Contra: Deutsche Abwehrschwäche:Blub, blub, abgesoffen im Marianengraben

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Abgrundtief schlecht hat unsere Abwehr gestern gespielt. Mit solchen Trägheitstypen gibt es gar nichts zu gewinnen. Wer anderes behauptet, ist ein Schönfärber und Phantast.

Bernd Oswald

Es war ja nur ein Vorbereitungsspiel. Die anderen Nationen waren auch schlecht. Die deutsche Mannschaft ist noch jung. Die Verteidiger müssen sich noch einspielen. Blub blub blub. Zum Teufel mit den ganzen Relativierungen und Ausreden! Die bittere und ganz offenkundige Wahrheit ist: Die deutsche Abwehr ist im Moment so schlecht, dass man gar bitterlich weinen muss.

Mühelos durchschnitten die japanischen Pässe die DFB-Innenverteidigung. Ein ums andere Mal tauchten die Stürmer Yanagisawa und Takahara frei vor Torsteher Lehmann auf, der oft Schlimmeres verhinderte. Mit den beiden Gegentoren waren wir noch gut bedient.

Den deutschen Abwehrspielern fehlt die geistige Frische. Sie haben es nicht drauf, das Spiel zu lesen, werden oft überrascht von Pässen und Laufwegen der gegnerischen Offensiv-Akteure. Selten war dies so offensichtlich wie gestern.

Es ist dabei völlig gleichgültig, welche der vier Innenverteidiger das deutsche Abwehrzentrum bilden. Vor allem Mertesacker und Huth sind noch ziemlich grün hinter den Ohren, Christoph Metzelder ist meilenweit von der Souveränität entfernt, die er bei seiner grandiosen WM 2002 ausstrahlte. Deswegen hat Jürgen Klinsmann den Routinier Jens Nowotny in letzter Minute in den WM-Kader geholt. An ihm sollen sich die jüngeren Abwehrkollegen aufrichten können. Das ging ganz gründlich in die Hose.

Sturm kann Abwehrschwächen nicht kompensieren

Gestern kam Nowotny in der 55. Minute für Metzelder. Zwei Minuten später entwischte ihm Stürmer Takahara und vollendete. Dieser Moment ist sehr schön im Bild festgehalten und die Kollegen von der SZ schrieben darunter: "Jens Nowotny hat für dieses Tor den besten Stehplatz im Stadion." Schon zu seiner Glanzzeit war er nicht der Allerschnellste. Jetzt ist der Mann 32 und hat das Antrittsvermögen eines Güterzuges.

Ein guter Sturm gewinnt Spiele, eine gute Abwehr Titel, heißt es. Wenn da was dran ist, dann sind die deutschen Nationalfußballer so weit vom WM-Titel entfernt, wie der Marianengraben vom Gipfel des Mount Everest.

Nichts gegen unsere Stürmer, aber so viele Tore, wie unsere Abwehr zulässt, können die bei der WM kaum schießen. Schon gar nicht gegen eine wirklich gute Abwehr. Und gestern ging es nur gegen Japan. Ja: NUR gegen Japan. Bei der WM sind weitaus stärkere Offensivreihen am Start.

Das alles ist kein Grund, wütend zu werden. Es gibt eben derzeit keine besseren Verteidiger im Lande. Nur soll dann keiner schwachsinnig vom vierten deutschen WM-Triumph faseln.

Übrigens darf mich die Nationalmannschaft gerne und mit großer Genugtuung verspotten, falls sie mich bei der WM eines Besseren belehren sollte. Ich glaub nur nicht dran. Aber wenn ich so ein bisschen zur Motivation beigetragen habe, wäre das ja nicht das Schlechteste.

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