Der Brasilianer Robinho:Zum Verprügeln gut

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Wegen seiner Finten und seiner Herkunft vom FC Santos gilt Nachwuchstalent Robinho als Erbe Pelés. Den Respekt der etablierten Größen in der brasilanischen Auswahl hat zumindest schon sicher.

Von Javier Cáceres

Kaum auszumachen, ob er nun nur höflich und souverän lächelte oder doch eher ungläubig. In jedem Fall genoss es Robson da Souza, genannt Robinho, dass die brasilianischen Reporter den Pressesprecher der Nationalmannschaft ausdrücklich darum angehalten hatten, ihn hinzuzuholen.

Nach Ronaldo, Ronaldinho, Roberto Carlos und Adriano durfte sich also auch Robinho, 20, auf der blauen Tartanbahn des Berliner Olympiastadions vor den Berichterstattern aufbauen - und mit gekreuzten Armen vor der Brust, ganz wie die Großen, entspannt seine Antworten in einen Strauß von Mikrofonen sprechen. Antworten auf Fragen wie diese: "Fühlst Du Dich als das neue Wunderkind des Fußballs?"

Coverboy in Europa

Aktuell ist die britische Zeitschrift The Observer dafür verantwortlich, dass der Hype um Robinho neuen Treibstoff erhalten hat. Das Blatt hatte ihm am Sonntag das Titelbild gewidmet und The boy wonder drauf geschrieben. Die brasilianischen Korrespondenten kabelten stolz in die Heimat, dass Robinho im Vereinigten Königreich geadelt worden war. "Ich fange meine Karriere gerade erst an, ich habe noch viel zu lernen", sagte Robinho, doch beschämt wirkte er dabei nicht: "Ist es denn für Dich nichts besonderes, Coverboy in Europa zu sein?", kreischte ein Radiomann.

Vermutlich nicht, wiewohl er gestern Abend gegen die DFB-Elf nicht zum Einsatz kam. Brasiliens Presse hat dazu beigetragen, Robinho auch gegen größte Balkenüberschriften zu immunisieren. Weil er schwarz ist, technisch versiert und ein Offensivkünstler, muss er seit seinem Debüt für den FC Santos den unerträglichsten Vergleich aushalten: den mit Pelé. Zwar war Pelé ein Spielgestalter, Robinho firmiert als "hängende Spitze", doch was den Vergleich befördert, ist beider Herkunft - auch Pelé fing beim FC Santos an.

Überdies soll O Rei höchstselbst Robinho erspäht haben, als er in der Jugendabteilung vorbei schaute: "Mir gefällt, Dich spielen zu sehen. Du erinnerst mich an die Zeit, da ich 15 war, Du wirst dem Fußball viel Freude bereitet haben". Ende 2002 holte Santos mit Robinho den brasilianischen Meistertitel: erstmals nach 34 Jahren. Erstmals seit Pelé.

Auch wegen all dieser Geschichten hat Robinhos erster Trainer, Emerson Leão, dem Hochbegabten aus São Vicente (Bundesstaat São Paulo) das Trikot mit der Nummer 7 überreicht - und nicht etwa das Leibchen mit Pelés Nummer 10. Dass Leão Robinho verboten hat, orangene Stiefel zu tragen, dürfte in der Furcht begründet gewesen sein, er könne andernfalls abheben. Mittlerweile ist Leão von Vanderlei Luxemburgo ersetzt worden - Robinho kleidet seine Füße in Gold.

Fußballerische Wandlung

Auch sein fußballerischer Stil hat eine Wandlung erfahren, "er ist viel zielgerichteter als früher", sagt der Technische Koordinator der Nationalelf, Mário Zagallo. In 154 Spielen mit dem FC Santos erzielte Robinho 54 Tore; in diesem Jahr weist er einen Schnitt von 0,5 Toren pro Partie auf - und ist mit 17 Treffern der zweitbeste Schütze der Meisterschaft.

Offenbar hat Robinho den Hinweis Pelés beherzigt, größeres Kapital aus seiner Begabung zu schlagen - und sich auf höchstens zwei Ballberührungen zu beschränken: stoppen - und spielen. Gesünder dürfte das für ihn sein: Die Übersteiger und Finten bringen zwar, wie am Sonntag bei Brasiliens 3:1 gegen Bolivien, das Publikum in Begeisterung - Robinho selbst aber auch schon mal Probleme ein: Als er einen Torwart etwas zu aufreizend überlupfte, drohte ihm der Keeper Prügel an. Robinho wiegt 60 Kilo.

Nicht nur um der Selbstverteidigung willen soll Robinhos Körper aufgepäppelt werden (offenkundig auch unter Einsatz des Eiweißkonzentrats Kreatin): Er soll für Europa in Schuss gebracht werden. Zwar hat der Klub den Vertrag Robinhos bis 2007 verlängert. Die ersten Interessenten aus Europa haben aber schon aufgemerkt. Inter Mailand, Juventus Turin, der FC Barcelona und auch der FC Bayern haben Späher nach Brasilien geschickt, um den Jungen zu beobachten, der am Rande der Slums in Santos aufwuchs.

Robinhos Vater Gilvan, der die Familie als Klempner durchbrachte, soll sich bereits erkundigt haben, welche Dokumente für eine Arbeitserlaubnis in Europa beigebracht werden müssen. "Ich habe schon Angebote über 15 Millionen Dollar abgelehnt", tönt Marcelo Teixeira, Santos Präsident. Teixeira spekuliert darauf, dass der Marktwert steigt. Die Chancen darauf stehen wohl einigermaßen gut, zumindest den Respekt der Seleção-Größen hat Robinho sicher: Bei einem Benefizspiel in der Schweiz nahm ihn Ronaldo zur Seite und sagte ihm: "Tunnel' den mal - ich will den in Madrid aufziehen." Ronaldos Finger zeigte auf Zidane.

© SZ vom 9.9.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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