Champions League:Konforme Fröhlichkeiten

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Der FC Schalke 04 hat sich wieder lieb: Nach dem Einzug ins Champions-League-Achtelfinale umarmen die Schalker Spieler demonstrativ ihre suspendierten Kollegen Rakitic und Krstajic.

Kajo Fritz, Gelsenkirchen

Irgendwann am Montagabend kam ihm die Idee. Er wollte ein Zeichen setzen und aller Welt demonstrieren, dass die Schalker Mannschaft intakt ist. Also kramte Zlatan Bajramovic nach dem Spiel die Trikots hervor, gab sie seinen Mitspielern und die reckten sie den beglückten Schalker Anhängern entgegen. Es war die Arbeitskleidung der kurzfristig suspendierten Mitspieler Mladen Krstajic und Ivan Rakitic, die am frühen Sonntag um 4.30 Uhr zusammen mit dem gesperrten Jermaine Jones in einer Duisburger Disko erwischt wurden. "Dafür haben sie sich bei uns vor dem Spiel in der Kabine entschuldigt, jeder macht mal einen Fehler", sagte Bajramovic, "wir stehen voll hinter ihnen." Kevin Kuranyi, Torschütze zum 3:1, sagte: "Das hat uns vielleicht noch ein bisschen mehr motiviert, für die beiden alles zu geben. Keiner ist fehlerfrei." Wen man auch fragte, die Antwort war identisch: Kann passieren, Schwamm drüber. Es menschelte sehr, und es lag nicht unbedingt an der Nähe zu Weihnachten.

Die Tribünengäste dann doch noch auf dem Rasen: Rafinha (links) und Bajramovic schwenken die Leibchen der suspendierten Krstajic und Rakitic. (Foto: Foto: ddp)

Schalke 04 steht das erste Mal und als einzige deutsche Mannschaft im Kreis der besten 16 europäischen Teams. Und dieses Faktum will so gar nicht zu den üblichen sportlichen Schrullen passen, die sich die Schalker sonst leisten. Bei großen Spielen pflegten sie regelmäßig zu versagen. Wie kein Zweiter Verein vermochte Schalke zuletzt, mit energischen Spurt gegen die Wand zu rennen - das schien königsblaues Kismet. "Aber jetzt haben wir Geschichte geschrieben", sagte der überragende Kuranyi, "das hat noch keine Schalker Mannschaft vor uns geschafft." Man wollte sich gar nicht ausmalen, was passiert wäre, wenn das Team von Trainer Mirko Slomka auch diesmal gepatzt hätte.

Vor allem die Art und Weise des Siegs verblüffte. Drei Tore nach 36 Minuten - so viele Treffer hatte Schalke zuvor in 450 Minuten Champions League insgesamt nicht erzielt. Gerald Asamoah (9. Minute) und Rafinha (19.) sorgen für das frühe 2:0, Yssouf Koné verkürzte kurze Zeit später (23.) für die Gäste. Nur in dieser Phase sah man die alten Schalker Schwächen mit hanebüchenen Abspielfehlern und fehlenden Anspielstationen. Kuranyi (36.) sorgte dann mit seinem feinen Treffer in die linke untere Ecke aber für nachhaltige Beruhigung.

Auch später hatten die Hausherren noch eine Reihe bester Möglichkeiten, was die 53.951 Zuschauer zugleich begeistern und entsetzen ließ, denn nutzen konnten sie keine Chance mehr. Und so hätte der Schiedsrichter nach der Pause eigentlich gar nicht mehr anpfeifen müssen. Rosenborg gab früh auf. "Die Schalker waren heute zu stark für uns", sagte Gäste-Torschütze Koné kurzum, "wir wollten pressen, das ist uns nicht geglückt." Zwölf Millionen Euro zusätzlich kommen nun mit dem größten Erfolg nach dem Uefa-Cup-Sieg 1997 in die Gelsenkirchener Kasse, und es winkt bei der Auslosung am 21. Dezember ein attraktiver Gegner. "Jetzt ist auch noch mehr möglich", sagte Manager Andreas Müller nach dem Spiel, "heute ist ein toller Tag. Vielleicht ist das der Wendepunkt für die ganze Saison."

Zu diese Zeitpunkt schien also schon verdrängt, dass die Partie ganz besondere Vorzeichen hatte. Für Asamoah war es das "Spiel des Jahres", seine Mitspieler Krstajic (Wodka und Zigaretten), Rakitic (Alcopops) und Jones (Longdrinks) sahen es hingegen für gut an, zwei Tage vorher die Nacht durchzufeiern. Zum Einsatz kam deswegen unter anderem Carlos Grossmüller, der am Samstag noch als Auswechselspieler durch den Griff an die Gurgel von Frankfurts Michael Thurk dem Begriff des "Uru-Würgers" Leben einhauchte. Er spielte gut, wenngleich er fünfmal neben das Tor zielte. Und im Sturm wirbelte Kuranyi, zweifelsohne hochklassig, der aber unlängst auch bei einer anderen Disko-Affäre in Kölner Läden verkehrte.

Kurzum: Es mehren sich Anzeichen, dass es um die Disziplin der Mannschaft nicht gut bestellt ist. "Die haben ihre Strafe bekommen, das war richtig", sagte Manager Müller, "damit soll es aber auch gut sein." Sein Trainer Mirko Slomka konnte dem nur zustimmen: "Der Sieg war natürlich auch wichtig, um die Unruhen im Vorfeld so schnell wie möglich vergessen zu machen." Das Thema Feiern wird in Gelsenkirchen wohl dennoch ein sensibler Begriff bleiben. Kapitän Marcelo Bordon jedenfalls bot nach dem Sieg gegen den norwegischen Rekordmeister einen ganz neuen Ansatz für konforme Fröhlichkeiten: "Ich gehe jetzt ins Bett. Es reicht, wenn mein Herz in meiner Brust gerade eine Party feiert."

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