Champions League:Bayern zeigen finalreife Leistung

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Vor einem Jahr setzte sich Juventus Turin gleich zwei mal in der Champions League gegen die Bayern durch. Umgekehrtes Bild am Dienstagabend: Überlegen bezwang der FC Bayern München die Italiener mit 2:1.

Es ist ja erst ein Jahr her, dass sich Bayern München und Juventus Turin gleich zweimal in der Champions League begegnet sind, und natürlich war die Erinnerung an die beiden 1:0-Siege der Italiener noch frisch. Es ist also kein Wunder gewesen, dass die meisten Augenzeugen von damals wohl wieder etwas Einszunull-Ähnliches erwartet haben, aber das war ein Irrtum: Hochverdient mit 2:1 (2:0) besiegte der FC Bayern die hochgewetteten Turiner, womit die Münchner nach drei Siegen aus drei Spielen die Tabellenführung der Vorrundengruppe A übernahmen. Der Vortrag der überzeugenden Bayern war von faszinierender Präsenz - gerade so, als handelte es sich hier nicht um eines von sechs Vorrundenspielen, sondern um ein Finale.

Roy Makaay beglückwünscht Sebastian Deisler zum 1:0. (Foto: Foto: dpa)

Es war fast ausschließlich den Bayern zu verdanken, dass es in der Arena kein so genanntes Trainerspiel zu sehen gab. Das sind jene Spiele, bei denen sich zwei Teams konspirativ belauern und echte und unechte Experten hinterher mit der Zunge schnalzen und von einem taktischen Hochgenuss schwärmen. Meist ist es aber so, dass sich das Vergnügen beim Zuschauer in Grenzen hält, weil taktisch hochwertig oft nur eine freundliche Umschreibung ist für ziemlich langweilig.

Die Münchner legten los, als wollten sie sich nie wieder solch ein vergiftetes Lob einfangen; sie stürmten, als seien sie keineswegs dieser berechnende FC Bayern, und das Erstaunlichste war, dass auch Juventus zunächst spielte, als seien sie gar nicht Juventus. Die Elf wird europaweit für ihre kompakten Kunstwerke geschätzt, aber an diesem Abend wurde sie weder durch Kunst noch durch Kompaktheit auffällig.

Normalerweise machen die Italiener hinten dicht und vorne Tore; an diesem Abend aber waren sie nur vorne dicht, und die Tore kassierten sie. Nach nur vier Minuten bot sich dem auch an diesem Abend glücklosen Bayern-Stürmer Roy Makaay die erste große Chance: Nach Vorarbeit des umtriebigen Willy Sagnol nahm er den Ball mit vollem Risiko und verfehlte das Tor nur knapp. Fünf Minuten später ließ Turins Ersatztorhüter Abbiati den Ball nach einem Freistoß von Ballack nach vorne prallen; ein Fehler, der ihm eine Viertelstunde später noch einmal unterlief. Da hatte Makaay einen kernigen Freistoß getreten, und Juventus konnte von Glück sagen, dass es beim anschließenden Gestocher nicht bereits in Rückstand geriet.

Überrascht vom Tatendrang

"Wir haben auf Schalke in der ersten Hälfte gut gespielt, und deshalb habe ich mich für dieselbe Mittelfeldformation entschieden", hatte Trainer Felix Magath vor dem Spiel gesagt und recht behalten. Zé Roberto und Deisler suchten immer wieder den Weg über außen, und Ballack und Demichelis stürzten sich in die Zweikämpfe, als würden sie für Körperkontakte extra bezahlt. Es war ein temperamentvoller FC Bayern, der auch spielerisch zu gefallen wusste, während Juves Qualitäten nur bei einem Konter über Trezeguet und Nedved (21.) zu erahnen waren.

Die Italiener waren überrascht vom bayerischen Tatendrang, und sie fanden keinen, an dem sie sich festhalten konnten. Dem Brasilianer Emerson fehlte die Unterstützung des verletzten Patrick Vieira. Es war nur folgerichtig, dass die Bayern nach 32 Minuten in Führung gingen, wobei sich zeigte, dass selbst in einem Edelkader nicht für jede Position ein gleichwertiges Double vorhanden ist. Ebensowenig wie Vieira ist für Juve der Keeper Buffon zu ersetzen: Nach einem Dribbling von Deisler am rechten Strafraumeck kickte sich Torwart Abbiati den harten, aber unplatzierten Schuss mit dem Knie selbst ins Tor.

Auch sieben Minuten später sah er zumindest nicht ganz glücklich aus: Nach einer Ecke von Deisler besah er sich auf der Torlinie das passive Treiben seiner Abwehrspieler, was der starke Demichelis per Kopf zum 2:0 nutzte (39.). Es war eine Szene, mit der sich diese erste Hälfte passend bebildern ließ: Der eigentlich defensive Demichelis durfte sich um den Torerfolg verdient machen, während der eigentlich zum Toreschießen eingeteilte Trezeguet unter dem Ball durchhüpfte.

Unveständliche Passivität

Ob es auch an der ungewohnten Hemdfarbe lag? Auch in der Offensive zeigten die in Kreischgelb gewandeten Turiner nicht das, was die Namen versprachen. Bayerns coole Innenverteidigung Lúcio/Ismaël geriet selten unter Druck, und auch als Schweinsteiger auf die linke Verteidigerposition rückte, änderte sich daran nichts. Schweinsteiger kam für Bixente Lizarazu ins Spiel (30.), der sich nach gerade überstandener Verletzung erneut einen Muskelfaserriss in der linken Wade zuzog - an derselben Stelle.

Bis dahin war die Schalke-Taktik also aufgegangen, aber vermutlich hatten die Spieler ihren Trainer doch falsch verstanden. Vermutlich hatte Magath nicht gemeint, dass seine Profis auch die zweite Hälfte vom Wochenende nachstellen sollten. Erneut befiel die Bayern eine unverständliche Passivität, was Juventus den Weg zurück ins Spiel wies. Del Piero (51.) und Trezeguet (59.) erschreckten die Münchner mit zwei Gelegenheiten, aber anders als auf Schalke fanden die Bayern ihre Sicherheit wieder, auch wenn Juventus doch noch der Anschlusstreffer durch Zlatan Ibrahimovic gelang (90.).

Am Ende durften die Bayern eine sehr starke und eine anständige Halbzeit zu den Akten nehmen, aber eine dritte steht erst noch bevor: An diesem Mittwoch, heißt es, soll ein Verhandlungsgespräch mit Michael Ballack stattfinden.

© SZ vom 19.10.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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