Champions League:Das Gespenst van Basten

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Milan-Trainer Carlo Ancelotti wird nach dem mäßigen Start mit seinem früheren Verlierer-Image konfrontiert.

Henning Klüver

Nun darf man Italiens Präsidenten Silvio Berlusconi auch den Paten nennen. Denn in Cernobbio am Comer See stand er seinem Stürmerstar Andrej Schewtschenko vor zwei Wochen bei der Taufe von dessen erstem Sohn Jordan zur Seite. Der Ukrainer bedankte sich beim Padrone des AC Mailand mit Toren: vier Stück in bislang fünf Ligaspielen und ein weiteres beim 3:1 über Fenerbahce Istanbul im ersten Match der Champions-League-Gruppe E.

Was für ein Star-Aufgebot: Kaka, Pirlo, Vieri, Schewtschenko und Nesta (von links) spielen beim nächsten Schalke-Gegner in der Champions League. (Foto: Foto: AFP)

Er hat damit die Torquote von 150 im rot-schwarzen Trikot erreicht, aber außer an Sheva, wie er in Mailand liebevoll gerufen wird, hat der Pate keine rechte Freude an seinem Klub, der den Saisonstart ein bisschen verstolpert hat: drei Siege, ein Unentschieden und eine Niederlage. Zusammen mit dem AC Florenz, Lazio Rom und US Palermo liegt Milan nur auf dem fünften Platz. Und bereits fünf Punkte von Spitzenreiter Juventus Turin entfernt und zwei hinter dem Ortsrivalen Inter.

Schwächen in der Abwehr

Wo Inter derzeit südamerikanisch tanzt, hakt es beim AC bei allen Mannschaftsteilen. Und das trotz ausgiebig überseeischer Präsenz. Der brasilianische Torwart Dida zeigte jedenfalls am Sonntag beim Auswärtsspiel in Treviso erneut Schwächen beim Herauslaufen. Und hätte Jaap Stam nicht mehrfach vor der Linie gerettet, wäre die Millionentruppe aus Mailand im venezianischen Hinterland sogar in Rückstand geraten.

Und das bei einem Klub, der nach den italienischen Irrungen und Wirrungen um Auf- und Abstieg als Fünftplatzierter der Serie B nur am Grünen Tisch in die erste Liga gekommen ist, wo er bislang ohne einen Punkt und mit einem Torverhältnis von 1:11 ganz am Ende liegt. Der niederländische Verteidiger-Riese Stam zog sich gegen Treviso aber eine Prellung zu, weshalb er gegen Schalke 04 wohl ausfallen und vom zuletzt nicht gerade glänzenden Brasilianer Cafú ersetzt wird.

Vorsichtstaktik auf Schalke

Die Abwehrsorgen von Trainer Carlo Ancelotti nehmen also zu. Die Innenverteidigung mit den Routiniers Paolo Maldini und Alessandro Nesta ist zusammen 66 Jahre alt und ein bisschen langsam geworden. Mittelfeldterrier Gennaro Ivan Gattuso musste am Sonntag rennen wie schon lange nicht mehr, um die Löcher zu stopfen, die sich hinter ihm auftaten. Er wird wohl in Gelsenkirchen zusammen mit Massimo Ambrosini auflaufen, was auf eine gewisse Vorsichtstaktik von Ancelotti schließen lässt, der ganz auf bekannte Kämpfernaturen setzt.

Aber viel Auswahl hat er auch nicht. Der AC Mailand hat sich trotz seiner inzwischen offenkundigen Abwehrschwächen in dieser Saison mit dem Ankauf von Christian Vieri (von Inter) und Alberto Gilardino (Parma) vor allem im Sturm verstärkt. Im Mittelfeld holte man nur den Schweizer Johann Vogel (zuletzt in Eindhoven) und den Tschechen Mark Jankulowski (Udinese), die aber bislang nicht zum Einsatz kamen.

Doch auch im Spiel nach vorne, bislang die Glanznummer von Ancelottis Team, stottert der Milan-Motor. Andrea Pirlos lange Pässe kommen zurzeit nicht an, und selbst der jugendliche Zauberer Ricardo Iszecson Dos Santos Leite, 23, den alle Welt nur Kakà ruft, geizt mit seinem brasilianischem Temperament und neigt zu vielen Fehlpässen. Immerhin, die wenigen gelungen Angriffsaktionen gegen Treviso gingen von ihm aus. Außerdem hat er mit zwei Toren gegen Fenerbahce gezeigt, dass er nicht nur Dirigent sondern auch Vollstrecker sein kann. Er hat sich jetzt für 4,6 Millionen Euro pro Saison bis zum Jahr 2010 an den Mailänder Verein gebunden.

Krisengespenst verscheuchen

Braucht Milan Vollstrecker? Altstar Filippo Inzaghi ist nach einer langen Verletzungspause wieder einsatzfähig, und langsam treten die Milanstürmer zumindest im Training einander auf die Füße.

Vor allem Gilardino, eines der größten Talente im italienischen Fußball, hat noch Probleme ins Spiel zu finden. Immerhin holte er gegen Treviso einen Elfmeter heraus, den Schewtschenko kurz vor der Pause zum wichtigen 1:0 verwandeln konnte; in der zweiten Halbzeit machte er dann selbst mit dem Kopf den 2:0-Sieg perfekt. Aber gegen Schalke wird Ancelotti trotz einer Formkrise wohl auf den athletischeren und erfahreneren Vieri setzen, der zusammen mit Sheva die Toren machen soll. Denn Milan will unbedingt in Gelsenkirchen gewinnen, um das Krisengespenst zu verscheuchen. Und um dem Trainer aus der Kritik zu nehmen.

Carlo Ancelotti, 46, arbeitet seit vier Jahren beim AC Mailand. Er hat in der Zeit immerhin eine Meisterschaft und einen Gewinn der Champions League seinem Konto gutschreiben können. In der vergangenen Saison ging er jedoch leer aus. Zweiter in Italien, Zweiter in Europa - da kam wieder das Image vom ewigen Verlierer Ancelotti zurück.

Van Basten für Ancelotti?

Und die kleinen Sticheleien des Paten aus Rom nahmen zu. Deshalb forderte der frühere Milan-Star Zvonimir Boban kurz vor Saisonbeginn Silvio Berlusconi in einem offenen Brief in der Mailänder Gazzetta dello Sport mit freundlichen Worten auf, Ancelotti doch in Ruhe arbeiten zu lassen.

Berlusconi hat dieser Brief gar nicht gefallen. Und auch nicht der Umstand, dass zwei Drittel der Gazzetta-Leser Boban Recht gaben. Er zitierte Ancelotti zu sich, um nach Außen Einigkeit zu demonstrieren.

Aber ein möglicher Nachfolger wurde bereits in Mailand gesichtigt. Und die ersten Wetten werden schon abgeschlossen, dass nach dem Ende der Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland ein alter Bekannter den AC Mailand wieder siegestauglich machen soll: Marco Van Basten, der derzeit erfolgreich die niederländische Nationalmannschaft betreut.

© SZ vom 28.09.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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