Deutsche Biathleten:Schießen und schwimmen

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Erstmals 20 Treffer in einem offiziellen Wettkampf: Rees hat sein Schießen zuletzt stabilisiert. (Foto: Matthias Balk/dpa)

Das Beispiel des 24-jährigen Freiburgers Roman Rees zeigt, dass die deutschen Biathleten hinter ihrem Spitzenquartett doch Alternativen entwickeln.

Von Joachim Mölter, Ruhpolding

Solide, das war am Mittwoch beim Weltcup in Ruhpolding das meistgebrauchte Wort der deutschen Biathleten. Arnd Peiffer verwendete es, als er über seine Trefferquote beim Einzelrennen über 20 Kilometer sprach (90 Prozent); Simon Schempp beschrieb so seine Gesamtleistung (Rang 13, zwei Plätze hinter Peiffer); Bundestrainer Mark Kirchner charakterisierte damit Roman Rees, seinen besten Mann an diesem Tag: "Einer, der solide arbeitet."

Nachdem Roman Rees eine Nacht darüber geschlafen hatte, kam er indes zu dem Schluss, "das war schon was Außergewöhnliches". Und er erklärte auch warum: "Bis dahin hatte ich es noch nicht geschafft, viermal Null zu schießen in einem offiziellen Wettkampf." Am Mittwoch war das auch nur noch drei anderen der 107 Starter gelungen, Rees bescherte seine Fehlerfrei-Premiere letztlich Platz vier und eine Fülle neuer Eindrücke: das beste Resultat seiner Karriere, die Qualifikation für die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang/Südkorea (9. bis 25. Februar) sowie eine Einladung zur Siegerehrung. Bei der stand er dann neben dem Seriengewinner Martin Fourcade (Frankreich), dem zweitplatzierten Tschechen Ondrej Moravec, dem Norweger Johannes Thingnes Bö - "den Dominatoren der Saison", wie Rees sie ehrfürchtig nannte: "Das war außergewöhnlich, da dabei zu sein."

Wobei: "Den Bö habe ich ja schon in der Jugend ein paar Mal getroffen."

Genau das ist ein Kernproblem der Biathlon-Abteilung männlich im Deutschen Skiverband (DSV). Während der 24 Jahre alte Bö bei den Erwachsenen schon neun WM-Medaillen und 13 Weltcup-Rennen gewonnen hat, zählt der gleichaltrige Rees hierzulande noch zum Nachwuchs, zur zweiten Reihe hinter den "Großen Vier" - den ehemaligen oder aktuellen Weltmeistern Peiffer, 30, Schempp, 29, Erik Lesser, 29, und Benedikt Doll, 27.

Die werden am Freitag (14.30 Uhr/ZDF und Eurosport) in Ruhpolding auch die Staffel über 4 mal 7,5 Kilometer zusammen laufen. Für Bundestrainer Kirchner ist es ja die letzte Gelegenheit vor Olympia, sein bestes Quartett noch mal zu testen, nachdem der am Rücken verletzte Schempp und der erkältete Lesser vorige Woche in Oberhof nicht zur Verfügung standen. Roman Rees bekommt trotzdem noch einen Einsatz in Ruhpolding: Mit seinem vierten Platz im Einzelrennen hat er sich für den Massenstart am Sonntag (12.15 Uhr) qualifiziert. Beim Duell Mann gegen Mann will er "wieder übers Schießen ins Rennen kommen, so weit wie möglich mitschwimmen, und meine Position dann verteidigen".

Roman Rees ist keiner, der jetzt große Ansprüche stellen würde, weil er die Kollegen einmal hinter sich gelassen hat. Er weiß, dass bei Olympia immer nur höchstens vier Athleten eines Landes pro Rennen antreten dürfen, und über mögliche Einsätze ist verständlicherweise noch nicht gesprochen worden. Er weiß auch, dass man jetzt von ihm "keine Riesensprünge erwarten kann. Man muss sich Schritt für Schritt ranarbeiten". Der Abstand zu den Großen Vier mag kleiner geworden sein, aber er ist immer noch da, zumindest im Empfinden des Athleten. "Man muss schauen, dass man sich stabilisiert", sagt Rees, "dann ist es auch möglich, sich dazwischenzuschieben." Im Moment ist er bloß der fünfte Mann im Olympia-Wagen der DSV-Biathleten.

Im Sommer durfte Roman Rees mit den Besten trainieren - das zahlt sich nun aus

In den vergangenen Jahren hat Bundestrainer Mark Kirchner die Weltcup-Startplätze hinter seinem führenden Quartett immer mal wieder mit diversen jüngeren Athleten aufgefüllt, Roman Rees erhielt seine erste Chance im Dezember 2016, der Kollege Johannes Kühn vom WSV Reit im Winkl hatte bereits vor fünf Jahren debütiert. Kühn könnte als nächster den Sprung ins Olympia-Team schaffen, er war in dieser Saison schon einmal Neunter (beim Sprint in Östersund) und am Mittwoch 16.; damit hat er die direkte Qualifikation nur um ein paar Sekunden verpasst (einmal unter den ersten Acht) und die zweite Möglichkeit ebenfalls (zweimal unter den besten 15). Kühn mag aus deutscher Sicht noch zum Nachwuchs zählen, tatsächlich ist er mit seinen 26 Jahren auch nicht mehr der Jüngste.

Dass er so schnell den Anschluss geschafft hat, führt Roman Rees darauf zurück, dass er im vergangenen Sommer mehrmals mit der stärksten Leistungsgruppe trainieren durfte, "die Umfänge wurden höher und auch intensiver", spürte er. Das zahlt sich nun aus. Bei den vergangenen IBU-Cups, der zweitrangigen Wettkampfserie, war der Mann vom SV Schauinsland, wie der Verein vom Freiburger Hausberg heißt, stets der beste Deutsche gewesen. "Ich habe gemerkt, dass die Laufform immer besser wurde", erzählte er; und nach seiner Beförderung ins Weltcup-Team sei in Oberhof "auch das Schießen wieder stabiler gewesen".

So wie am Ende der vergangenen Weltcup-Saison, als er sich schon dreimal unter den Top 15 platzierte. Deswegen habe ihn das Thema Olympia den ganzen Winter über begleitet, "das war nicht ganz aus der Luft gegriffen", findet der in Ruhpolding stationierte Zollbeamte. Andererseits sei es auch "keine Pflichtaufgabe für mich gewesen, Olympia zu erreichen". Wenn man es also richtig versteht, war seine Leistung irgendwo zwischen solide und außergewöhnlich.

© SZ vom 12.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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