Champions-League:Blaue Nasen, blaue Flecken

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Die Glasgow Rangers sind nicht die größten Favoriten in Europas Spitzenfußball. Dennoch lehren sie auch dem heutigen Champions-League-Gegner, dem VfB Stuttgart, das Fürchten.

Raphael Honigstein

Das wichtigste Spiel der schottischen Saison haben die Rangers schon hinter sich. Nein, es ist nicht das von konfessionellen Konflikten durchtränkte Duell mit den katholischen Rivalen Celtic - dafür steht das Old-Firm-Derby eine Spur zu häufig auf dem Spielplan. Vier Mal im Jahr müssen die Glasgower Vereine in der kleinen Zwölferliga gegeneinander antreten, dazu kommt in der Regel mindestens ein Pokalmatch. Obwohl die beiden Klubs die schottische Meisterschaft seit jeher unter sich ausmachen, hängen Wohl und Wehe eines Jahres eher von Duellen gegen Artmedia Petrzalka Bratislava oder Zeta Golubovci ab. Nur wer regelmäßig die Qualifikation zur Champions League übersteht und in den Genuss der europäischen Millionen kommt, hat in Schottland eine Überlebenschance. Der TV-Vertrag der heimischen Liga spült einem Spitzenklub läppische 2,7 Millionen Euro im Jahr in die Kassen. International dabei sein ist also wirklich alles für einen Verein wie die Rangers, die am Mittwoch zum Auftakt der Champions-League-Gruppe E den VfB Stuttgart empfangen (20.45 Uhr, live in Sat1 und Premiere).

Keine Berührungsängste: Die Glasgow Rangers zeigen vollen Körpereinsatz. (Foto: Foto: Reuters)

Nahe am Ruin

Die Rangers haben sich von ihren noch vor sieben, acht Jahren gehegten Großmachtphantasien in Europa längst verabschiedet. Sie sind in Europa nur noch Außenseiter. Der Eigentümer Sir David Murray, ein Stahlmagnat, glaubte, mit teuren ausländischen Stars (Brian Laudrup, Ronald und Frank de Boer) Erfolge über die Landesgrenzen hinaus feiern zu können - das Wettrüsten mit Celtic führte beide Klubs nahe an den finanziellen Ruin. Murrays Firmengruppe übernahm im September 2004 den Großteil von gut 100 Millionen Euro Schulden, seitdem können die Bluenoses, die Blaunasen, etwas unbeschwerter atmen. Als man sich im Sommer mit Celtic um Hibernian-Mittelfeldspieler Scott Brown, 22, stritt, winkte Murray jedoch schnell ab. "Wir können uns Gehaltszahlungen von (umgerechnet) 1,9 Millionen Euro im Jahr nicht leisten", sagte der 55-Jährige.

Die Liga hat Priorität. Trainerlegende Walter Smith, 59, der von 1991 bis 1998 sieben Mal hintereinander den Meisterpokal ins Ibrox-Stadion holte, soll nach seiner Rückkehr auf die Bank das zuletzt überlegene Celtic in die Schranken weisen. Zwei Jahre lang haben die Rangers keinen Titel gewonnen, für die Fans eine unzumutbare Durststrecke. Im Januar war das Experiment mit dem ehemaligen Lyon-Coach Paul Le Guen dramatisch gescheitert: Der Franzose überwarf sich mit Kapitän Barry Ferguson und musste wieder gehen. "Wir hätten uns keine stärkere Gruppe aussuchen können", scherzte Smith nach der Auslosung der Gruppenphase. Der sensationelle 1:0-Auswärtssieg der Nationalelf in der EM-Qualifikation gegen Frankreich aber hat eine neue Euphorie ins Land gebracht. "Das Resultat schickt unsere Vereine aufrecht nach Europa", glaubt Mark McGhee, Trainer des Erstligisten FC Motherwell. "Wir brauchen uns nicht zu fürchten - das sollten eher die anderen tun."

Lust auf Konterfußball

So richtig Angst einflößend ist Smiths Truppe aus Veteranen wie David Weir, 37, Talenten wie Steven Naismith und dem einen oder anderen Mittelklasse-Ausländer wie dem spanischen Stürmer Nacho Novo eigentlich nicht. Respekt verdient aber die Kulisse im Ibrox, eines der lautesten Stadien auf der Insel. Vor vier Jahren bestritt der VfB, damals noch unter Trainer Magath, schon einmal ein Champions-League-Spiel im Ibrox-Park und verlor trotz guter Vorstellung 1:2. Glasgows damalige Siegtorschütze Peter Løvenkrands, heute bei Schalke, meint, dass der VfB auch diesmal Probleme bekommen könnte: "Wenn Rangers schnell auf Konter spielt, haben sie gute Chancen", verriet der Däne dem Sunday Herald. Stuttgarts Ewerthon hat sich dagegen schon jetzt viele Freunde gemacht. "Ich weiß nicht viel über den schottischen Fußball, stelle mich aber auf viele blaue Flecken ein", wird der Stürmer vom Krawallblatt Daily Record zitiert.

Es ist aber nicht die ruppige Gangart auf dem Rasen, die die Sittenwächter der Uefa auf den Plan gerufen hat. Militante Rangers-Fans intonieren gern sektiererische Liedchen wie "The Billy Boys" (Textprobe: "Wir stehen bis zum Knie in irisch-katholischem Blut"), die vom europäischen Verband explizit verboten wurden. Gegen den VfB wird man sich das verkneifen, sonst droht eine Geldstrafe. Aber Celtic kommt nächsten Monat zum Derby. Da sind die Uefa-Ordnungshüter nicht zuständig.

© SZ vom 19.09.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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