Champions League der Frauen:Bittere Erfahrung

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"Es fehlt ein bisschen was in der Breite und es fehlt ein bisschen in der Qualität", konstatierte Trainer Thomas Wörle nach dem Champions-League-Aus. (Foto: Lackovic/imago)

Als deutscher Meister sind die Fußballerinnen des FC Bayern in die Champions League gestartet - und müssen nach dem frühen Aus erkennen, dass es noch an Reife fehlt.

Von Christoph Leischwitz

Zumindest Melanie Behringer hatte ihre Spontaneität noch nicht verloren. Gerade eben waren ihre Mitspielerinnen schnurstracks vom Spielfeld in die Kabine geschritten, nicht wenige hatten dabei Tränen in den Augen, so kurz nach dem Champions-League-Aus gegen Twente Enschede. Direkt vor dieser auffällig stillen Kabine stand nun die 29-jährige Spielführerin des FC Bayern und wurde gefragt, wie groß die Enttäuschung nun sei. "Welche Enttäuschung?", fragte sie zurück.

Behringers trockener Humor im Zwischengang des Grünwalder Stadions zeigte die Fallhöhe dieser Niederlage erst so richtig deutlich auf. Zumal die Münchnerinnen ja nicht einmal verloren hatten: Zweimal langte es im Sechzehntelfinale der Champions League nur zu einem Unentschieden, dem 1:1 bei Twente Enschede folgte diesen Mittwochabend ein 2:2 im eigenen Stadion - dank der Auswärtstorregel ist der deutsche Meister im Frauenfußball damit ausgeschieden.

20:4 Schüsse verzeichneten die Münchnerinnen im Rückspiel, am Ende aber fehlte ein Tor

Davor hatten die Spielerinnen und Trainer Thomas Wörle davon gesprochen, wie großartig es sei, im Champions-League-Trikot zu spielen, bei Flutlicht, gegen namhafte Gegner aus ganz Europa. Immerhin waren sie in der Vorsaison in einer der besten Ligen weltweit ungeschlagen Meister geworden, auch die neue Bundesligasaison hatte gut begonnen, die Münchnerinnen sind aktuell Tabellenführer.

Doch nun wurde das Flutlicht wieder abgedreht, und die namhaften Gegner aus Europa werden vorerst nicht kommen. Im Gegensatz zum VfL Wolfsburg (4:0 gegen Spartak Subotica aus Serbien) und dem 1. FFC Frankfurt (6:0 gegen Standard Lüttich aus Belgien), endete der Auftritt auf der großen Bühne für die Bayern schon nach dem ersten Akt.

Noch dazu gegen einen Gegner, gegen den das Weiterkommen durchaus möglich gewesen war. Natürlich hatte Trainer Wörle vor den Niederländerinnen gewarnt, vor ihrer körperbetonten, unangenehmen Spielweise. Er fühlte sich nun in gewisser Weise bestätigt. "Ich habe es die ganzen Monate gesagt: Wir sind noch nicht so weit, wie alle glauben", sagte der 33-Jährige. Neben sechs verletzten Stammspielerinnen, darunter die kürzlich erneut am Knie operierte Nationalstürmerin Lena Lotzen, beklagte Wörle im Rückspiel eine Schiedsrichterentscheidung, die er "eine Frechheit" nannte. Damit meinte er jene Szene, die zum Elfmeter und damit zum zwischenzeitlichen 2:1 für die Gäste führte: Nach einem Konter über die rechte Abwehrseite wollte Nora Holstad mit einer Grätsche eine Hereingabe abfangen. Der Ball sprang gegen ihre Hüfte, von dort auf den Boden, und von dort an ihren Arm. Die ukrainische Unparteiische Kateryna Monzul, die im Sommer das WM-Finale der Frauen pfiff, hatte sofort auf den Punkt gezeigt. Die Art und Weise des Ausscheidens sei "bitter", meinte Wörle, die Schuld daran wollte er aber nicht der Schiedsrichterin zuweisen: "Wenn wir beide Spiele so dominant auftreten und trotzdem nicht weiterkommen, dann hat irgendetwas nicht gepasst."

20:4 Schüsse verzeichneten die Münchnerinnen im Rückspiel, doch in der Schlussphase der Partie agierten sie oft kopflos. Nach dem 2:2 durch Behringers verwandelten Foulelfmeter boten sich in 18 Minuten nur noch zwei gute Chancen. Enschede sei "nicht wirklich verdient" eine Runde weiter gekommen, befand Behringer. Der Gegner sei allerdings "cleverer gewesen", fügte sie an, "die bleiben viel liegen, und der Schiri fällt auf alles rein." In der Tat zeigte Enschede neben einer robusten Zweikampfhärte auch viel taktisches Verzögern und einen Hang, die Gründe für bereits gegebene Freistöße unbedingt noch ausführlich diskutieren zu wollen. Ein Gebaren, das die Frauen-Bundesliga in dieser Routine nicht kennt, zu dem Behringer aber schloss: "Da müssen wir selbst noch cleverer werden."

Wörle wollte sich denn auch nicht zu lange aufhalten mit den Nebengeräuschen des Spiels, er zog lieber seine Schlüsse für die weitere Entwicklung seiner Mannschaft. "Enschede hat eben schon gegen Paris und gegen Lyon gespielt, das haben sie uns voraus", sagte er - die Bayern-Fußballerinnen dagegen waren das erste Mal seit sechs Jahren wieder in der Königsklasse vertreten. "Es fehlt ein bisschen was in der Breite und es fehlt ein bisschen in der Qualität", konstatierte Wörle. "Aber solche Spiele werden uns, in gewisser Weise, gut tun."

Nach fünf Siegen und drei Unentschieden in den Pflichtspielen der neuen Saison geht es nun darum, sich nicht aus dem Konzept bringen zu lassen. Das nächste Ligaspiel ist am Sonntag beim SC Freiburg, "das wird mindestens so schwer wie heute", sagt Behringer. Und damit sich niemand aus der Mannschaft aus Frust hängen lässt, schiebt sie mit Blick auf die kommende Saison noch hinterher: "Alle wollen ja Champions League spielen. Dafür muss man in der Liga Gas geben. Es wird ein langer Weg." Ein Weg, an dessen Ende die Bayern-Frauen noch weitere Akte auf der großen Bühne spielen wollen.

© SZ vom 16.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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