Champions League Halbfinale:Stau im Strafraum

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FC Arsenal hat beim 1:0-Sieg gegen den FC Villarreal große Mühe mit einem störrisch verteidigenden Gegner. Jens Lehmann kassierte im neunten Spiel in der Königsklasse kein Tor.

Während der ersten Halbzeit des Spiels zwischen dem FC Arsenal und FC Villarreal im Londoner Highbury-Stadion sah sich der Schiedsrichter gezwungen, die Partie zu unterbrechen: Ein Flitzer hatte die Barrikaden geentert und lief kreuz und quer übers Spielfeld. Hilflos schauten ihm die Spieler hinterher, und weder die Ordner noch die Polizei griffen ein.

Aber wer wollte ihnen deswegen einen Vorwurf machen? Die Sicherheitskräfte haben zwar gelernt, wilde Fans zu bändigen, aber mit entsprungenen Eichhörnchen kennen sie sich nicht aus. Zum Glück hüpfte es dann aber freiwillig davon, Richtung U-Bahn-Station Finsbury Park, und der Kick konnte weitergehen.

Gut für die Hausherren, denn das weitere Geschehen brachte einigermaßen gute Nachrichten für den Londoner Klub. 1:0 gewannen sie das Hinspiel gegen die spanischen Herausforderer durch ein Tor, das Toure kurz vor der Pause erzielte. Ein Ergebnis, das alle weiteren Hoffnungen zulässt, aber auch einige Befürchtungen eröffnet für das Rückspiel. Jens Lehmann wird dann vermutlich mehr beschäftigt werden als gestern abend, da er nur sporadisch eingreifen musste.

Ein Abend für die Klubgeschichte

Der Abend war wie geschaffen, um Klubgeschichte zu schreiben. Dies allerdings ganz unabhängig vom Ausgang. Es war das letzte Europacupspiel in Highbury, im Sommer zieht Arsenal um ins neue Emirates-Stadion in Ashburton Grove.

Wehmut begleitet den Wandel, "ein Teil meiner Seele ist in diesem Stadion", dichtete der französische Trainer Arsene Wenger, der sein halbes Trainerleben hier verbracht hat. Und auch Thierry Henry, der Kapitän, überkam vor der letzten Europacupnacht vorauseilend die Melancholie. Niemals werde er wieder nach Highbury kommen können, um sich einfach irgendwo hinzusetzen und an die alten Zeiten zu erinnern, klagte der Stürmer. Eine Appartmentsiedlung ersetzt die mehr als 80 Jahre alte Arena.

Bis Arsenal sein Zwischenziel auf dem Weg zum Endspiel nach Paris erreichte, musste die Mannschaft große Mühen überstehen. Villarreal, das spanische Überraschungs-Team, machte von seinen Außenseiterrechten Gebrauch und verhinderte mit aller Macht seiner Zerstörungskraft ein attraktives Spiel. Die Regiekunst ihres genialischen Spielmachers Riquelme brachten sie nur selten zur Geltung.

Und so verloren sich die favorisierten Londoner, die als Gastgeber naturgemäß die Initiative für Spielaufbau und Offensive übernahmen, ständig in den beiden dichten Reihen, mit denen Vilarreal den Weg zum Tor versperrte. Besonders das robuste Pressing der Spanier im Mittelfeld erwies sich als Gift für Arsenals futuristisches, schnelles Kombinationsspiel.

Duell im Mittelfeld

So trugen die Teams die Auseinandersetzung meist im Mittelfeld aus, in zähen, engen Zweikämpfen, und die Zuschauer mussten leiden, weil ihr Team keinen Schwung entwickelte.

Langweilig war die Partie jedoch keineswegs. Arsenals Weltauswahl, in der sich für alle Nationalitäten Platz findet, bloß nicht für einen Engländer (darüber wird nun eifrig debattiert auf der Insel) war zwar nicht in der Lage, die Sternstunde zu wiederholen, die sie beim 2:0 gegen Juventus Turin im Viertelfinale hingelegt hatte.

Aber sie hatte den Gegner weitgehend unter Kontrolle und bestimmte Tempo und Ablauf. Just als Arsenal am meisten Hilfe brauchte, gelang das 1:0 (42.). Henry hatte Hleb eingesetzt, und dessen Hereingabe drückte Toure aus kurzer Distanz ins Tor, mitten im Strafraumgetümmel.

Von solchen Gelegenheiten hatte Arsenal im weiteren Verlauf noch eine gute Handvoll, aber der Stau im Strafraum war dann jedesmal noch dichter als um fünf Uhr auf den Straßen der Londoner Innenstadt. Vielleicht wäre das Ganze auch leichter gefallen, hätten die Schiedsrichter nicht den Irrtum begangen, Henrys Treffer nach acht Minuten zu annullieren. Sie erkannten ein Abseits, das keines war.

Jens Lehmann durfte sich das alles aus der Zuschauerperspektive betrachten. Neulich hatte der neue Nationaltorwart zwar noch erzählt, dass er im Spiel bis zu sechs Kilometer zurücklege, weil er so viel in Bewegung sei, aber in dieser Begegnung blieb es wohl bei einer kleinen Spazierstrecke.

Ein paar Meter machte er allenfalls bei seinen Ausflügen als Libero. Die allerdings waren sehenswert: Zweimal klärte er nach spannenden Laufduellen mit einem heranpreschenden Gegner per Grätsche.

© SZ vom 20.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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