Das neue T-Mobile-Team:Rosa Parolen aus der Tiefe

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24 Fahrer und Jan Ullrich haben nur noch ein Ziel im Kopf: den Sieg bei der Tour de France. Bei der offiziellen Präsentation auf Mallorca wurde nicht mehr tief gestapelt, sondern ganz hoch gepokert.

Von Eike Schrimm

Eigentlich ist schon alles gesagt worden, immer und immer wieder: Ein neuer, Radrenn-begeisterter Jan Ullrich sei zurück bei seiner T-Familie, Walter Godefroot regiere über das stärkste Team, das es auf dem Papier gibt, Erik Zabel fahre lieber mit Ullrich als gegen ihn, und Alexander Winokurow wolle einfach nur Rennen gewinnen.

Jan Ullrich (Foto: Foto: sueddeutsche.de)

Obwohl also vorher schon alles klar war, sind 200 Journalisten in eine Boing 737 gestiegen, um sich das T-Mobile-Team offiziell präsentieren zu lassen. Es gab im vergangenen Jahr schon einmal einen Versuch, der Presse die 25 Fahrer vorzustellen, aber der Termin musste sehr kurzfristig umorganisiert werden, weil sich die neue Nummer 1 von T-Mobile noch nicht unters Volk traute.

Immerhin lief Ullrichs Vertrag mit Bianchi bis Ende 2003, und da wollte er lieber kein Risiko eingehen. Wer weiß, welche Vertragsstrafen auf ihn zugekommen wären, wenn er damals schon die Werbetrommel für seinen neuen Arbeitgeber gerührt hätte. Also wurde dieser Termin einfach ins neue Jahr verschoben. Sicher ist sicher.

Und um nochmals die Presse anzulocken, hat sich T-Mobile ein Spektakel der besonderen Art ausgedacht: Nicht irgendwo in Köln oder um Köln herum, sondern ein stillgelegter Steinbruch auf Mallorca musste es nun sein. Nichts Besonderes von außen, eine große unbefestigte Grube mit breiter Zufahrt, auf der früher schwere LKWs die Last davon schleppten.

Aber dort, wo die Arbeiter mal den Stein aus dem Berg gehauen haben, ist eine unterirdische riesige Höhle entstanden. Dort hat ein cleverer Wirt Innenarchitekten und Designer kommen lassen und den Raum ohne Tageslicht in einen angesagten Trend-Treff umgewandelt: mit Restaurant, noch tiefer gelegterer Bar und Tanzfläche.

René Obermann, T-Mobile-Vorstand, war begeistert von diesem symbolträchtigen Ort der "harten Arbeit".

Denn auch das T-Mobile-Team hat harte Arbeit vor sich. Nichts geringeres als der Sieg bei der Tour de France soll es 2004 sein, am besten mit zwei eigenen Fahrern auf dem Siegertreppchen.

In diesem Jahr wird also nicht tief gestapelt, es wird nicht nur von guten Platzierungen oder Etappen-siegen geredet. Nein, der ganz große Erfolg soll erfahren werden. Und den Fahrern scheint dieser Druck nichts auszumachen.

Jan Ullrich spricht von "motivierend", wenn es um die hohen Ansprüche geht, die seine Chefs und auch seine Fans an ihn stellen. Erik Zabel sagt sogar, dass er seine Motivation zügeln müsse, sonst würde er ohne Unterlass in die Pedale treten.

Und auch Alexander Winokurow will seinen dritten Platz bei der vergangenen Tour de France toppen: "Ich hoffe, ich bin dieses Jahr besser."

T-Mobile hat viel Geld angefasst, um in diesem Jahr richtig groß herauszukommen. "Wir wollen unsere Marke bekannt machen und der Radsport ist ein gutes Mittel dazu", gibt Obermann ohne Umschweife zu.

Und um die Besten zu sein, hat T-Mobile nicht nur Jan Ullrich zurückgekauft, sondern auch gleich vier ihm Vertraute mit ins Team geholt.

Die Fahrer Tobias Steinhauser und André Korff, Bruder Stefan als Mechaniker und Physiotherapeutin Birgit Krohme sind nun auch Angestellte bei T-Mobile und sollen Ullrich das Renn-Leben so angenehm wie möglich machen.

Nur Rudy Pevenage hat keinen Platz gefunden. Über ihn wird nicht geredet an diesem Prunk-Tag. Er ist nur noch der persönliche Berater von Jan Ullrich, eine andere Funktion oder ein anderer Titel sind für ihn bei dem Deal zwischen Ullrich und T-Mobile nicht herausgesprungen.

Keiner weiß also, wo er während der Tour sitzen wird. Bislang ist Jan Ullrich noch nie ohne ihn gestartet, bislang war Pevenage immer der sportliche Leiter, der seinem Schützling Kommandos, Strategien oder Trost ins Ohr geflüstert hat. "Ich hoffe, dass er da ist, wenn ich ihn brauche", bangt Ullrich.

Dieser Satz passt nicht zu den anderen Standard-Sätzen, die das gesamte Team während der Präsentation drauf hat. Selbst dem elfjährigen Sohn von Erik Zabel hat man einen flapsigen Satz in den Mund gelegt, um für die neue Verkehrssichheits-Kampagne von T-Mobile zu werben: "So wie ich Rad fahre, ist es besser, wenn ich immer einen Helm trage."

Dafür bekommt er einen neuen T-Mobile-Helm geschenkt, den er brav aufsetzt, aber am Ende der Veranstaltung links liegen lässt.

Ist diese kleine Szene vielleicht beispielhaft für die scheinbar familiäre Geschlossenheit, die das T-Mobile-Team zur Schau stellt? Warum betet Jan Ullrich immer wieder die Wandlung vom alten und neuen Ich herunter?

Er hat doch bereits im vergangenen Jahr bewiesen, dass er wieder ganz vorne mitfährt. Wo schon alles funktioniert, muss doch nichts mehr beschworen werden. Spätestens Ende Juli wird die Welt wissen, wie gut die Standard-Formeln in der Realität aufgehen.

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