Chelsea-Trainer vor dem Aus:Mourinho verstummt wegen Klopp

Lesezeit: 3 min

Chelsea-Trainer José Mourinho winkt Fans der Blues nach der Niederlage gegen Liverpool. Zum Abschied? (Foto: AP)
  • Jürgen Klopp feiert mit Liverpool seinen ersten Sieg in der Premier League.
  • José Mourinho muss nach der 1:3-Niederlage um seinen Trainerposten fürchten, will das aber nicht wahrhaben.
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Von Sven Haist, London

Allein und hilflos stand José Mourinho an der Seitenlinie. Auf seinen Schultern lastete die Titelsucht des FC Chelsea, während um ihn herum das Chaos tobte. Mit dem Schlusspfiff verschwand der Trainer der Blues im nicht sichtbaren Bereich der Stamford Bridge. Mourinho konnte also nicht sehen, wie sein Spieler Willian sich mit der Hand mehrmals durchs Gesicht wischte und Kurt Zouma auf dem Boden niedersank. Der Blick des Kapitäns John Terry richtete sich ins Nichts. Die fußballerischen Krieger des FC Chelsea waren erledigt worden.

Die Fans des FC Liverpool sangen, dass Mourinho nicht mehr speziell sei. Aus The Special One wurde The Three One! Weil Chelsea mit 1:3 gegen Liverpool verloren hatte. Philippe Coutinho und Christian Benteke drehten das Resultat nach dem Rückstand durch Ramires, was Chelsea mit elf Punkten auf Rang 15 in der Tabelle festbetoniert.

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Bayern-Gegner Arsenal gewinnt gegen Swansea City, aber nicht die Tabellenführung. Manchester United verpasst nach einem mauen 0:0 den Anschluss. Juve-Spieler Khedira wird verletzt ausgewechselt.

"Ich habe nichts zu sagen", erklärte Mourinho - und wiederholte das gleich elf Mal vor den laufenden Kameras von BT Sport. Haben Sie etwas über das Spiel zu sagen? "I've nothing to say." Über die Situation von Chelsea? "Nothing." Über einzelne Spieler? "No." Über Sorgen um Ihren Job? "I've nothing to say." Und so bleibt die Frage, wie lange er überhaupt noch irgendwas zu sagen haben wird beim FC Chelsea.

Schon einmal hat Klopp ihn gedemütigt, damals bei Real

Der erste Premier-League-Erfolg von Jürgen Klopp als Trainer des FC Liverpool entpuppte sich als neuer sportlicher Tiefpunkt für Mourinho. Vor zweieinhalb Jahren richtete Klopp, seinerzeit im Dienst von Borussia Dortmund, das Real Madrid seines Gegenübers zugrunde. Bis in die Gegenwart ist das 1:4 die höchste Niederlage des Portugiesen in der Champions League. Für den streitbaren Übungsleiter war es das Ende, er zog nach der Saison von der spanischen Hauptstadt weiter in die englische.

Nach dem peinlichen Aus im Ligapokal am vergangenen Mittwoch bei Stoke City prognostizierte die Sun für den Fall eines erneuten Misserfolgs: No Mour Chances. In seiner zwölfjährigen Amtszeit hat Eigentümer Roman Abramowitsch bei Chelsea sieben Trainer entlassen, eine Kündigung Mourinhos würde nun eine zweistellige Millionensumme an Abfindung nach sich ziehen. Im Stadion hinterließ der russische Öl-Milliardär keine Spur, dafür sagte Mourinho: "Ich denke nicht, dass das mein letztes Spiel war." Bei seinem zweiten Amtsantritt im Sommer 2013 sprach der 52-Jährige von einer Langzeit-Philosophie, aber weiß er überhaupt, wie so eine aussieht? Spätestens nach drei Jahren war für ihn bislang immer Schluss.

Statistisch ist es die sechste Pleite für die Blues in der noch jungen Saison, eine mehr, als der Verein in der Meisterspielzeit 2005/2006 unter Mourinho erlitten hatte. Aus dem sowieso schon schlechten Ligastart wird ein immer schlechterer. Das Leid des Trainer-Machiavelli, dessen Grundnahrungsmittel das Siegen ist, kennt keine Grenzen.

Als sich Mourinho mit der Trinkflasche Wasser in den Mund spritzen wollte, verfehlte er das Ziel. "Es gibt Kämpfe, die man nicht gewinnen kann", sagte er. Gemeint waren allerdings die Entscheidungen des Schiedsrichters, von denen er sich benachteiligt fühlte. Seit seiner Ankunft hat er bereits 190.000 Pfund an Strafe gezahlt für sein Benehmen gegenüber den Unparteiischen. Die Tendenz ist steigend, weil die englische Fußballliga einen erneuten Vorfall auf dem Tisch liegen hat. Ein Urteil hat es bislang nicht gegeben, vermutlich weil der Verband auf das Spektakel zwischen Mourinho und Klopp am Seitenrand nicht verzichten wollte. In feiner Montur gekleidet spielte Mourinho den Ehrenmann, der so sanft gestikulierte, als ob er eine Horde Seelöwen dressierte. Sein Gegenüber wählte den Heavy-Metal-Coaching-Style aus; Klopp benahm sich, als wäre er der König der Löwen - und kam ungestraft davon.

Mourinho setzt auf Altbewährtes

Um die Brisanz der Partie für Mourinho zu erahnen, reichte schon ein Blick aufs Personal. Er wandte das Muster seiner Lieblingsschablone an: Loyalität und Kampfgewalt vor ästhetischen Ansprüchen. Also durften die langjährigen Wegbegleiter Ramires und John Obi Mikel das defensive Mittelfeld lenken, seine jungen Zöglinge Oscar und Willian die Außenbahnen verbarrikadieren. Der Plan der maximalen defensiven Absicherung ging eine Halbzeit lang auf, dann hatte ihnen das spielstarke Liverpool jegliche Kraft entzogen. Die vielen Feldzüge Mourinhos gegen Schiedsrichter, Verbände und Medien haben selbst seine treuesten Gefährten mürbe gemacht.

Das Spielermaterial leidet unter dem Verschleiß der Meistersaison, passend dazu gekaufte Ersatzteile hat es im Sommer nicht gegeben. Stattdessen gewährte Mourinho seinem Kader verlängerten Urlaub. Eine Entscheidung, die nun wie ein Bumerang zurückfliegt. Jeweils in den Schlussphasen der Begegnungen verliert Chelsea die Nerven. Und der Spielplan sieht keine Erholungspause vor. Am Mittwoch gastiert Dynamo Kiew schon wieder in der Königsklasse. Bereits einen Tag vorher möchte José Mourinho Brillen an die Medienvertreter verteilen, damit die das Spiel besser sehen können. Dabei ist es Mourinho selbst, der momentan den Durchblick verloren hat.

© SZ vom 01.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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