Champions League:Chance verpasst

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Diesen flinken Trezeguet hätten sie einfach nicht aus den Augen lassen sollen. Obwohl die Juve es zuerst kaum über die Mittellinie geschafft hatten, verloren die Bayern 1:2 gegen die Turiner und verpassten so den vorzeitigen Einzug ins Achtelfinale.

Am Ende schickte Trainer Felix Magath mit Paolo Guerrero noch einen dritten Stürmer für die letzten Minuten ins Feld, doch die Schlussoffensive brachte nichts mehr: Der FC Bayern verlor gestern Abend bei Juventus Turin unglücklich 1:2 (0:0) und verpasste damit eine Vorentscheidung zu seinen Gunsten im Champions-League-Pool A.

Sebastian Deisler im Kampf um den Ball mit Zlatan Ibrahimovic. (Foto: Foto: AP)

Juventus führt die Tabelle nun wieder an vor den punktgleichen Bayern und revanchierte sich damit für die kleine Demütigung beim 1:2 im Hinspiel vor 14 Tagen. "Gegen so eine Klassemannschaft ist halt in jedem Angriff ein Gegentor möglich, deshalb ist das kein Beinbruch", meinte Bayern-Manager Uli Hoeneß nach dem Abpfiff gefasst.

Vor dem Anpfiff hatte Hoeneß die Bedeutung des angestrebten Gruppensieges noch einmal herausgestellt. "Dann hat man in der nächsten Runde zunächst ein Auswärtsspiel", sagte er, und diese Konstellation wird ja allgemein als Vorteil gewertet.

Hoeneß hat dann übrigens vor den Premiere-Kameras noch beiläufig angemerkt, er ahne angesichts der Lockerheit des Kandidaten, dass sich Michael Ballack bereits im Klaren darüber sei, bei welchem Verein er nach der WM 2006 sehr viele Millionen Euro verdienen wird.

Hoeneß ergänzte sibyllinisch, auch er selbst "glaube zu wissen", um welchen Verein es sich dabei handele. Verraten mochte er ihn leider nicht, und so blieb von diesem Rätselspiel nur eine vage Vermutung nach einem letzten Blick in Hoeneß' kritisches Gesicht: Abschied aus München wahrscheinlicher als der Verbleib beim FC Bayern. Vielleicht.

Kahn pariert mit beiden Fäusten

Ein klareres Bild gaben die Bayern in der Anfangsphase ab: Sie spielten zweifelsfrei mutig und offensiv - so, wie sie es angekündigt hatten. Nur mühsam schaffte es die Juve zunächst über die Mittellinie, denn das Zentrum beherrschten keineswegs ihr brasilianischer Gestalter Emerson und dessen Vorarbeiter aus Frankreich, Viera.

Mit breiter Brust kombinierten sich die Gäste mehrfach in den Turiner Strafraum. Die erste Chance ergab sich freilich nach einem Freistoß von Deisler, den Trézeguet mit einer heiklen Rettungstat beinahe ins eigene Tor verlängert hätte. Im Gegenzug hätte der Franzose allerdings bei einem seltenen Konter fast die Turiner Führung erzielt, doch Kahn parierte den strammen Schuss humorlos mit beiden Fäusten (5.).

Unentschlossen ins Aus gehoppelt

Kurz darauf machte Makaay - wie erwartet - seine 1000 Pflichspielminuten ohne Erfolgserlebnis voll, aber seine offensichtliche Verunsicherung hatte er damit nicht abgelegt. Denn als sich dem holländischen Stürmer nach Schweinsteigers Vorarbeit die große Chance zum Münchner 1:0 bot, schaute er zwar noch einmal selbstsicher auf und fixierte das Ziel - der Ball hoppelte allerdings etwas unentschlossen und zwei Meter neben dem Tor ins Aus (12.).

Nach dieser schwungvollen Eröffnung beruhigte sich das Geschehen ein wenig, wobei die Bayern mit ihrem robusten und wachen Auftreten alles unter Kontrolle hatten. Außer Trézeguets zweiter Chance - bei der er nach einer scharfen Hereingabe vor Ismael an den Ball kam und dennoch unkonzentriert verzog (16.) - verbuchte Juventus kaum aufregende Szenen, welche die Agonie in der gewohnt lächerlichen Kulisse von nur 16076 Fans im Alpenstadion hätten vertreiben können.

Dabei hatte bei Juventus diesmal Publikumsliebling Del Piero den Vorzug erhalten, auch der von den Bayern gewechselte Robert Kovac stand etwas unerwartet in der Startformation. So ganz glücklich ist er ja noch nicht in Turin, denn von den zehn Ligapartien in der Serie A erlebte der Kroate aus Berlin beim Anpfiff erst fünf auf dem Rasen.

Diesmal hatte Trainer Capello ein Erbarmen mit ihm (allerdings nur 57 Minuten lang), dafür schmorte der Tscheche Nedved überraschend nur auf der Bank. Die richtige Mischung für die Revanche gegen die Bayern hatte der Trainer damit bis zur Pause nicht gefunden, und Capello korrigierte deshalb seine Taktik in der Pause: Er brachte Nedved, und allein dessen Anwesenheit verlagerte die Partie 20, 30 Meter hinein in die Münchner Hälfte.

Die Folge: Die Bayern vermochten sich nun kaum noch stilvoll zu lösen. Juventus drängte auf das 1:0, und es fiel: Nach Ibrahimovic' flachem Anspiel und einer glücklichen Verlängerung durch Nedved löste sich Trézeguet flink von Lúcio und ließ Kahn mit einem Linksschuss keine Chance (61.).

Deisler mit Elan

Juves Freude dauerte allerdings nur fünf Minuten, dann lief Münchens lebendiger Flankenschläger zum Freistoß an: Sebastian Deisler, der noch vor knapp 13 Monaten das damalige Gruppenspiel in Turin (0:1) wegen eines depressiven Rückfalls abgesagt hatte und vorzeitig heimgereist war. Inzwischen sprüht er geradezu vor Selbstvertrauen, und seinen Standards fehlte ja noch nie der rechte Elan. Gestern Abend segelte sein Freistoß aus knapp 40 Metern an Freund und Feind vorbei ins Netz zum Ausgleich (66.).

Mit dem 1:1 erlangten die Bayern ihre reife Ausstrahlung scheinbar zurück. Nur Trézegut hatten sie offenbar immer noch nicht auf der Rechnung, vor allem Lúcio, denn nach Vieras traumhaftem Zuspiel setzte der Franzose den Ball zum Siegtor neben den Pfosten (85.).

Die Laune der Gastgeber trübte am Ende nur Ibrahimovic' Platzverweis in der Schlussminute. Die Münchner befriedigte dies natürlich nicht mehr, denn sie hatten trotz einer ansprechenden Leistung verloren. Deisler bilanzierte ernüchtert: "Die machen aus dem Nichts das zweite Tor, das ist schon enttäuschend."

© SZ vom 3.11.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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