Champions League Halbfinale:Ein Geniestreich reicht

Lesezeit: 2 min

Zaubertricks und furiose Soli waren angekündigt, doch am Ende bestimmte ein einziges Kabinettstückchen von Ronaldhino den Ausgang beim Aufeinandertreffen der Giganten: Mit Barcelonas Sieg über den AC Milan sind die Weichen fürs Finale gestellt.

Mit vielem hatte man gerechnet vor dem ersten Halbfinale in der Champions League zwischen dem AC Mailand und dem FC Barcelona. Zaubertricks und furiose Soli waren angekündigt bei diesem Hochamt des europäischen Fußballs, doch am Ende bestimmte ein einziges Kabinettstückchen den Ausgang beim Aufeinandertreffen in San Siro: Ronaldinhos genialisches Zuspiel auf Giuly und dessen Tor zum 1:0 (0:0) entschieden eine intensive, aber keineswegs brillante Partie zugunsten des spanischen Meisters.

Damit hat Barça nun alle Trümpfe in der Hand vor dem Rückspiel in einer Woche, wenn der Finalteilnehmer endgültig festgelegt wird.

Nur Romantiker hatten vor diesem Spiel ernsthaft geglaubt, das Aufeinandertreffen dieser in den Weltmetropolen überlebensgroß plakatierten Fußballhelden aus aller Herren Länder garantiere einen ungetrübten Hochgenuss.

Natürlich war im Tempo ihrer Aktionen und bei manchen Kunststücken die Premiumklasse der Ronaldinho, Schewtschenko, Eto"o oder Kaká zu bestaunen, doch vor allem im ersten Abschnitt dominierten andere Komponenten das Duell der Supermächte. Zum einen kann und will der AC Mailand auch an einem solchen Galaabend nicht seine italienische Herkunft leugnen, weshalb taktische Disziplin und Ordnung herausstachen im Spiel des Vorjahresfinalisten.

Zum anderen zeigten die spanische Gäste Respekt vor der geballten Erfahrung Milans und wohl auch vor der eigenen Vergangenheit, die ihnen in der vorherigen Spielzeit beim offenen Schlagabtausch mit dem FC Chelsea einen schmerzhaften (Achtelfinal-) K.o. beschert hatte.

Gute Chancen besaß bis zur Pause allein Milan durch Gilardinos Pfostentreffer (14.), Schewtschenkos Flugkopfball auf Zuspiel Seedorfs (15.) und Pirlos fein gezirkelten Freistoß (36.).

Zwei humorlose Zerstörer

Barcelonas dagegen vermochte seine zauberhaften Fähigkeiten selten zu entfalten, weil sich um den amtierende Weltfußballer Ronaldinho mit dem Schattenmann Gattuso und Stam als zweitem Wachhund gleich zwei humorlose Zerstörer kümmerten. Ein flaues Schüsschen von Eto"o (22.), ein kümmerlicher Versuch des Franzosen Giuly (38.) - viel mehr hatte Barça bis hierhin nicht zu bieten.

Die Mailänder schöpften offenbar noch mehr Mut aus ihrem optischen Übergewicht, denn nach dem Wechsel begleitete ihr Spiel so etwas wie Euphorie. Schewtschenko trieb nun einige Male im Wechsel mit Kaká den Ball schwungvoll in die Angriffshälfte, und plötzlich glückte ihnen der vermeintliche Geniestreich: Der Ukrainer spielte die Kugel instinktiv und mit einem Kontakt in den Lauf seines brasilianischen Partners, doch anstelle eines strammen Schusses legte Kaká noch einmal quer auf Italiens Nationalstürmer Gilardino - und der verzog im Eifer um einen guten Meter (51.).

Im Gefühl, ganz offensichtlich dicht vor der Führung zu stehen, vernachlässigte Mailand das Defensivspiel. Einige Zentimeter mehr Raum räumten sie nun den Barça-Profis ein bei der Ballannahme und der Orientierung, und so näherte sich der AC dem Verderben, ohne dass seine Spieler es wohl merkten. Und dann schlug Barcelona auch schon zu.

Selbstverständlich bereitete der Künstler der Künstler den Höhenpunkt vor. Ronaldinho streichelte mit der Sohle den Ball, er tänzelte und spürte wohl noch einmal Gattusos Atem, der ihn zwar wieder bedrängte, aber diesmal nicht zerstörend eingriff.

Und so spielte Ronaldinho diesen traumhaften Ball auf Giuly, den kleinen Auswahlspieler Frankreichs, der diesmal von der Sperre des portugiesischen Spielmachers Deco und der Verletzung Larssons profitierte. Giuly hatte Ronaldinhos Gespür für den freien Raum vorausgeahnt, er lief in die Lücke der Mailänder Deckung, er enteilte Nesta und Kaladze, und dann drosch er den Ball mit einem strammen Linksschuss in Netz, vorbei an Dida, Brasiliens geschlagenem Nationalkeeper (57.).

Von diesem 0:1 erholte sich Milan erst sehr spät. Verzweifelt und hektisch wirkte das Bemühen des Tabellenzweiten aus Italien, sich gegen die Pleite zu stemmen. Nicht immer wirkte die Abwehr Barcelonas sicher, doch viel mehr als ein paar folgenlose Turbulenzen und Ambrosinis Flachschuss (81.) sahen sich die nun souveränen Gäste nicht ausgesetzt.

Am Ende nahm Barça-Coach Rijkaard sogar seinen Regisseur vor der Zeit vom Feld, und Ronaldinho zeigte seine markante Zahnleiste. Er lächelte, denn er wusste, dass sie dem Finale nun sehr nahe sind.

© SZ vom 19.4.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: