Der Abschied von Mehmet Scholl:Kein Pass durch Ronaldinhos O-Beine

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Mehmet Scholl hat sein Abschiedsspiel verloren, aber immerhin unverletzt das Leben nach dem Fußball erreicht. Die 69.000 Gäste seiner Party sangen: "Ohne Mehmet ist hier gar nichts los".

Andreas Burkert

Mehmet Scholl hat es zunächst so gehalten wie in all den Jahren, in denen ihm die Menschen für seinen Geschmack wohl eher zusetzten mit ihrer Bewunderung für einen mit viel Talent und Esprit gesegneten Fußballspieler: Er ging. Nach 53 Spielminuten und einigen Verbeugungen auf seiner beifallumrauschten Ehrenrunde ließ er sich die Klappe zum Kabinengang der Münchner Arena öffnen, er stieg die Treppen hinab und war erstmal fort.

"Ohne Mehmet ist hier gar nichts los", sangen die 69.000 Gäste seines am Ende allzu sommerlichen Abschiedsspiels, und wären sie nicht alle seinetwegen gekommen - Scholl wäre sicherlich fort geblieben. Doch kurz vor dem einzigen Höhepunkt der Partie, dem Siegtor des FC Barcelona durch Lionel Messi, kam er noch einmal zurück. In Lederhosen.

Ehrenrunde auch für Makaay

Als sich die 69.000 im ausverkauften Haus das erste Mal von ihren Sitzen erhoben hatten, befand sich der Rekordbayer Scholl (achtmal Meister, 15 Titel insgesamt) noch im Kabinengang; an der Hand seinen Sohn, wartend auf den Einmarsch zu einem allerletzten Kick.

Draußen hatten sie derweil einem guten Bekannten das Mikrophon in die Hand gedrückt, doch Roy Makaay musste vertröstet werden. Der Jubel über seine Anwesenheit war einfach zu laut. Dem Kaufrausch des Vorstandes, der nun an der Seitenlinie mit Blumen und ein paar heftigen Umarmungen auf ihn wartete, war der holländische Stürmer ja zum Opfer gefallen, und seitdem hatte es keine Gelegenheit mehr gegeben zur angemessenen Verabschiedung.

Makaay indes ist ein gut erzogener Mensch und entbot ohne Nachkartens und äußerst sentimental seine Abschiedsgrüße ("es tut verdammt weh, München zu verlassen") - ehe er für Sekunden in den Armen des jetzt schon erheblich gerührten Klubmanagers Hoeneß verschwand. Danach absolvierte Makaay die erste Ehrenrunde des Abends und lenkte somit zumindest für ein paar Minütchen von der Inszenierung aus motorisierten Figuren, Feuerschluckern und grellem Klangbrei ab.

Diese sinnfreie Choreografie hatte sich der Hauptdarsteller des Abends sicher kaum selbst ausgedacht, Mehmet Scholl, 36, steht ja mehr auf Indierock. Aber der kam durchaus ebenfalls zu seinem Recht (Hidden Cameras und die obligatorischen Sportfreunde Stiller); auch den Freund Willy Astor konnte Scholl nach dessen Vortrag vor Spielbeginn persönlich begrüßen (den bayrischen Barden kennt er gut, seitdem die beiden ihre Wohnimmobilie getauscht haben).

Spaßbremse Zambrotta

Was dann das Match mit Barca bringen sollte, hatte sich schon im manischen Blick von Oliver Kahn angekündigt. Ernst und angespannt wie vor einem Champions-League-Halbfinale ging er die vermeintliche Feier an, und mit dieser Haltung zählte er leider zur Majorität.

Wer jedenfalls ein munteres Spielchen mit Pirouetten, Hackentricks und großem Gelächter nach Beinschüssen durch die O-Beine von Ronaldinho gerechnet hatte - der wartete 90 Minuten vergebens. Niemand wollte sich hier blamieren, und schließlich lockte ja draußen an der Linie der grandiose Hauptpreis: der Franz Beckenbauer Cup.

Die riesige Silbervase, zu Ehren des vereinseigenen Fußballkaisers das erste Mal ausgespielt, dürfte den Europacup noch um ein paar Zentimeter überragen - und so ein toller Staubfänger macht eben ehrgeizig.

Die größte Spaßbremse gab der italienische Weltmeister Zambrotta, der sich nach einer halben Stunde ein hitziges Laufduell an der Grundlinie lieferte; dabei wären die ausgefahrenen Ellenbogen gar nicht nötig gewesen, denn an seiner Schulter zupfte ja nur der federleichte Frühpensionär Scholl (der allerdings einmal über sich gesagt hat: "Mein Körper besteht aus 68 Kilogramm stahlharter Erotik").

Beckenbauers Supervase und etwas Konfettiregen

Doch Scholl hat, und das ist ganz fürchterlich nett von seinen Fasern und Sehnen gewesen, unverletzt sein Leben nach dem Fußball erreicht. Er hat natürlich noch einmal gelitten; wegen des lästigen Sauerstoffs, der ihm neuerdings in den Sprints abhanden kommt, weil er jetzt eben noch mehr ausgeht als früher schon (und erst Sonntag ins Training eingestiegen war); und auch noch einmal wegen Kollegen wie Lúcio, der einen allerletzten genialischen Querpass von Scholl verschmähte und nicht zur Führung nutzte (26.); Scholl zeigte außerdem ein paar brauchbare Flanken und spazierte ansonsten vergnügt über den Rasen; er hoffte vielleicht auf eine freundliche Geste des Schicksals wie im Mai, als ihm im letzten Bundesligaspiel gegen Mainz (5:2) sein 98. Tor gelungen war.

Doch Barcelona ließ das auch nicht zu, ihre Saison in Spanien startet in zehn Tagen; für sie war das Spiel ein ernsthafter Test, wie der Einsatz aller Weltspieler belegte. Auch Deco und Messi kamen nach der Pause noch (wie bei den Bayern der zuletzt leicht blessierte Klose), und der kleine Argentinier verhinderte mit perfektem Volleyschuss zum 0:1 (85.) das Elfmeterschießen. Zur Belohnung gab's: Beckenbauers Supervase und etwas Konfettiregen.

Mehmet Scholl ging derweil noch einmal rund durchs Stadion, in Lederhosen und auch etwas gerührt. "Die Spiele und die Menschen werden mir fehlen", sagte er noch, und dann war er fort. In der Reithalle begann seine Party.

© SZ vom 16.08.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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