Champions League:Gigi, der Heitere

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Buffon, Thuram, Cannavaro: Juventus Turins erfolgreicher Minimalismus ruht auf einer eingespielten Achse.

Von Birgit Schönau

Pavel Nedved ist bei Juventus als der große Schweiger bekannt. Neulich hat er den Mund aufgemacht und heraus kam ein Satz, wie in Marmor gemeißelt. "Der einzige Weltstar bei uns steht im Tor." Das war leicht untertrieben, schließlich war Nedved selbst letztes Jahr zu Europas Fußballer des Jahres gekürt worden, und das eher ein wenig verspätet.

Außerdem laufen bei Juve ja auch noch Lilian Thuram, Zlatan Ibrahimovic, David Trezeguet und Alessandro Del Piero herum. Zum Beispiel. Der einzige Weltstar aber parierte mit der Hacke. "Solche Sprüche klopft man besser nur privat", hat Gianluigi Buffon entgegnet, und überhaupt nichts dementiert.

Bescheidenheit gehörte noch nie zu Buffons Sekundärtugenden. Schweigsamkeit auch nicht, das hat er erst lernen müssen bei Juventus. Früher, als er noch beim AC Parma spielte und anstatt eines schicken Firmenautos aus Turin noch das Modell fahrender Mülleimer zum Trainingsgelände lenkte, eine Staubkarre, deren Jahresringe man am Tacho ablesen konnte, früher also, da war Buffon beliebt wegen seiner jungenhaften Lässigkeit und gefürchtet wegen seiner Sprüche.

Rote Strähnen und enigmatische Nummern

Er stand beim Drittligisten Carrarese in der Fankurve, und was die Nationalmannschaft anging, war er für Kamerun. Buffon fuhr sogar zum Abschiedsspiel seines Idols N'Kono. Er zog sich rote Strähnen ins Haar, wählte enigmatische Nummern für sein Trikot, und einmal zog er vor laufender Fernsehkamera ein Hemd an, auf dem stand: boia chi molla.

Schwer zu übersetzen, kam aber aus der ultrarechten Szene und Buffon wusste gar nicht, wie ihm geschah: "Ein Fan hat es mir geschenkt, was weiß denn ich, was das heißt. Damit habe ich nichts zu tun."

Es war wirklich Naivität, aber es blieb lange haften an Buffon. Wie gesagt, bei Juve passiert so etwas nicht mehr. Dort redet man nicht einfach so drauflos, und zieht nicht jedermanns Hemden an. Selbst die Brille des Trainers Fabio Capello, die beim AS Rom noch rot war, ist jetzt schwarzweiß.

Das 1:0 angepeilt

Buffon ist 27, längst Torhüter der Nationalelf, er gilt als Nummer eins weltweit, und in der laufenden Saison scheint sich dieser Ruf noch zu festigen. In zwölf Saisonspielen hat Juventus zwei Tore kassiert, in der Champions League noch gar keinen Treffer.

In der Serie A absolviert der Rekordmeister einen regelrechten Triumphmarsch, hat den Zweitplatzierten Milan schon um fünf Punkte distanziert, in einer Woche drei Spiele gewonnen: 3:0, 2:0, 3:0.

International spielt Juventus ganz in alter Tradition eins zu null, zuletzt gegen die Bayern. Und man kann davon ausgehen, dass dieses Ergebnis auch beim Rückspiel im Olympiastadion angepeilt ist. Manche beschweren sich, so hätte der liebe Gott das nicht gemeint mit dem Fußballspielen, beklagen die Renaissance des calcio cinico, das Goldene Kalb des Minimalismus.

Aber Juve hatte schon zu früheren Zeiten mythische Abwehrspieler und einen Weltklassetorwart: Dino Zoff. Und jetzt ist es wieder soweit, nach einer Saison mit 44 Gegentoren.

Vor Buffon, dem mit seinerzeit 54 Millionen Euro Ablöse teuersten Juve-Einkauf (soviel Geld hatten sie in Turin nach dem Verkauf eines gewissen Zinedine Zidane), stehen neben Jonathan Zebina die alten Teamkollegen vom AC Parma.

Fabio Cannavaro, 31, der zuletzt bei Inter Mailand wenig glücklich war, obwohl er mit seinen nur 1,76 m seit vielen Jahren einer der besten italienischen Abwehrspieler ist. Cannavaro ist auch Kapitän der Squadra Azzurra, ein bodenständiger, immer gut gelaunter Neapolitaner, der sein Geld in Pizzerien investiert und in seiner Heimatstadt als ehrlicher Arbeiter verehrt wird, der es hoch im Norden der widrigen Witterungsumstände zum Trotz zu etwas gebracht hat.

Buffon und Cannavaro haben 1999 mit Parma den Uefa-Cup gewonnen, dabei war auch der elegante Franzose Lilian Thuram, ein wortgewandter Mann mit viel Sinn für Ironie. Die drei bilden jetzt bei Juventus ein Trio Infernale für jeden gegnerischen Angreifer.

"Totales Vertrauen, totale Vertrautheit"

"In Parma haben wir eine schnelle, solide und glückliche Verbindung entwickelt", berichtet Gianluigi Buffon. Eine Freundschaft. "Totales Vertrauen, totale Vertrautheit. Wenn wir zusammen auf dem Platz stehen, reicht es, uns kurz anzublinzeln."

Mit 13 Jahren kam Buffon in Parma an, wurde dort im Sportinternat ausgebildet. In der Provinz entwickelte er seinen beeindruckenden Perfektionismus. Er ist nicht so verbissen ehrgeizig wie Oliver Kahn, die Rivalität mit Francesco Toldo im Nationalteam hat er nie offen ausgetragen, vermutlich nicht mal unter vier Augen.

Gigi Buffon ist ein freundlicher Mensch, immer noch so spontan wie möglich, meist mit einem gewinnenden Lächeln. Er strahlt Großzügigkeit aus, dass es das Leben gut mit ihm gemeint hat, behält er nicht für sich. Gigi, der Heitere, verdient bei Juve fünf Millionen Euro im Jahr, das Einkommen ist gesichert bis 2009.

So lange Verträge gibt es kaum noch im Fußball, Weltklasse hin oder her. So lange Verträge verleihen innere Ruhe. Buffon sagt zwar über sich selber, dass er über jeden halben Fehler ganze Nächte grüble. Aber er macht den Eindruck, dass er dann auch weiß, wann es gut ist mit dem Grübeln.

Buffon hat diese Ruhe. Die Ruhe macht den Torhüter gefährlich, denn mit der Ruhe steht er wie ein Fels. Wenn einer lauert, kann man ihn überrumpeln, irgendwann. Buffon aber lauert nicht. Er blinzelt Thuram mal an. Mal Cannavaro. Und zum Schluss steht auf seiner Seite dann wieder eine Null.

© SZ vom 3.11.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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