Champions-League Finale:Die Nacht des FC Barcelona

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Die Spanier können einen Rückstand wettmachen und gewinnen die Königsklasse gegen den FC Arsenal. Tragische Figur des Abends: Arsenals Torwart Jens Lehmann sieht nach nur 18. Minuten "Rot" und muss vom Platz.

Jürgen Klinsmann hatte sich die Reise von Sardinien nach Paris erspart. Er sah im Trainingslager der deutschen Nationalelf am Fernseher zu, wie es Jens Lehmann, der neuen Nummer 1 im Tor, erging, doch nach 18 Minuten hatte der Bundestrainer genug gesehen, da war der aktive deutsche Beitrag an diesem Champions-League-Finale 2006 bereits beendet.

Denn Jens Lehmann war nicht mehr dabei, auch er sah fortan nur noch von außen zu, genauer gesagt im VIP-Raum des Stade de France.

Und was Lehmann dort als Gast vor dem Fernseher sah, das konnte ihn zunächst ein wenig trösten: Auch ohne seinen Torwart, der nach Notbremse vom norwegischen Schiedsrichter Terje Hauge die Rote Karte gezeigt bekam, behauptete sich der FCArsenal zunächst in Unterzahl.

Mehr noch, in der 37. Minute lagen die Unterzähligen aus London sogar in Führung: Thierry Henry hatte per Freistoß Sol Campbell gefunden, der per Kopf zum 1:0 ins Netz verlängerte.

Und Lehmann sah später auch, wie alle Hoffnung starb. Wie Arsenals Kräfte schwanden, wie sie sich lange wehrten, ehe Samuel Eto'o (76.) und der eingewechselte Juliano Belletti (81.) alle Mühen zunichte machten. Lehmann konnte nicht mehr eingreifen, die Frage, ob er die Bälle gehalten hätte, die sein Vertreter, der Spanier Manuel Almunia, passieren ließ, erübrigt sich.

Der FC Barcelona ist nach 1992 wieder zurück auf dem Thron des europäischen Fußballs, die Mannschaft, die viele derzeit für die wunderbarste der Welt halten, hat ihre Trophäe bekommen. Und sie hat sie verdient, weil sie in Paris zeigte, dass große Künstler auch leiden können.

Denn nach dem 0:1 waren die groben Linien dieses Spiels eindeutig gelegt: Arsenal verteidigte, verteidigte, verteidigte und wartete auf den einen, den erlösenden Konter, Barcelona versuchte, all das Versäumte aus der ersten Halbzeit aufzuholen. Doch die Artisten taten sich schwer, ihrer Inspiration zu folgen. Ronaldinho, Deco, Eto'o, sie rannten sich immer wieder in der Abwehr fest, Lehmanns Platzverweis hatte dem Spiel viel von seinem Zauber genommen.

Mitte der zweiten Hälfte war Arsenal näher am 2:0 als Barcelona am Ausgleich. Thierry Henry, der Franzose, blieb stets gefährlich, Aliaksandr Hleb, im Vorjahr noch beim VfB Stuttgart, unterstützte ihn nach Kräften. Doch als die Katalanen immer wilder, immer irritierter schienen, da gelang doch noch der lange erwartete Geniestreich: Eto'o, ein Hauptdarsteller dieses Abends, schob den Ball zum 1:1 ins kurze Toreck. Belletti vollendete die kurze, späte Barça Gala.

Schiedsrichter Hauge hätte eigentlich auf Vorteil erkennen müssen

Das Drama von Paris begann in jener 18. Minute, über die noch viel diskutiert werden wird. Zweimal war Lehmann bereits durch Distanzschüsse geprüft worden, hatte sicher pariert, als Samuel Eto'o, der pfeilschnelle Stürmer aus Kamerun, auf ihn zustürmte. Lehmann stürzte heraus, doch zu weit, er geriet aus dem Strafraum - eine schnelle Täuschung von Eto'o, Lehmann strauchelte und brachte Eto'o zu Fall, in dem er ihm eine Hand ans Schienbein presste.

Doch richtig glücklich konnten die Spanier mit dem folgenden Platzverweis nicht sein, denn der Stürzende hatte den Ball zu Ludovic Giuly gedrückt, der ihn sicher im Netz unterbrachte. Schiedsrichter Hauge hätte eigentlich auf Vorteil erkennen müssen, auf Tor für Barcelona, doch er versagte die Anerkennung - er hatte bereits das Foul gepfiffen. So sah sich Barcelona vor der Pause gleich zwei Mal im Nachteil: Auch der Freistoß vor Arsenals 1:0 war strittig, der Pfiff war vom Linienrichter angemahnt worden, das Foul kaum zu erkennen.

Apropos Linienrichter - um die Spielleitung aus Norwegen gab es schon vor Anpfiff Turbulenzen. Eigentlich war Ole Hermann Borgan an der Seite vorgesehen, aber am Vormittag des Finales wurde er plötzlich von diesem Amt abberufen. Borgan hatte sich recht dämlich angestellt und für die Tageszeitung Drammans Tidende im Barça-Trikot ablichten lassen.

Diese Art von demonstrativer Hingabe hatte Konsequenzen, auch wenn die Finalisten den Vorfall gelassen registrierten. "Warum ist es eine Dummheit, ein Barça-Trikot zu tragen?", fragte Frank Rijkaard, der Trainer Barcelonas. Borgan jedenfalls, so er denn wirklich Barça-Sympathisant ist, hätte sich an der Linie mächtig erschrocken ob all der Dramen, die der Klub durchlebte, und wie er vom famosen Thierry Henry gequält wurde, bevor er triumphieren durfte.

© SZ vom 18.5.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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