Darmstadt verliert 1:6:Eklig Spalier stehen

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Der Anfang vom Ende: Das 0:1 beim 1:6 der Darmstädter gegen Köln besorgt Verteidger Aytac Sulu (rechts) mit einem Eigentor. (Foto: Matthias Hangst/Getty Images)

Der Tabellenletzte wirkt beim Debakel gegen Köln hilflos, es fehlt an Zusammenhalt, auch die Zugänge scheinen nicht zu helfen. Der neue Trainer Torsten Frings will nach der Niederlage noch mal von vorne anfangen.

Von Tobias Schächter, Darmstadt

Die Logik von Torsten Frings war nicht besonders bestechend. Folgt man der Analyse des Darmstädter Trainers, hat sich die Ausgangslage seiner Mannschaft nach dem 1:6 (0:3)-Debakel zum Rückrundenauftakt gegen den 1. FC Köln "nicht verändert". Die Logik ging so: "Wir wären auch mit einem Sieg Achtzehnter geblieben", sagte der ehemalige Nationalspieler. Er ignorierte dabei die Tatsache, dass durch die Niederlage der Abstand auf Relegationsplatz 16 sechs Punkte gewachsen ist.

Ansonsten sagte Frings nach seinem zweiten Spiel als Cheftrainer der Lilien Sätze wie diese: "Wir dürfen den Glauben nicht verlieren, es doch noch schaffen zu können." Oder: "Jetzt müssen wir versuchen, von vorne anzufangen und weiter arbeiten." Was soll Frings auch sagen, ohne den Eindruck zu erwecken, seine Mannschaft schon aufgegeben zu haben? Es hatte ja in den 90 Minuten vorher so ausgesehen, als hätte sie sich selbst schon aufgegeben.

"Wenn wir uns noch einmal so präsentieren, dann sieht es düster aus"

Die Spieler wollten hinterher nichts schönreden. Kapitän Aytac Sulu sagte: "So darf man sich nicht einmal in einem Testspiel präsentieren." Und Torwart Michael Esser wusste: "Wenn wir uns noch einmal so präsentieren, dann sieht es düster aus." Dabei stimmte sogar, dass Frings sagte, seine Elf habe in der ersten halben Stunde vieles richtig gemacht. Nur: Mittelfeldspieler Jerome Gondorf verpasste es, in der 24. Minute freistehend die Führung zu erzielen. "Wenn wir in Front gehen, wird das ein ganz anderes Spiel", ärgerte sich Sulu, der nur acht Minuten später mit einem Eigentor die Niederlage einleitete. Bis zum Pausenpfiff kassierten die Lilien im Fünf-Minuten-Takt zwei weitere Treffer durch Yuya Osako und Anthony Modeste. Durch das 0:1 habe seine Mannschaft "den Zusammenhalt und die Stabilität in der Defensive verloren", klagte Frings: "Wir sind nach dieser Vorrunde als Mannschaft noch nicht so gefestigt, so einen Nackenschlag wegzustecken."

Die demoralisierende Niederlage bedeutete das elfte sieglose Pflichtspiel in Serie für die Hessen. Und auch dass Sidney Sam nach 601 Minuten ohne Torerfolg wenigstens per Elfmeter zum zwischenzeitlichen 1:3 (66.) getroffen hatte, bedeutete weder Trost noch wirklich Aufbauhilfe. Die Harmlosigkeit der Darmstädter im Spiel nach vorne ist das große Handicap, seit Sandro Wagner im Sommer nach Hoffenheim gewechselt ist. Auch der diese Woche aus Leipzig geholte Stürmer Terence Boyd erweckte bei seinem Debüt nicht den Eindruck, dieser Elf beim Toreschießen weiterhelfen zu können. Doch noch viel bitterer ist, wie die Lilien ihre einstige Stärke - die Kompaktheit in der Defensive - verloren haben. Auch bei den drei Gegentoren in Halbzeit zwei (Osako, 72.; Milo Jojic, 85.; Artjoms Rudnevs 88.) standen die Darmstädter Profis passiv Spalier.

Torsten Frings wirkt im Umgang mit einem wechselwilligen Spieler unprofessionell

Nach dem Aufstieg in die erste Liga im Sommer 2015 erweiterte der damalige Lilien-Trainer Dirk Schuster den Sprachschatz der Bundesliga mit dem Satz: "Wir wollen eine eklige Mannschaft sein." Mittlerweile reklamieren diese als Auszeichnung gemeinte Widerstandsfähigkeit viele andere Teams für sich - gegen die Lilien allerdings ist es mittlerweile eher eine Freude zu spielen: Keine Mannschaft hat weniger Tore erzielt (zwölf), und keine hat mehr bekommen (36). Für Frings, 40, ist das Engagement in Darmstadt sein allererstes als Cheftrainer. Niemand vermag seriös zu sagen, wie Frings bei anhaltender Flaute reagieren wird.

Dass es ihm noch an Erfahrung fehlt, zeigte seine Ausbootung des Defensivallrounders Florian Jungwirth. Mit Jungwirth sei abgesprochen, dass er in die USA wechseln könne, wenn der Klub Ersatz bekomme, erklärte Frings. Dann klagte er, Jungwirth habe unter der Woche so trainiert wie einer, der in die USA wechseln wolle. Das gehe überhaupt nicht, so der Trainer, um dann ungeschickt fortzufahren: "Wir können uns nicht schlechter machen, als wir ohnehin sind, nur weil einer sich einen Traum erfüllen will."

Erfüllte Träume, so sah es am Samstag aus, dürften zunächst die Ausnahme bleiben in Darmstadt. Für Torsten Frings und die Lilien könnte diese Rückrunde ziemlich eklig werden.

© SZ vom 29.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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