Chronologie:Doping, Vertuschung, positive Tests

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Die jüngsten Enthüllungen über den russischen Spitzensport im Überblick.

3. Dezember 2014: Alles beginnt mit dem Dokumentarfilm "Geheimsache Doping - Wie Russland seine Sieger macht". Das Image des russischen Sports wird durch Enthüllungen der ARD über systematisches Doping, Vertuschung von Kontrollen und Korruption auf schockierende Weise beschädigt. Der Film zeigt geheime Aufzeichnungen mit Hinweisen auf staatlich unterstütztes Doping sowie einen offenbar im Hintergrund wirkenden Betrugs- und Vertuschungsapparat. Sogar die Spitze des Leichtathletik-Weltverbandes mit dem Präsidenten Lamine Diack ist involviert.

16. Dezember: Die Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) setzt eine Aufklärungs-Kommission ein. Ihr früherer Chef Richard W. Pound führt das Gremium an, unterstützt von Richard McLaren und dem deutschen Kriminalbeamten Günter Younger.

16. Juli 2015: Aufgrund von Doping-Ermittlungen zieht der russische Leichtathletik-Verband vorläufig sein komplettes Geher-Team von internationalen Wettkämpfen zurück.

4. November: Diack wird Bestechlichkeit und Geldwäsche vorgeworfen. Die französische Justiz erhebt Anklage gegen den 82-Jährigen, der mehr als eine Million Euro für die Vertuschung positiver Doping-Proben kassiert haben soll.

9. November: Die unabhängige Wada-Kommission legt ihren ersten Bericht vor, der ein Schreckensbild der Doping-Praktiken in der russischen Leichtathletik zeigt. Die Kommission empfiehlt, Russland aus der IAAF auszuschließen.

10. November: Die Wada entzieht dem Doping-Kontrolllabor in Moskau vorläufig die Akkreditierung. Das Internationale Olympische Komitee suspendiert das IOC-Ehrenmitglied Lamine Diack.

13. November: Die IAAF suspendiert den gesamtrussischen Leichtathletik-Verband Araf angesichts der gravierenden Dopingvorwürfe.

Der kanadische Jurist Richard McLaren erstellte den Bericht

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(Foto: Fabrice Coffrini/AFP)

Richard McLaren ist ein Rechtsprofessor aus der kanadischen Provinz Ontario. Er besitzt den Order of Canada, die höchste Auszeichnung für Zivilpersonen in seinem Heimatland, er reist gerne und interessiert sich für Sport. Insofern dürfte er in den vergangenen Monaten ein zufriedener Mensch gewesen sein, denn McLaren reiste quer über den Globus, um der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) bei der Lösung von kniffligen Fällen zu helfen: Erst gehörte er der Kommission an, die das flächendeckende Dopingsystem in der russischen Leichtathletik aufgedeckt hat. Dann wurde ihm die Federführung bei den Anschuldigungen über womöglich manipulierte Dopingproben russischer Sportler bei den Winterspielen 2014 übertragen. McLaren drängt nicht ins Rampenlicht, er ist eher ein leiser Kämpfer gegen Doping im Sport, aber ein sehr erfahrener. Zuvor arbeitete er am Mitchell-Report mit, der ein flächendeckendes Dopingproblem in der amerikanischen Baseball-Profiliga MLB offenlegte, und engagierte sich im Anti-Doping-Kampf in weiteren Sportarten. Seine jahrelange Erfahrung könnte jedoch auch Risiken für die Welt-Anti-Doping-Agentur bergen: Die Wada betonte nämlich stets, dass sie mit einer unabhängigen Kommission gegen Russlands Sportler ermittle. So ganz unabhängig dürfte McLaren als jahrelanger Wada-Zuarbeiter aber nun auch wieder nicht sein. Außerdem wurde er von der Wada für die Untersuchung bezahlt, die Agentur überwacht sie zudem. Die Sprengkraft von McLarens Urteil mindert das zwar nicht, ein paar unangenehme Fragen zu ihrem großen Aufklärer könnten aber durchaus noch auf die Wada zukommen. (Foto: AFP)

Der zentrale Kronzeuge: Grigori Rodschenkow

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(Foto: Valeriy Melnikov/dpa)

Für manche ist er ein Aufklärer, für andere ein Verräter: Der promovierte Chemiker Grigori Rodschenkow gilt als einer der größten russischen Spezialisten in Sachen Doping. Neun Jahre, von 2006 bis 2015, leitete er Moskaus Anti-Doping-Labor. Zugleich steuerte er nach eigenem Bekenntnis ein verdecktes Programm zur verbotenen chemischen Leistungssteigerung bei russischen Sportlern. In seiner Jugend war der am 24. Oktober 1958 in Moskau geborene Rodschenkow selbst Leichtathlet. Nach dem Chemiestudium begann er 1985 im Moskauer Anti-Doping-Zentrum zu arbeiten. Er wechselte später zu privaten Computer- und Energiefirmen, kehrte aber 2006 zurück. Als Rodschenkows Schwester Marina, dreimalige Weltmeisterin im Cross- und Straßenlauf, 2013 wegen des Verkaufs von Dopingmitteln zu einer eineinhalbjährigen Bewährungsstrafe verurteilt wurde, bangte der Bruder um den Job. Doch die Behörden rührten ihn überraschend nicht an. Rodschenkow vermutet, er sei mit Blick auf seine Schlüsselrolle bei den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi verschont worden. Als die Welt-Anti-Doping-Agentur im November 2015 Rodschenkow vorwarf, mehr als 1400 Proben vernichtet zu haben, musste er seinen Posten als Laborleiter räumen. Im Januar 2016 reiste er nach Los Angeles aus - angeblich, weil er in Russland um sein Leben fürchtete. Im Mai dieses Jahres sprach er mit der New York Times. Rodschenkow behauptete, dass er in Sotschi positive Dopingproben russischer Athleten zusammen mit der Anti-Doping-Agentur Rusada sowie dem Geheimdienst auf Anordnung vom Staat vertuscht habe. 15 der russischen Medaillengewinner in Sotschi seien gedopt gewesen. (Foto: dpa)

18. November: Die Wada suspendiert Russlands Anti-Doping-Agentur Rusada, weil sie Regeln nicht eingehalten hat.

7. Januar 2016: Die Ethikkommission der IAAF sperrt den Sohn von Ex-Präsident Diack, Papa Massata, den ehemaligen IAAF-Schatzmeister Walentin Balachnitschjow und Russlands Ex-Cheftrainer Alexej Melnikow lebenslang. Der frühere Anti-Doping-Chef Gabriel Dollé wird für fünf Jahre gesperrt.

14. Januar: Bei der Präsentation des zweiten Berichts wirft die Wada-Kommission der IAAF "ein komplettes Versagen im Kampf gegen Doping und Korruption" vor. Hauptverantwortlicher für die "Organisation und Ermöglichung der Verschwörung" sei der frühere IAAF-Präsident Diack.

6. März: Das angeblich große Reinemachen in der russischen Leichtathletik wird durch neue Vorwürfe erschüttert. Eine neue TV-Dokumentation präsentiert im WDR Belege für Verstöße von Russlands Leichtathletik gegen Auflagen vom Weltverband IAAF und der Wada.

7. März: Die russische Tennisspielerin Maria Scharapowa ist bei den Australian Open im Januar positiv auf Meldonium getestet worden. Das gibt sie selbst bekannt. Bis Mitte April verzeichnet die Wada mehr als 170 Positiv-Tests auf Meldonium, das erst seit Jahresanfang auf der Liste der verbotenen Mittel steht. Da unklar ist, wie lange Meldonium nachweisbar ist, lockert die Wada ihre Richtlinien.

12. Mai: Der ehemalige Leiter des Moskauer Anti-Doping-Labors, Gregori Rodschenkow, sagt der New York Times, dass er in Sotschi positive Dopingproben russischer Athleten mit der Rusada sowie dem Geheimdienst auf Anordnung vom Staat vertuscht habe. 15 russische Medaillengewinner von Sotschi seien gedopt gewesen. US-Justiz, das IOC und die Wada ermitteln.

17. Mai: Bei Nachkontrollen zu den Olympischen Sommerspielen 2008 in Peking werden 31 Sportler positiv getestet. Darunter sollen 14 russische Sportler sein, auch zehn Medaillengewinner. Gleichzeitig setzt die Wada eine Untersuchungskommission wegen der Sotschi-Vorwürfe ein.

Die russische Tennisspielerin Maria Scharapowa ist bei den Australian Open im Januar positiv auf Meldonium getestet worden. (Foto: Mike Nelson/dpa)

27. Mai: Bei Nachkontrollen zu den Sommerspielen 2012 in London sind 23 Sportler positiv getestet worden. Hinzu kommt eine weitere positive Probe von 2008. Acht russische Sportler sind betroffen.

8. Juni: Zwei Jahre Sperre für Maria Scharapowa.

15. Juni: Die Wada erhebt erneut schwere Vorwürfe: Zwischen dem 15. Februar und 29. Mai sollen 736 geplante Kontrollen nicht durchgeführt worden sein. Kontrolleure seien in Russland von Athleten massiv behindert und von Beamten des russischen Geheimdienstes FSB eingeschüchtert worden.

17. Juni: Einstimmig bestätigt das Council der IAAF die Sperre für russische Leichtathleten. Damit dürfen sie bei den Olympischen Spielen in Rio nicht starten. Es gibt jedoch einen Kompromiss: Einzelne Athleten können unter neutraler Flagge teilnehmen, sofern sie nicht im russischen Doping-System involviert sind.

3. Juli: Russland legt Einspruch gegen den Olympia-Ausschluss vor dem Internationalen Sportgerichtshof (Cas) ein.

11. Juli: Der Cas verschiebt ein Urteil im Fall Maria Scharapowa auf September.

Sie verpasst damit Olympia in Rio.

18. Juli: Die Wada legt ihren Ermittlungsbericht zu den Anschuldigungen rund um die Winterspiele in Sotschi vor.

bis 21. Juli: Der CAS will über den Einspruch gegen den Ausschluss russischer Leichtathleten in Rio entscheiden.

© SZ vom 19.07.2016 / dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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