

"Ich war vor sieben Jahren bei der Heim-WM dabei, als wir das Halbfinale erreicht haben. Das war schon eine ganz besondere Sache. Aber Anaheim und die NHL gehen vor", sagt Holzer. Er ist nicht auf dem Eis an diesem Abend, die Stammverteidiger der Ducks sind wieder fit, also bleibt für ihn nur der Platz auf der Tribüne. Er schimpft hin und wieder, auf Gegenspieler oder die Schiedsrichter. Die Gegentore verfolgt er regungs- und kommentarlos, bei einer Schlägerei auf dem Eis jedoch macht er Bewegungen mit Kopf und Armen, als könne er seinen Kollegen auf dem Eis damit helfen.

"Ich habe die Wahnsinns-Leistung der Jungs gegen die USA natürlich verfolgt - leider nicht vor dem Fernseher, sondern am Liveticker, weil ich unterwegs gewesen bin", sagt Holzer. Er ist zwei Tage lang aus privaten Gründen in Deutschland gewesen und erst am Freitag nach Anaheim zurückgekehrt: "Ich habe von Freunden gehört, dass die Stimmung grandios gewesen sein soll. Es hat ja im Jahr 2010 aufgrund der erfolgreichen WM einen kleinen Schub für unsere Sportart gegeben. Das ist jetzt die Aufgabe der Jungs, das zu wiederholen."

Draisaitl oder Holzer: Wer fliegt zur Nationalmannschaft?

Er sagt "die Jungs". Wer ihm zuhört und ihn ansieht, der merkt, dass er schon gerne dabei wäre bei dieser WM, wie übrigens auch bei den Olympischen Spielen im kommenden Jahr im südkoreanischen Pyeongchang. Derzeit weigert sich die NHL, Spieler für das Eishockeyturnier abzustellen, der Vertrag von Holzer läuft aus. "Das wäre eine schwierige Entscheidung", sagt er: "Die Olympischen Spiele sind ein Traum für jeden Sportler - es ist aber auch ein Traum für jeden Eishockeyspieler, in der besten Liga der Welt agieren zu dürfen. Die Priorität wäre für mich schon, hier zu bleiben."

Der Stanley Cup ist im Eishockey bedeutsamer als der WM-Titel. Holzer kann in dieser Saison mit den Ducks die Meisterschaft gewinnen. Die nächste Partie findet am Sonntag in Edmonton statt. Sollten die Ducks gewinnen, dann dürfte Oilers-Stürmer Draisaitl, wie er bereits angekündigt hat, in den nächsten Flieger nach Deutschland steigen und der Nationalmannschaft für die wichtigen Partien gegen die Slowakei, Dänemark, Italien und Lettland zur Verfügung stehen. Bei einem Sieg der Oilers gäbe es am Dienstag ein entscheidendes siebtes Spiel in Anaheim. Angesichts dieser völlig verrückten Serie ist nur eines gewiss: Das Eis in der erst vor wenigen Monaten eröffneten Arena in Edmonton wird herrlich weiß sein.

© SZ vom 07.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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